Stefan Friedl, Labor Strauss Gruppe : „Überdurchschnittliches Wachstum in der Sicherheitsbeleuchtungstechnik“
TGA: Die elektronische Gebäudesicherheitstechnik beschreibt ein breites Feld und ist noch dazu sehr vielfältig. Gibt es gewerkeübergreifende Synergien, die man ausnutzen kann, etwa für einen energieeffizienteren Betrieb?
Stefan Friedl: Generell sind wir in der Hebung aller Synergiepotenziale, die grundsätzlich zur Verfügung stünden, durch verschiedenste Normen, technische Richtlinien und Building Codes beschränkt. Wir dürfen auf eine Brandmeldeanlage nicht frei alles hängen, was uns so beliebt, und dementsprechend ist die technische Synergie durch das Übernehmen von verschiedenster Infrastruktur in andere Gewerke hinein relativ limitiert. Aber was natürlich große Vorteile bietet, ist die übergreifende Steuerung verschiedener Gewerke. Dabei ist die Brandmeldeanlage in einem Gebäude immer ein zentrales Schaltglied für verschiedenste Gebäudekomponenten; auch in der Ansteuerung einer Notlichtanlage. Wenn man diese im Speziellen betrachtet, sind wir beim Thema der dynamischen Fluchtwegslenkung.
Wie funktioniert dieses Novum aus dem Hause LST?
Christian Taferner: Angenommen man hat eine Gefahrenmeldeanlage und dazu zum Beispiel eine Leuchte, die anzeigt in welche Richtung der Fluchtweg geht. Was ist, wenn dieser Fluchtweg aus irgendeinem Grund versperrt ist? Das muss nicht unbedingt Rauch sein, auch Bauarbeiten können dazu führen. Wir haben dann die Möglichkeit, die Leuchte mit einer Brandmeldeanlage anzusteuern, wenn es eine Gefahr oder Behinderung gibt. Dazu gibt es inzwischen auch Entwürfe in den Normengremien. Aktuell heißt es ja, der kürzeste Weg muss verwendet werden, damit man in einen sicheren Bereich kommt. Aber der kürzeste Weg muss nicht der sicherste sein.
Der kürzeste Weg muss nicht der sicherste sein.Christian Taferner, Produktmanager LST
Gibt es darüber hinaus noch weitere Kombinationsmöglichkeiten in der Gebäudesicherheitstechnik?
Taferner: Man kann die Notbeleuchtung mit einer Alarmanlage und der Scharf-/Unscharf-Schaltung verbinden. Das Gebäude wird verlassen, die Alarmanlage scharf geschaltet und die Rettungszeichenleuchten ausgeschaltet. Wenn niemand im Gebäude ist, kann man so Energie sparen. Andersrum machen manche ein Nachtlicht daraus, damit das Gebäude nicht komplett finster ist. Dazu gibt es unterschiedliche Einstellungen. Der eine will dem Einbrecher kein Licht geben, der andere will ein Licht, damit man den Einbrecher von außen sieht.
Friedl: Die wirklich großen Synergien ergeben sich in Wirklichkeit aber in der Projektumsetzung in unseren Gewerken. Beginnend bei der Planung, wo man auf partnerschaftlicher Ebene mit dem Gebäudebetreiber, dem Planungsbüro und Architekt*innen zusammenarbeitet, um dort gewerkeübergreifend eine gute Lösung zu finden. Dort ist von unserer Seite aus der gleiche Ansprechpartner für alle Gewerke vor Ort und entsprechend ist das Synergie- und Einsparungspotential sehr hoch. Bei der Umsetzung macht natürlich die gleiche Projektleitung die Sicherheitsbeleuchtungstechnik wie die Brandmeldetechnik und am Ende des Tages geht das bis zur After-Sales-Betreuung, wo Wartungstechniker*innen das auch in einem Zug im Gebäude mitmachen können. Sie müssen für die Brandmeldetechnik praktisch sowieso durch das gesamte Gebäude gehen, dabei können sie auch die Sicherheitsbeleuchtungstechnik mitprüfen.
Blackout-Szenario & Sicherheitstechnik
Ein Notfall, der in vielen Köpfen aktuell sehr präsent ist, ist der Blackout. Wie gestaltet sich die Situation in so einem Fall für Ihre Produkte?
Friedl: Im Falle eines Blackouts, der in ein paar Minuten oder Stunden wieder behoben ist, werden die allermeisten sicherheitstechnischen Gewerke diese Überbrückungszeit ermöglichen. Bei einem Blackout, wo es dann wirklich Tage und Wochen keinen Strom mehr gibt, werden die allermeisten technischen Gewerke nicht mehr weiter funktionieren, ausgenommen die Bereiche, die der kritischen Infrastruktur zuzuordnen sind. Aber im Brandmeldebereich kann ich ganz klar sagen, die Überbrückungszeit liegt je nach Anwendungsfall und nach Notvorschrift zwischen einer halben Stunde und 72,5 Stunden. Alles, was über 72,5 Stunden hinausgeht, kann man natürlich realisieren, wird aber üblicherweise nicht umgesetzt.
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Taferner: In der Sicherheitsbeleuchtung ist das auch ganz klar geregelt. Es kommt auf die Gebäudeart an und variiert von einer Stunde bis acht Stunden. Wenn die Batterien gut geladen sind, kann sie bis zu zwölf Stunden halten. Es muss ja Reserve da sein, aber dann ist es auch finster.
Photovoltaik ist aktuell hoch im Kurs und betrifft auch die Sicherheitstechnik, zum Beispiel das spannungsfrei Schalten der PV-Anlage, wenn die Feuerwehr im Brandfall kommt. Wie sehr betrifft Sie dieses Thema aktuell und welche Lösungen können Sie anbieten?
Friedl: Wenig, ehrlicherweise. Es betrifft uns insofern, dass diese Paneele auch Feuer fangen können. Da gab es in der Vergangenheit immer die Frage, wie man so einen Brand detektieren und rechtzeitig melden kann. Dafür gibt es Systeme, wo man zumindest eine Vorabmeldung absetzen kann. Das ist aber noch alles im Entstehen. Was die Notabschaltung angeht, ist eine entsprechende Notabschaltung für die Feuerwehr vorgesehen, damit die gefahrlos mit Wasser löschen kann. Diese Notabschaltung kann man natürlich auch über die Brandmeldetechnik steuern. Wir können einen Ausgang zur Verfügung stellen, der dann eine entsprechende Abschaltung durchführt. Aber da ist meines Wissens nach noch nicht sehr viel umgesetzt worden. Und viele Schalthandlungen in einem Gebäude möchte die Feuerwehr auch gerne händisch erledigen.
Fernzugriff für Brandmeldeanlagen
Wenn es im Notfall um Menschenleben geht, muss alles funktionieren. Sie haben mit REACT ein Fernzugriff-System für Brandmeldeanlagen auf den Markt gebracht. Ist es nicht gefährlich, diese einfach aus der Ferne zu steuern?
Friedl: Grundsätzlich haben wir uns diese Frage natürlich von Anfang an gestellt und auch intensiv Rücksprache mit unseren Partnern gehalten, was die Funktionalität angeht, sowie mit IT-Expert*innen zusammengearbeitet, um die Sicherheit des Systems sicherzustellen. Natürlich öffnet man in dem Moment, wo man eine Anlage nach außen hin fernbedienbar macht, immer eine Sicherheitslücke. Das ist ganz klar. Das hat man genauso mit dem Telefon, wenn man telefonieren will. Aber dessen waren wir uns natürlich bewusst und haben viel Augenmerk darauf gelegt, um auf der einen Seite die Übertragungssicherheit zwischen der Zentrale und dem Server und zwischen dem Server und dem Endgerät entsprechend sicher zu gestalten. Auf der anderen Seite haben wir sehr viel Wert auf die Sicherheit des Rechenzentrums gelegt, sowohl auf die Angriffssicherheit als auch Ausfallssicherheit.
Abseits von böswilligen Angriffen von außen, war es uns ein Anliegen, dass die Berechtigung so gestaltet ist, dass nur ausgewählte Personen das bedienen können. Das heißt auch, dass der Betreiber durchaus entscheiden kann, wer was kann und je nach seinem persönlichen Wunsch aktiv eine Freigabe ermöglichen kann. Zum Beispiel ist zwar eine Fernüberwachung jederzeit möglich, aber ein Zugriff auf das System im Sinne davon, dass der Anlagenzustand verändert werden kann, ist nur möglich, wenn der Betreiber diese Freigabe an der Anlage erteilt hat oder man sich in einem festgelegten GPS-Kreis befindet.
Inkludiert REACT auch eine Fernwartung als Feature?
Friedl: Eine Fernwartung im Sinne einer Ferndiagnose ist umgesetzt. Man kann eigentlich sämtliche Anlagenzustände von der Ferne auslesen, um einen Überblick zu bekommen, in welchem Zustand die Brandmeldeanlage oder Löschsteueranlage ist. Was normativ einfach nicht möglich ist, ist eine echte Fernwartung. Denn es ist vorgeschrieben, dass man zu dem Melder hingehen muss, um anzuschauen, ob der Melder nicht abgedeckt ist, ob er in einer gewissen Mindestentfernung zu Einbauten ist und ob die baulichen Gegebenheiten überhaupt noch stimmen. Das kann man aus der Ferne nicht.
Wir haben unseren Weg nie verlassen, sind vorwärts gegangen und haben uns zu dem entwickelt, was wir heute sind. Und da ist unser Weg noch nicht zu Ende.Stefan Friedl, Geschäftsführer LST
Schulungszentrum neu aufgestellt
Apropos Wartung: Nicht nur dort, sondern generell ist Fachpersonal aktuell ein rares Gut. Wie geht es Ihnen in dieser Hinsicht bei LST?
Friedl: Weitestgehend können wir auf Basis des Umstandes, dass wir ein sehr langfristig agierendes und im positiven Sinne konservatives und vertrauenswürdiges Unternehmen sind, auf eine sehr stabile Mannschaft zurückgreifen. Darüber bin ich sehr froh. Wir sind in der komfortablen Situation, dass wir gleichzeitig auch ein sehr stark wachsendes Unternehmen sind und dementsprechend darauf angewiesen sind, zusätzliche Mitarbeitende zu bekommen. Und da geht es uns wahrscheinlich nicht viel besser als allen anderen. Das ist sehr, sehr schwierig.
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Mitarbeitende müssen auch regelmäßig geschult werden. Wie ist Ihr internes Schulungswesen organisiert? Wie bringen Sie Ihr Know-how weiter zu Partnern und Kund*innen?
Friedl: Der Know-how-Transfer zu unseren Partnern beginnt beim Vertriebsaußendienstmitarbeitenden. Aber es geht natürlich weiter. Was die Schulung unserer eigenen Techniker*innen oder jener von Partnerunternehmen angeht, sind wir gerade in einem Umbruch. Aus der Tradition heraus war es bis vor kurzem so, dass wir unsere Schulungen von Produktspezialist*innen bzw. dem technischen Support durchführen haben lassen. Aktuell bauen wir ein Schulungszentrum mit dezidierten hauptberuflichen Trainer*innen auf, die dieses Wissen vermitteln. Und nur in den Fällen, wo das wirkliche Produktwissen, das Spezialwissen von Herrn Taferner zum Beispiel erforderlich ist, dort wird dann wirklich durch den Produktspezialist*innen geschult. Es wird kein eigenes Schulungszentrum im Sinne von ausdrücklich ausgegliedertem Gebäude geben, das Schulungszentrum ist vorrangig in Wien angesiedelt bzw. wird in Mönchengladbach für Deutschland angesiedelt sein. Dazu fällt mir ein, wir durften zudem einige Feuerwehren in Österreich und in Deutschland mit Schulungswänden ausrüsten.
Die Branche leidet wie viele andere im Moment unter Lieferkettenproblemen. Wie steht es bei Ihnen um die Lieferfähigkeit?
Friedl: Wir haben zwei Produktionsstandorte, einen hier in Wien und einen in Deutschland und haben dort natürlich das Erfordernis, alles zu bekommen, was unsere Fertigung braucht. Vorrangig sind natürlich aktive elektronische Bauteile problematisch. Aber da kann ich ein großes Lob für unsere Mitarbeitenden im Einkauf aussprechen. Es ist ihnen trotz aller widrigen Umstände immer gelungen, die Komponenten rechtzeitig zu beschaffen. Teilweise zwar zu horrenden Preisen, aber wir haben sie gekriegt und es war für uns immer das Wichtigste, dass wir lieferbar bleiben. Bei den Partnern, die uns Produkte zuliefern, konnten wir mit einer einzigen Ausnahme auf verlässliche Partnerschaften zurückschauen. Wir haben über unsere ganze Geschichte immer viel Wert auf partnerschaftliche Zusammenarbeit gelegt, sowohl mit Zulieferpartnern als auch mit Partnern im Sinne der Kund*innenbeziehungen. Wir haben unseren Weg nie verlassen, sind vorwärts gegangen und haben uns zu dem entwickelt, was wir heute sind. Und da ist unser Weg noch nicht zu Ende.
Sicherheitsbeleuchtungstechnik im Aufwind
Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die letzten Jahre. Können Sie ungefähr einschätzen, welches Geschäftsfeld bei Ihnen am meisten gewachsen ist?
Friedl: Das ist in Wirklichkeit gar nicht schwer zu sagen. Insgesamt sind wir gut gewachsen. Die Brandmeldetechnik und die Löschsteuertechnik sind bei uns ziemlich gleichwertig im Wachstum, wir sind in beiden Bereichen sehr gut vertreten. Wo wir ganz klar ein überdurchschnittliches Wachstum haben, ist die Sicherheitsbeleuchtungstechnik.
Taferner: Wir sind ja 2019 von Null weg gestartet. Und wir können zufrieden sein. Das, was wir haben, ist kein Zufallsprojekt, das sind wirklich stabile Umsätze. Darauf bauen wir auf.
Friedl: Es ist auf jeden Fall ein Bereich, der für uns ein Zukunftsbereich ist und der mit Sicherheit in den nächsten Jahren noch wesentlich wachsen wird. Aber ich möchte die Brandmeldetechnik und die Löschsteuertechnik nicht kleinreden. Das sind unsere größten Standbeine, Stand heute. Auch dort können wir sehr gut wachsen. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland und den internationalen Märkten ist uns das sehr gut möglich gewesen in den letzten Jahren.