Trinkwasserhygiene : Wassersparen durch Dimensionierung der Trinkwasser-Installation
Luca Güsgen ist seit Juli 2022 Inhaber im elterlichen Betrieb von Güsgen Heizung Klima Sanitär in Soest (Nordrhein-Westfalen). Zuvor absolvierte er eine Ausbildung zum Gesellen und schloss jetzt erfolgreich sein Studium an der FH Südwestfalen ab. Seine Abschlussarbeit wurde betreut von Dipl. Ing. (FH) Prof. M.A. Gerald Lange, sein Zweitprüfer war Dipl.-Ing. Mathias Becker und sein Praxispartner Dr. Peter Arens, Schell, der auch das Thema stellte:
⇨ „Trinkwasser-Installation: Die Auswirkungen eines reduzierten Trinkwasserverbrauchs im wachsenden Anspruch der Trinkwasserhygiene“
Ausgangspunkt Klimaänderungen:
Zunahme heißer Tage und Starkregenereignisse
Im theoretischen Teil seiner Arbeit beschäftigte sich Güsgen mit der Auswertung von Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Diese zeigen unter anderem einen deutlichen Anstieg des linearen Trends der Temperaturen im Zeitraum von 1881 bis 2022 von plus 2,2 K (Diagramm 1). Im Gegensatz dazu gibt es jedoch noch keinen Trend zu geringeren Niederschlagsmengen: Auf Basis der jeweiligen Jahresmittel der Niederschlagsanomalien im Zeitraum von 1881 bis 2022 gehen zwar die Niederschlagsmengen in Deutschland aktuell im Sommer minimal zurück, nehmen jedoch im Winter deutlich zu (Diagramme 2 und 3).
Dies könnte beruhigen, doch nach aktuellen Klimamodellrechnungen ist damit zu rechnen, dass der Niederschlag im Sommer um bis zu 40 Prozent geringer ausfallen wird, während er im Winter und Herbst steigen könnte. In der Bilanz gehen jedoch die Autoren Krahe/Nilson (2020) davon aus, dass zwar die Niederschlagsmengen insgesamt um 2,5 Prozent zunehmen werden. Dennoch werden die verfügbaren Wassermengen um rund 10 Prozent abnehmen. Zum einen wird es eine temperaturbedingt höhere Verdunstungsrate von Land- und Wasserflächen geben. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu bedenken, dass der Wasserbedarf in der Landwirtschaft deutlich ansteigen wird.
Vor diesem Hintergrund erfolgte die Themenstellung an Luca Güsgen: Er sollte die schon heute verfügbaren Möglichkeiten ermitteln, den Wassergebrauch in Haushalten zu minimieren, ohne dass es zu Komforteinbußen oder Beeinträchtigungen der Trinkwasserhygiene kommt. Denn ohne Komfort oder bei Beeinträchtigungen der Trinkwassergüte wären Akzeptanz und Nutzen solcher Einsparmaßnahmen gefährdet.
Ich kann nur davor warnen, in Bestandsgebäuden die Literleistung von Entnahmearmaturen zu reduzieren, auch wenn dies in allen drei Systemen vorgesehen ist.Peter Arens, Sachverständiger für Trinkwasserhygiene und Senior Consultant Hygiene Manager bei Schell
Mit DGNB, LEED und BREEAM zur ökologischen Gebäudezertifizierung
Um es gleich vorweg zu sagen: Die drei größten Systeme für die ökologische Gebäudezertifizierung (DGNB, LEED und BREEAM) fördern die Verringerung des Wassergebrauchs in Neubau und Bestand, berücksichtigen dabei jedoch nicht die Fragestellungen rund um den Erhalt der Wassergüte, wie Arens 2021 bei der VDI Trinkwassertagung in Würzburg ausführte.
„Ich kann nur davor warnen, in Bestandsgebäuden die Literleistung von Entnahmearmaturen zu reduzieren, auch wenn dies in allen drei Systemen vorgesehen ist. Wenn beispielsweise der Wassergebrauch eines Bestandsgebäudes um bis zu 50 Prozent reduziert würde, hätte dies Folgen für die Trinkwassergüte. Denn in der bestehenden Trinkwasser-Installation käme es durch mangelnde Entnahme bildlich gesprochen zu einem ‚Stau‘ des Trinkwassers. Eine Anreicherung von Werkstoffbestandteilen und eine übermäßige Vermehrung von Bakterien wäre die Folge", so Arens.
Darüber hinaus muss man sich die Frage stellen, ob eine Waschtischarmatur mit 1,32 l/min wie bei LEED wirklich mehr Wasser spart als eine mit 3 l/min, denn man benötigt immer eine gewisse Wassermenge, um beispielsweise Seife vollständig von den Händen abzuspülen. Bei einer Armatur mit 1,32 l/min dauert dann ein Waschvorgang einfach länger. Dies hätte keine Einsparung, jedoch eine deutliche Komfort- und damit Akzeptanzeinbuße. Weiterhin berichtet Arens von Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen solche komfort-kostenden Strahlregler unmittelbar nach Abschluss der offiziellen Gebäudezertifizierung gegen solche mit einer höheren Literleistung ausgetauscht wurden.
⇨ Insgesamt macht die Reduzierung des Wassergebrauchs je nach Zertifizierungssystem zwischen 2,3 und 10 Prozent der Gesamtpunkzahl aus.
Berücksichtigung reduzierter Berechnungsdurchflüsse gemäß DIN 1988-300
Im Fokus der Tabelle 2 der DIN 1988-300 stehen die Berechnungsdurchflüsse („Literleistungen“) der Entnahmestellen. Sie ist in aller Regel auch die Basis für die Dimensionierung in Österreich, bei 12 WE unter Umständen auch die ÖNORM EN 806-3. Diese Werte sind in jeder Planungssoftware hinterlegt und werden automatisiert verwendet. Daher arbeiten Fachplaner*innen fast immer mit diesen hinterlegten Pauschalwerten, ohne sie jemals anzupassen.
>> Lesen Sie auch: Normenpaket für Ingenieurbüros mit 2023 erweitert
Seltener gelesen und noch seltener umgesetzt werden dann die Erläuterungen unter diesen pauschalisierten Werten (Zitat):
„Liegen die Herstellerangaben für den Mindestfließdruck und den Berechnungsdurchfluss unter den in der Tabelle genannten Werten, gibt es zwei Optionen: Ist die Trinkwasser-Installation aus hygienischen und wirtschaftlichen Gründen für die geringeren Werte zu bemessen, muss dieses Vorgehen mit dem Bauherrn vereinbart und die Auslegungsvoraussetzungen für die Entnahmestellen (Mindestfließdruck, Berechnungsdurchfluss) in die Bemessung aufgenommen werden. Wird die Trinkwasser-Installation nicht für die geringen Werte bemessen, sind die Tabellenwerte zu berücksichtigen. Liegen die Herstellerangaben über den in der Tabelle genannten Werten, muss die Trinkwasser-Installation mit den Herstellerwerten bemessen werden.“
Zusätzlich zur Verfügbarkeit von Wasserspararmaturen sind auch die Verbräuche je Waschvorgang von Wasch- und Spülmaschinen etc. („Weiße Ware“) heute deutlich geringer als zu dem Zeitpunkt, als die Berechnungsdurchflüsse von Auslaufventilen in der DIN 1988-3 bzw. -300 festgelegt wurden. Auch hier sind weitere Einsparpotenziale möglich.
Wichtig: Der Auftrag des Investors zum Wassersparen
Es ist also enorm wichtig, dass der Auftraggeber den Fachplaner*innen die klare Aufgabe gibt, den Wassergebrauch eines Gebäudes ökologisch zu optimieren. Nur dann wird die Trinkwasser-Installation nicht mit Standardwerten gemäß DIN 1988-300 Tabelle 2 dimensioniert, sondern mit reduzierten Berechnungsdurchflüssen. Nur in diesem Fall kann ein beachtliches ökonomisches und ökologisches Potenzial gehoben werden: Denn die so deutlich verringerten Dimensionen bei Rohren, Verbindern, Dämmungen und Rohrschellen führen zu geringeren Investitions- und Betriebskosten und weiterhin zu einem geringeren Platzbedarf in den getrennten Schächten für warm- und kaltgehende Leitungen, was gleichzeitig die Nutzflächen je Etage erhöht.
Neuberechnung eines Wohngebäudes mit sechs Nutzungseinheiten
Auf Basis der Berechnungsdurchflüsse von im Markt verfügbaren wassersparenden Auslaufarmaturen (Tabelle 1), im Vergleich mit den pauschalisierten Werten gemäß Tabelle 2 DIN 1988-300, hat Luca Güsgen je eine Berechnung eines wassersparenden und eines pauschalisierten Wohnhauses mit sechs Wohneinheiten durchgeführt (Abbildung 1). Zur Berechnung des Wohnhauses verwendete er ein Excel-Programm, welches in der Meisterausbildung der Handwerkskammer Südwestfalen, Standort BBZ Arnsberg, verwendet und an die Teilnehmer*innen zur weiteren Nutzung in den SHK-Fachbetrieben übergeben wird.
Als Rohrmaterial inkl. der Bruttopreise für den Preisvergleich wurde von ihm Viega Profipress gewählt, ausgeführt als T-Stück-Installation gemäß ÖNORM EN 806 und Reihenleitungen. Bei seinen Berechnungen wurden die Kosten auf Basis der Länge der Rohre und Dämmmaterialien sowie der Anzahl der Rohrschellen und der vier gängigsten Verbinder berücksichtigt. Also so, wie es ein Handwerksunternehmen heute in aller Regel macht.
In der Planung wurde auf eine Zirkulation des Trinkwassers warm bis zu den Entnahmestellen aus hygienischen und energetischen Gründen verzichtet, denn sie trägt zumeist vermeidbare Wärme in Vorwände und Nasszellen und damit indirekt auch ins Trinkwasser kalt ein. Dabei kam die weiterhin gültige „höchstens 3-Liter-Regel“ für Stichleitungen aus hygienischen Gründen zur Anwendung (DVGW (A) W551). Diese Regelung entspricht sinngemäß der ÖNORM B 5019 bzw. dem Entwurf der ÖNORM B 1921.
>> Lesen Sie auch: Normentwurf für ÖNORM B 1921 ist da
Ergebnisse der vergleichenden Berechnungen
In den Tabellen 2 und 3 sind die Ergebnisse der vergleichenden Berechnungen dargestellt. Erwartungsgemäß verschiebt sich das Spektrum der Rohrabmessungen deutlich hin zu geringeren Abmessungen. So sinkt auf Basis der verwendeten Kupferrohre in diesem Gebäude der Einsatz von Kupfer um rund 40 Prozent Gewichtsprozent. Das ist ökologisch ein beachtlicher Wert.
Wie den Tabellen 2 und 3 weiterhin zu entnehmen ist, verschieben sich die Rohrlängen von zuvor rund 73 m bei DN 12 bzw. 2,5 m bei DN 10 (Berechnungsdurchflüsse gemäß DIN 1988-300 Tab. 2) auf 35 m bei DN 12 und 69 m bei der DN 10 (reduzierte Berechnungsdurchflüsse). Ökonomisch spielen diese Einsparungen leider nur eine geringere Rolle als der ökologische Nutzen durch weniger Materialeinsatz. Der einzige Grund: Monetär lassen sich die Abmessungen DN 10 bei Rohren, Verbinder, Dämmungen und Rohrschellen (in Summe 21,13 €) kaum von denen bei DN 12 (21,76 €) unterscheiden. Dies liegt daran, dass die Abmessung DN 10 noch immer eine recht selten nachgefragte Abmessung ist. Dies sollte sich ändern, wenn die DN 10 zukünftig häufiger verbaut werden würde.
Wie deutlich die Reduktion der Investitionskosten in einem größeren Gebäude ausfallen könnte, zeigt der fokussierte Vergleich bei den beiden größten Abmessungen. Die Abmessung DN 25 konnte in diesem 6-WE-Gebäude bei verringerten Berechnungsdurchflüssen vollständig entfallen und selbst die Abmessung DN 20 wird längenmäßig reduziert. Daher beträgt die Einsparung bei diesen beiden Abmessungen rund 78 Prozent auf Basis der Kosten in Euro: Zuvor lag sie bei 1.596 Euro, danach bei 358 Euro. Denn die großen Abmessungen für Rohre, Verbinder, Dämmungen und Rohrschellen tragen überproportional zu den Kosten bei großen Gebäuden bei.
>> Lesen Sie auch: Energiesparen und das Potenzial der Trinkwasser- Erwärmungsanlage
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich trotz der oben benannten ungünstigen Rahmenbedingungen die Investitionskosten für dieses Gebäude immer noch um rund 17 Prozent oder rund 642 Euro verringern. Basis für diesen Vergleich waren die Bruttopreise für Kupferrohre, Pressverbinder, Dämmung und Rohrschellen.
Weitere Einsparpotenziale ergeben sich im Betrieb. Zum einen sinken durch den geringeren Wassergebrauch unmittelbar die jährlichen Wasser- und Abwasserkosten. Darüber hinaus sinken die Energiekosten, denn es muss weniger Trinkwasser erwärmt und in einer Zirkulation auf Temperatur gehalten werden. Diese Energiekosten wurden im Rahmen dieser Bachelorarbeit nicht ermittelt. Sie lassen sich jedoch indirekt aus dem verringerten Wasserinhalt ableiten: Letzterer reduziert sich für dieses Gebäude um rund 40 Prozent, berechnet allein auf Basis der verwendeten Rohrmeter für Kupferrohre, also ohne die Verbinder.
Diese Reduktion des Wasservolumens um rund 40 Prozent verringert auch die Wassermenge, die bei einer manuellen oder automatisierten Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs beispielsweise mittels dem Wassermanagement-System SWS von Schell während der Ferien aus hygienischen Gründen alle 96 Stunden ausgespült werden muss (ÖNORM B 5019).
Alle drei großen Systeme zur ökologischen Gebäudezertifizierung, nämlich LEED, BREEAM und DGNB, beinhalten das Thema Wassersparen als eigene wichtige Kategorie. Doch keines der drei Systeme berücksichtigt das Thema Trinkwasserhygiene.
Fazit
Alle drei großen Systeme zur ökologischen Gebäudezertifizierung, nämlich LEED, BREEAM und DGNB, beinhalten das Thema Wassersparen als eigene wichtige Kategorie. Doch keines der drei Systeme berücksichtigt das Thema Trinkwasserhygiene, sodass manche Aussagen hinterfragt werden müssen. So kann beispielsweise in Bestandsgebäuden nicht die Wasserentnahme unter die Berechnungsdurchflüsse der DIN 1988-300 Tabelle 2 gesenkt werden, ohne die Trinkwasserhygiene zu gefährden. Denn es käme zu einem „Stau“ des Trinkwassers in der Installation und nachfolgend möglicherweise zu gesundheitlichen Gefährdungen.
Daher kann die Wasserentnahme in Bestandsgebäuden durch Wasserspareinrichtungen nur begrenzt gesenkt werden: Sind beispielsweise an Waschtischen – wie oftmals im Bestand üblich – „alte“ Armaturen mit einer Literleistung von 8 bis 10 Liter pro Minute montiert, können sie oftmals durch den einfachen Tausch des Strahlreglers auf eine Literleistung von 4,2 l/min gemäß Tabelle 2, DIN 1988-300, verringert werden, wenn dieses Gebäude auf Basis der DIN 1988-300 Tabelle 2 dimensioniert wurde.
Weiterhin berücksichtigt keines der drei Systeme die hohen ökonomischen und ökologischen Potenziale, die sich aus einer Verringerung der Berechnungsdurchflüsse ergeben, also durch eine verringerte Literleistung von Armaturen. Denn sie ermöglichen bei fachgerechter Planung einer neuen Trinkwasser-Installation gemäß DIN 1988-300 eine mit 40 Gewichtsprozent deutliche Verringerung der Abmessungen bei Rohren, Verbinder, Dämmungen und Rohrschellen.
Dazu müssen aber auch Fachplaner*innen mit diesen verringerten Werten rechnen. Dann gehören die genannten Wassersparmaßnahmen zu den ganz wenigen ökologischen Maßnahmen, die die Investitions- und Betriebskosten merklich senken. Insofern sollten in allen drei Systemen diese Einsparmaßnahmen explizit gefordert und mit einer erhöhten Punktzahl auch gefördert werden.