Roman Weigl im Interview : Huttengasse: "Mickey-Mouse Projekt" wird zum Vorzeigeobjekt
Nur drei Tage dauerte die Umstellung von fossiler auf erneuerbare Raumwärme in einer Ottakringer Wohnhausanlage. Das Gebäude wurde bereits vor einigen Jahren thermisch saniert, Anfang des Jahres wurde zur Raumwärmegewinnung ein Wärmepumpensystem auf dem Dach installiert. Die einzelnen Gasthermen in den 17 Wohnungen wurden durch Wohnungsübergabestationen ersetzt, die an das bestehende Wärmeabgabesystem mit Radiatoren angeschlossen sind. Der TGA war zur Anlagenbesichtigung vor Ort und führte mit Ing. Roman Weigl, MSc., der die Planung verantwortete, ein Interview zu den besonderen Herausforderungen des Projektes.
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Roman Weigl: Die Wohnbaugenossenschaft Wien Nordwest ist eine relativ kleine Genossenschaft, mit vielleicht 30 Wohnhausanlagen in Wien. Schon 2005 haben wir begonnen, die Wohnobjekte auf die Möglichkeit der Ausstattung mit erneuerbarer Energie zu analysieren. In der Zwischenzeit konnten wir bereits mehrere Projekte, mit teils sensationellen Energieeinsparungen durch die Installation von PV und Wärmepumpen, realisieren. Zur Umstellung in der Huttengasse habe ich eine Studie erstellt, um zu eruieren, welche Technologie am besten geeignet ist. Das Haus wurde vor einigen Jahren thermisch saniert, die Heizkosten konnten dadurch bereits gesenkt werden. Die Art der Heizung wurde aber damals nicht verändert.
Welche Varianten standen zur Wahl?
Weigl: Sehr schnell stand fest, dass Fernwärme keine Option ist, sie ist 200 m weit entfernt, für ein Mickey-Mouse Projekt wie die Huttengasse wird nicht extra aufgegraben. Wir haben die Installation einer Zentralkesselanlage überlegt, aber schnell wieder verworfen. Dann kam die Wärmepumpe ins Spiel. Geothermie schied aus, da es keine Möglichkeit gab, das Bohrgerät in den Hof zu bringen. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in der Garage unterzubringen, kam nicht in Frage – dafür ist zu wenig Luft verfügbar. Es gab auch die Idee, mehrere kleine Wärmepumpen in den Hof zu stellen, dort ist es aber dermaßen ruhig, dass es sicher zu Problemen mit dem Schall gekommen wäre. Die letzte Konsequenz: Wir müssen mit dem Ding aufs Dach!
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„Für ein Mickey-Mouse Projekt wie die Huttengasse wird nicht extra aufgegraben."
Contracting als Lösungsweg
Keine einfache und sicherlich auch eine kostenintensive Entscheidung für die Genossenschaft ...
Weigl: Das ist richtig, die Investitionskosten von rund 350.000 Euro haben die Genossenschaft zögern lassen. Dazu kam die Frage, wie bei einer zentralen Heizungsanlage verbrauchsgerecht abgerechnet werden kann, die Genossenschaft hat dafür keine Mitarbeitenden. Es war ein großes Anliegen, jemanden zu finden, der die Abrechnungsmodalitäten übernimmt, so wie bei Gas. Das Projekt war damit festgefahren.
Weigl: Der Obmann der Genossenschaft und ich haben Kontakt zu Wien Energie aufgenommen, es hat gut zwei Jahre gedauert, eine Lösung zu finden, nämlich ein Contracting-Modell. An den Plätzen, an denen die Gasthermen montiert waren, wurden Wohnungsübergabestationen mit Abgabezählern installiert, die den Verbrauch messen. Der Umbau in den Wohnungen hat nur drei Tage gedauert – das war ein Planungs-Highlight. Die Wärmeversorgung in den Wohnungen war maximal für drei Stunden unterbrochen. Es gab keine einzige Reklamation von Mieter*innen.
Es ist eine Mähr, dass Wärmepumpen zwingend eine Fußbodenheizung brauchen, sie können auch konventionelle Heizkörper versorgen.
Gasfreies Wien?
Es gibt immer wieder Stimmen, die behaupten, dass sich Wärmepumpen für die Sanierung im innerstädtischen, mehrgeschossigen Wohnbau nicht eignen. Das Projekt Huttengasse beweist das Gegenteil.
Weigl: Ja genau! Es ist eine Mähr, dass Wärmepumpen zwingend eine Fußbodenheizung brauchen, sie können auch konventionelle Heizkörper versorgen. Die Heizkörper in der Huttengasse waren nach der thermischen Sanierung alle überdimensioniert. Vorlauftemperaturen von 35 bis 40 °C, wie sie bei Fußbodenheizungen benötigt werden, können wir nicht realisieren, der COP wird etwas schlechter. Aber selbst bei Außentemperaturen von -10 °C leistet die Wärmepumpe einen COP von 2 und mehr. Damit ist der Betrieb immer noch sinnvoller, als wenn man mit Strom hinein heizt. Und als Backup für den Notfall stehen Elektropatronen bereit.
Die Huttengasse gilt als eines der Leuchtturmprojekte der Stadt Wien auf dem Weg in eine gasfreie Zukunft. Um die Pläne der Regierung zu erfüllen, bedarf es aber wohl noch großer Anstrengungen. Sind die Klimaziele für Sie realistisch?
Weigl: Ich glaube nicht, dass wir den Umstieg bis 2030 oder 2035 schaffen. Für die Gesellschaft ist das aber auch egal. Es geht, darum ein Umdenken in Bewegung zu bringen. Ich gehe davon aus, dass Diskussionen über die Netzinfrastruktur über uns hereinbrechen werden. Für die E-Mobilität brauchen wir sehr viel Strom. In einer Studie haben wir erhoben, wie der Umstieg erfolgen kann. Bis 2040 könnten wir die Energiewende, die Wärmewende schaffen – rein technisch. Es fragt sich dann aber immer noch, wer zahlt das? Die Politik muss die entsprechenden Fördertöpfe zur Verfügung stellen.
Die Zukunft in Wien ist also gasfrei?
Weigl: Wien wird – vorübergehend – gasfrei werden, denken wir dabei an den fossilen Energieträger. Denn die Umstellung auf Biogas wird sich nicht rechtzeitig ausgehen, wir werden auf die Schnelle keine nennenswerten Mengen zur Verfügung haben. Ich bin aber froh, dass wir in Wien das Gas-Infrastrukturnetz zur Verfügung haben. Irgendwann wird es uns gelingen, genügend Methan zu produzieren. Bis 2040 werden wir die Technologiereife aber nicht schaffen.
Das Projekt Huttengasse 77, 1160 Wien
- Gebäudetyp: saniertes, mehrgeschossiges Wohnhaus
- Wohn-Nutzfläche: 1.170 m2
- Wohneinheiten: 17
- Heizwärmebedarf: 30,62 kWh/m2a
- Ausgangssituation der Energieversorgung: Einzelne Gasetagenheizungen (Kombithermen)
- Wärmeabgabe über Radiatoren (Heizkreis und Heizkörper blieben unverändert)
- Elemente des neuen Energiesystems: Zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen am Dach mit jeweils 60 kW/h
- Heizwasserleitungen über Außenfassade im Innenhof geführt
- Heizzentrale im Erdgeschoß mit zwei 1.000 l Pufferspeichern mit je 12 kW E-Heizpatrone
- Erschließung über zwei Steigstränge in den Abstellräumen sowie einem im Stiegenhaus
- Übergabestationen an bestehende Wohnungsinstallation angeschlossen