Zusammenschluss auf dem Sanitärmarkt : Villeroy & Boch kauft Ideal Standard
Erdbeben am Sanitärmarkt: Villeroy & Boch hat nach Verhandlungen, die seit Mitte letzten Jahres andauern, heute bindende Verträge zum Erwerb aller vier operativen Gesellschaften der Ideal Standard Group unterzeichnet. Damit läutet das Unternehmen mit Stammsitz im deutschen Mettlach in ihrem 275. Jubiläumsjahr die größte Transaktion der Firmengeschichte ein.
Nach Abwicklung der Übernahme wird das integrierte Unternehmen zu den umsatzstärksten Badprodukteherstellern Europas aufschließen, insbesondere im Armaturenbereich will man Grohe und hansgrohe Konkurrenz machen. Der Kaufpreis basiert auf einer Unternehmensbewertung von rund 600 Mio. Euro, liegt aber unter dem Wert.
2022 hat Ideal Standard 737 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet und zählt aktuell rund 7.000 Mitarbeitende sowie acht Produktionsstandorte. Verkäufer der Ideal-Standard-Anteile sind Gesellschaften, die von der Anchorage Capital Group und von CVC Credit verwaltet werden.
Der Umsatz von Villeroy & Boch im Bereich Bad & Wellness verdoppelt sich durch den Zusammenschluss auf 1,4 Mrd. Euro. Inklusive des Dining & Lifestyle-Geschäfts bedeutet dies eine Steigerung auf über 1,7 Mrd. Euro (im Geschäftsjahr 2022 rund 995 Mio. Euro) für den Gesamtkonzern. „Unsere komplementären Stärken steigern unsere Wettbewerbsfähigkeit und verbessern unsere Ausgangsposition für zusätzliches Wachstum deutlich", sagt Frank Göring, Vorstandsvorsitzender von Villeroy & Boch. Der Abschluss der Transaktion wird für Anfang 2024 erwartet.
Die Badbranche bleibt ein dynamischer, globaler Wachstumsmarkt, in dem es aber für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsinvestitionen zunehmend auf Skaleneffekte ankommen wird.Andreas Schmid, Aufsichtsratsvorsitzender von Villeroy & Boch
Warum gerade jetzt?
Ob jetzt der richtige Zeitpunkt für eine solche Akquise ist? Immerhin muss der Sanitärmarkt aktuell mit einer Nachfrageflaute und hohen Energiepreisen kämpfen, wie die Alape-Insolvenz erst kürzlich unterstrich. Bei Villeroy & Boch zeigt man sich jedoch optimistisch: Gesellschaftliche Megatrends wie etwa die Alterung der Bevölkerung, die Zunahme an Single-Haushalten oder der Mangel an Wohnraum würden dem Markt zukünftig wieder Auftrieb verschaffen. Entgegen allen europäischen Trends, sei das Bad global gesehen im Kern ein Wachstumsmarkt.
„Die Badbranche bleibt ein dynamischer, globaler Wachstumsmarkt, in dem es aber für die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsinvestitionen zunehmend auf Skaleneffekte ankommen wird. Strategisch ist die Akquisition für Villeroy & Boch allein deswegen schon daher der richtige Schritt. Für den Unternehmensbereich Bad & Wellness und für Villeroy & Boch insgesamt beginnt eine neue Ära“, betont Andreas Schmid, Aufsichtsratsvorsitzender von Villeroy & Boch.
Das Management von Ideal Standard wird auch nach der Übernahme an Bord bleiben, alle Mitarbeitenden werden überführt. Was die Markenstrategie danach betrifft, lässt Göring wissen: „Wir werden definitiv mit beiden Marken weiterarbeiten." Stammsitz des vergrößerten Unternehmens soll weiterhin Mettlach sein.
Wir werden definitiv mit beiden Marken weiterarbeiten.Frank Göring, Vorstandsvorsitzender von Villeroy & Boch
Sortimente und regionale Präsenz ergänzen sich
Geografisch ergänzen sich die beiden Unternehmen durchaus: Villeroy & Boch ist vor allem in Zentral- und Nordeuropa sowie Asien stark verankert, Ideal Standard hingegen ist mit seinem Markenportfolio insbesondere in Großbritannien, Italien und der Region Mittlerer Osten / Nordafrika etabliert. In Zentraleuropa sind beide Sanitärmarken tätig.
Während Villeroy & Boch vertriebsseitig vor allem auf das gehobene Privatkund*innengeschäft ausgerichtet ist, verfügt Ideal Standard über ein Know-how im Projekt-Geschäft, unter anderem für die öffentliche Hand, das Gesundheitswesen sowie für Entwickler großer Wohn-, Hotel- und Gewerbeimmobilien. Zudem bringt Ideal Standard neben Badkeramik und anderen Produktbereichen ein Armaturengeschäft ein.
Jan Peter Tewes, CEO von Ideal Standard, dazu: „Villeroy & Boch und Ideal Standard ergänzen sich sowohl auf Produktebene als auch beim Markenportfolio und profitieren gegenseitig von ihren unterschiedlichen Vertriebskanälen. Beide Unternehmen werden eine mitentscheidende Rolle bei der weiteren Branchenausrichtung spielen. Dieser Entwicklung sehen wir mit Freude entgegen!“ Villeroy & Boch erwartet sich zukünftig so rund 35 Mio. Euro an Kosten- und Umsatzsynergien auf EBIT-Level.
Als wichtige Argumente für den Kauf hebt Göring in der Pressekonferenz zur Übernahme insbesondere die Etablierung von Ideal Standard in den Märkten Großbritannien und Middle East and North Africa (MENA) sowie den Armaturen-Bereich hervor. Während Armaturen bei Villeroy & Boch 2022 etwa 8 Prozent des Umsatzes ausmachten, waren es bei Ideal Standard 38 Prozent (rund 280 Mio. Euro) – von Göring also zu Recht als „letztes Filetstück im Bereich Armaturen" betitelt.
Finanzierung der Übernahme
Villeroy & Boch wird die Transaktion aus vorhandenen liquiden Mitteln sowie mit Fremdkapital in Höhe von rund 250 Mio. Euro finanzieren. Die Transaktion steht unter Vorbehalt der üblichen Prüfungen und Genehmigungen sowie der erfolgreichen Ablösung der von Ideal Standard International S.A ausgegebenen Anleihe über 325 Mio. Euro. Im Gegensatz zu den üblichen Pensions- und weiteren Verpflichtungen aus dem operativen Geschäft sind die Anleihe und verschiedene Finanzverbindlichkeiten nicht Bestandteil der Transaktion.
„Der Zusammenschluss erfolgt auf Basis einer soliden Finanzierungsstruktur. Auch sind die bestehenden Darlehen auf Verkäuferebene nicht Teil des Transaktionsumfangs und werden bei Closing nicht von Villeroy & Boch übernommen“, so Villeroy & Boch-Finanzvorstand Dr. Markus Warncke.