Lösungen und Elemente zur Flexibilisierung : Wärmenetze im Wandel
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Die Herausforderungen für die Fernwärme
Um den erneuerbaren Anteil in der Fernwärmeversorgung von aktuell rund 50 Prozent rasch zu erhöhen, müssen nachhaltige Wärmequellen lokalen Ursprungs integriert werden. Biomasse kommt dabei eine wichtige Rolle zu, wobei aufgrund des Ressourcenbedarfs in anderen Sektoren und der grundsätzlichen Ressourcenlimitierung der Beitrag zur Dekarbonisierung des Fernwärmesektors begrenzt sein wird. Also braucht es auch die Adressierung anderer Energieträger und Wärmequellen, die z. B. auch über die Kopplung von Energiesektoren nutzbar gemacht werden können.
Konkret sprechen wir hier zukünftig über die verstärkte Nutzung von tiefer Geothermie, unterschiedlichen Abwärmequellen, Großwärmepumpen, Solarthermie, Power-to-Heat und im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung auch von grünem Gas. Werden heute Fernwärmenetze überwiegend zentral mit wenigen Erzeugungsanlagen versorgt, erfordert die Nutzung lokaler Ressourcen eine verstärke Dezentralisierung der Anlagen zur Wärmegenerierung.
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Durch die daraus resultierende größere Anzahl an Erzeugungsanlagen einerseits und durch beschränkte zeitliche Verfügbarkeiten (Fluktuationen) andererseits steigt der Komplexitätsgrad, was wiederum den Bedarf an Flexibilitätsoptionen erhöht. Komponenten und Elementen wie Wärmespeicher (zentral, dezentral), Kopplung von Energiesektoren und Infrastrukturen, smarten Regelungskonzepten sowie auch der Integration von Nutzer*innen kommt eine große Bedeutung zu.
Parallel werden hochintegrierte Planungs-, Umsetzungs- und Betriebsführungsprozesse an Wichtigkeit gewinnen, wie z. B. neue Facetten der Energieraumplanung, Methoden zur Lebenszyklusanalyse und zur Stakeholderintegration sowie im Bereich Datenanalyse bzw. Monitoring in der Betriebsführung.
Den dafür notwendigen Transformationsprozess zu unterstützen, ist das Ziel des Großforschungsprojekts „ThermaFLEX“ unter der Leitung von AEE INTEC, zusammen mit einem transdisziplinären Team aus 28 Projektpartnern: Es wurden technische, nicht-technische und systemische Maßnahmen kombiniert betrachtet und in Demonstrationsprojekten umgesetzt.
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Die ThermaFLEX – Demonstratoren und Maßnahmen
Die Demonstrationsprojekte nutzen eine große Bandbreite an unterschiedlichen Maßnahmen, Wärmequellen und Flexibilitäts-Elementen. Im Fokus standen zehn Standorte in kleinen, mittleren und großen Fernwärmeversorgungsgebieten in der Steiermark, Salzburg und Wien, deren Kernelemente der Fernwärmenetze nachfolgend erläutert werden.
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Demonstrationsprojekte | |
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Abwärmenutzung Therme Wien | Nutzung der im Thermalwasser vorhandenen Abwärme nach der internen Verwendung in der Therme Wien. Die Abwärme des Abwassers wird mittels eines Wärmepumpenkonzeptes (2,2 MWth) in die Wiener Fernwärme integriert. Seit Mai 2022 liefert die Anlage Wärme für rund 1.900 Haushalte. |
Hochtemperaturwärmepumpe Wien-Spittelau | Konzeptentwicklung für die Müllverbrennungsanlage Spittelau. Das Konzept basiert auf der Nutzung der Abwärme aus der Rauchgaskondensation der Verbrennungsanlage als Wärmequelle für eine Hochtemperatur-Wärmepumpe (16 MWth). Der mehrstufige Bauprozess wurde 2022 gestartet. |
Erneuerbare Wärme und Kälte aus Abwasser – Wien Kanal | Am Standort der neuen Firmenzentrale von Wien Kanal wurde die energetische Nutzung aus Abwasser für Heizung und Kühlung realisiert. Dabei wurden innovative Wärmetauscher- und Wärmepumpensysteme mit einer Heizleistung von 460 kWth und einer Kühlleistung von 430 kWth kombiniert. Die Inbetriebnahme des Gesamtsystems erfolgte im Herbst 2021. |
Virtuelles Heizwerk Gleisdorf | Zentrales Element der Konzeptentwicklung war die Kopplung der Fernwärme mit der kommunalen Kläranlage. Das Konzept liefert in der ersten Ausbaustufe ab Sommer 2022 etwa 4.000 MWh thermische Energie aus dem Abwasser (ca. 500 kWth) und Biogas (ca. 100 kWth). Darüber hinaus wurde eine für das „virtuelle Heizwerk“ gänzlich neuartige Regelung entwickelt und implementiert. |
Großsolarthermie Mürzzuschlag | In Mürzzuschlag wurde im Jahr 2020 die Integration einer rund 5.000 m2 großen solarthermischen Anlage in Kombination mit einem 180 m3-Speicher für das Wärmenetz demonstriert. Eine Erweiterung um weitere 2.000 m2 Kollektorfläche sowie zusätzlicher Speicher ist für Herbst 2022 geplant. |
100 % Erneuerbare Fernwärme für Leibnitz | Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Erdgas durch Nutzung von fluktuierender Abwärme (maximal 4 MWth) aus einem Produktionsbetrieb durch bidirektionale Kopplung zweier Fernwärmenetze. Die Umsetzung erfolgte im März 2021 und wird durch die Entwicklung einer übergeordneten prädiktiven Regelung von Netz- und Erzeugungsanlagen optimiert. |
Modernisierungskonzept und Wärmepumpenintegration Saalfelden | Entwicklung eines 2-stufigen Modernisierungskonzeptes, wobei Phase 1, die technische Modernisierung des Heizwerks durch Rauchgasrückführung, E-Filter-Integration, Steigerung der Rauchgaskondensation auf 410 kWth und 150 m3-Wärmespeicher, im Herbst 2020 umgesetzt wurde. Phase 2 (Wärmepumpenintegration mit rund 750 kWth mit der Rauchgaskondensation als Wärmequelle, modularer CO-Lambda-Regelung, dezentrale Wärmepumpen zur Kapazitätssteigerung) wird noch im Detail ausgearbeitet. |
Industrie-Abwärmenutzung Hallein und Öko-Energiepark Salzburg | Konzeptentwicklung für Absorptionswärmepumpen (AWP) im industriellen Maßstab. Die erste Maßnahme umfasste die Implementierung einer neuen AWP (8 MWth) zur Erhöhung der Abwärmenutzung am Standort von AustroCel in Hallein im Jänner 2020. Das zweite Konzept umfasste die Entwicklung eines Öko-Energieparks für die Stadt Salzburg (Biomassekessel mit rund 9 MWth, Biomasse-KWK mit rund 8 MWth, Absorptionswärmepumpe rund 14 MWth) und ist technisch abgeschlossen. Die Umsetzung wird aktuell mit den neuen regulatorischen Rahmenbedingungen bewertet. |
Wärme aus Abwasser Wien-Liesing | Konzeptentwicklung für die Nutzung von Abwasser direkt aus dem Kanal als Wärmequelle für eine 2 MWth-Wärmepumpe und Einspeisung in ein Sekundärnetz der Fernwärme Wien. Für das Projekt ist noch keine Umsetzungsentscheidung erfolgt. |
Großsolarthermie Salzburg (Big Solar Salzburg) | Erweiterte Konzeptentwicklung für eine Großsolarthermieanlage (rund 30.000 m2 Kollektorfläche), einen Großwasserwärmespeicher (rund 20.000 m3) und die Integration einer Absorptionswärmepumpe (rund 14 MWth). Für das Projekt ist noch keine Umsetzungsentscheidung erfolgt. |
Wesentlichste Ergebnisse und Ausblick
ThermaFLEX hat gezeigt, dass großtechnische Umsetzungen auch in relativ kurzer Zeit möglich sind. Eine integrierte Betrachtungsweise auf Systemebene ist genauso notwendig wie die Nutzung neuer Methoden und muss immer im Gesamtkontext einer langfristigen Entwicklungsstrategie stehen. Neben dem begleitenden Daten-Monitoring wurden zur Bewertung ganzheitliche System- und Lebenszyklusanalysen durchgeführt.
Dies stellt für Wärmenetze eine gänzlich neuartige wissenschaftliche Methode dar und berücksichtigt die gesamte Wertschöpfungskette. Die Ergebnisse dieser Analysen zeigten die Auswirkungen der gesetzten Maßnahmen auf Treibhausgasemissionen sowie Primärenergieverbrauch deutlich auf. Durch die Erarbeitung von Verwertungs-Strategien wurden ein hohes Multiplikationspotenzial und die Skalierbarkeit aufgezeigt.
All diese Schritte führten zu vielfältigen Lerneffekten für die Weiterentwicklung und die Übertragung auf den gesamten Sektor der netzgebundenen Wärmeversorgung. Um die Wärmewende im Fernwärmesektor weiter voranzutreiben, bedarf es jedoch weiterer Forschungsprojekte an der Nahtstelle zur Umsetzung, die sich mit noch nicht vollständig gelösten Fragestellungen wie z. B. dem Thema Langzeitspeicher, dem Phase-out aus den großen Gas-KWK-Anlagen sowie weiterführenden Themen der Digitalisierung befassen.
Das Leitprojekt ThermaFLEX wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und unter dem Schirm des Green Energy Lab als Teil des Programms „Vorzeigeregion Energie“ durchgeführt.