KI in der Gebäudetechnik : „Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug wie jedes andere“

Das Ingenieur Studio Hollaus arbeitet bereits seit 16 Jahren mit künstlicher Intelligenz. Anwendungen umfassen die Flächenkategorisierungen in Gebäuden oder die Zuweisung von Reinigungsintervallen und Kategorien im Facility Management. Für Geschäftsführer Martin Hollaus ist die Technologie aber kein Allzweckmittel.

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Praxiserfahrung: KI im Ingenieurbüro

TGA: Künstliche Intelligenz ist aktuell in aller Munde. Wo nutzen Sie diese Technologie im Ingenieurstudio Hollaus und was halten Sie davon?

Martin Hollaus: Künstliche Intelligenz ist bei uns in der Zwischenzeit fast in allen Bereichen angekommen. Ich denke aber, dass künstliche Intelligenz ein Werkzeug ist wie jedes andere. Viele glauben aktuell, zwanghaft etwas mit KI machen zu müssen, obwohl man gewisse Anwendungen mit einer prozedualen Programmierung einfacher umsetzen kann. Künstliche Intelligenz ist meiner Meinung nach ein Werkzeug für Programmierer*innen oder die IT. Für Anwender*innen ist es egal, ob Programmierer*innen etwas hart ausprogrammieren oder ein System trainieren. Was man Anwender*innen beibringen muss, ist wie exakt so ein System funktionieren kann. Denn ein KI-System wird immer eine Fuzzy Logic sein und daher eine gewisse Unschärfe haben. Egal, ob es die Unschärfe der Trainingsdaten ist, oder eine Entscheidungsunschärfe.

Sie arbeiten bereits länger mit KI, wo begann die Reise?

Hollaus: Wir haben 2007, als KI noch keine Modewelle war, ein System entwickelt, das künstliche Intelligenz nutzt. Man kann es unter Anführungszeichen als ein KI-System erster Ordnung bezeichnen, es war also rein selbst lernend. Wir haben zwar Strukturen vorgegeben, aber im Prinzip hat das System die Daten angesammelt und ist immer schlauer geworden.

Was war das damals für ein Projekt?

Hollaus: Es war ein Teil unseres Facility Management Systems, das wir selbst programmieren. Die Anwendung hat eine Reinigungszuweisung eines Gebäudes aufgrund von Erfahrungswerten aus anderen Gebäuden durchgeführt. Natürlich konnte man auch zwischen Gebäudearten differenzieren. Das heißt, dass wir dafür geclusterte Trainingsdaten hatten. Es war eine recht spezielle Anwendung, bei der man vielleicht nicht gleich an KI denken würde. Aber es war definitiv der erste Schritt.

Martin Hollaus
Martin Hollaus, Geschäftsführung Ingenieur Studio Hollaus - © Ingenieur Studio Hollaus
Ich glaube insbesondere die Anwender*innen sollten sich davon trennen, alles unbedingt mit KI lösen zu wollen, das ist vollkommen egal. Wichtig ist in Wahrheit, dass man digitalisiert.
Martin Hollaus

Wo KI sinnvoll ist

Unter welchen Voraussetzungen erwägen Sie den Einsatz von KI bei Lösungen Ihres Unternehmens?

Hollaus: Wir nutzen KI bei ähnlichen Zuweisungen. Also immer dann, wenn etwas so ähnlich wie etwas anderes auszuführen ist. Ein großer Bereich ist dabei unser CAFM-System. Aber auch bei der Analyse von fremden CAD-Produkte fällt auf, dass es bei KI um das Erkennen von ähnlichen Situationen geht. Dafür suchen wir Lösungen.

Aber nicht alle Lösungen erfordern im Umkehrschluss den Einsatz von KI?

Hollaus: Ich glaube insbesondere die Anwender*innen sollten sich davon trennen, alles unbedingt mit KI lösen zu wollen, das ist vollkommen egal. Wichtig ist in Wahrheit, dass man digitalisiert. Das ist es, was die Veränderung einleitet. Ob ich dann mit künstlicher Intelligenz analysiere oder mit irgendwelchen anderen Mitteln ist völlig unerheblich. Natürlich kann man sagen, ich programmiere irgendetwas rund um eine KI und könnte auch noch eine Blockchain einbauen, das ist noch moderner. Aber die Frage ist immer, wo kann ich das nutzen?

Stichwort Nutzung, gerade in der Gebäudetechnik, die mit dem Fachkräftemängel zu kämpfen hat, stellt sich die Frage, ob sich in Zukunft ein gewisser Teil der fehlenden Manpower mit KI ersetzen lässt. Wie sehen Sie das?

Hollaus: Das ist ein sehr heißes Spiel. Dabei geht es zum Beispiel um Predictive Maintenance. Für manche Bereiche mit geringem Risiko ist das natürlich in Ordnung. Man lässt künstliche Intelligenz also analysieren, wann man warten muss oder nicht. Dort bewegt man sich aber schnell in eine Richtung, wo bewertet werden muss, was es wert ist, wenn sich ein Mensch verletzt, oder ein Mensch stirbt. Nehmen wir an ein Unternehmen macht eine Wartung nicht, weil die KI sagt, die braucht es nicht. Diese Aussage trifft mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu. Eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit lässt sich mit künstlicher Intelligenz nicht erreichen, das gilt auch für menschliche Intelligenz. Es gibt immer ein Restrisiko. Aber als Teil einer KI auch ein Menschenleben bewerten oder beziffern zu müssen, widerstrebt mir als Person extrem.

>> Lesen Sie auch: Künstliche Intelligenz ist mehr als ChatGPT

Glossar: Diese KI-Begriffe sollten Sie kennen

  • Automatisierung: Ein System, das vorprogrammierten Regeln folgt. Es wird verwendet, um monotone und sich wiederholende Vorgänge automatisch auszuführen.
  • Machine Learning: Ein Teilgebiet der KI. Durch das Erkennen von Mustern in vorliegenden Datensätzen sind die Systeme in der Lage, Lösungen für neue, unsichtbare Daten zu entwickeln.
  • Künstliche Intelligenz: Die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. Diese Systeme sind in der Lage, ihr Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten.
  • Fuzzy Logic: Ein Ansatz zur Datenverarbeitung, der auf Wahrheitsgraden basiert und nicht auf der üblichen Logik von wahr oder falsch (1 oder 0). In der KI soll Fuzzy Logic menschliches Denken und Erkennen imitieren. 0 und 1 werden als Extremfälle der Wahrheit erkannt, aber mit verschiedenen Zwischenwerten, sodass auch unscharfe Angaben wie „ein bisschen“, „ziemlich“ oder „stark“ mathematisch bearbeitet werden können.
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Eine Frage des Trainings

Denken Sie, dass Anwender*innen KI differenzierter sehen sollten?

Hollaus: Nicht unbedingt. Ich glaube, dass der Hype um KI ein guter ist, weil er dazu motiviert, Daten zu digitalisieren. In der Vergangenheit dachten viele sie digitalisieren, dabei haben sie Zettel eingescannt. Daten müssen in maschinenlesbarer Form sein, sonst kann eine KI nichts damit anfangen.

Apropos Dateneinspeisung für KI, worauf ist dabei Ihrer Ansicht nach zu achten?

Hollaus: Eine künstliche Intelligenz lebt davon, dass die Eingangsparameter richtig gesetzt sind. Man kann nicht einfach einen Datenhaufen hinschmeißen und sagen: Tu etwas damit. Es müssen Parameter definiert werden, mit denen das System trainiert wird. Das schwierigste Thema ist dabei immer, gute und ausreichende Trainingsdaten zu finden. Dabei stellt sich immer die Frage, wie viel man dafür braucht. Was das betrifft, gibt es die unterschiedlichsten Aussagen und das Problem ist: Sie sind alle irgendwo richtig. Bei einem System mit einer relativ kleinen Varianz braucht es nicht viele Trainingsdaten und das System kann beginnen zu lernen. Bei einer hohen Varianz werden aber relativ viele Trainingsdaten benötigt.

Eine künstliche Intelligenz lebt davon, dass die Eingangsparameter richtig gesetzt sind. Man kann nicht einfach einen Datenhaufen hinschmeißen und sagen: Tu etwas damit.
Martin Hollaus