Technologieoffenheit für Grünes Gas : Deutsches GEG als Vorbild für das österreichische EWG?

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Im Herbst will man in Deutschland das Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschließen. Der Weg dahin war ein holpriger: Nach langen Verhandlungen sollte das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, ein Eilantrag an das deutsche Bundesverfassungsgericht stoppte den Beschluss des Heizungsgesetzes kurzfristig. Der Bundestag müsse sich mehr Zeit für die Beratung nehmen, so die Begründung des Gerichts. Nun will die Ampel-Koalition das Gesetz nach der Sommerpause beschließen.

Allgemein schlug dem Gesetzesentwurf einiges an Kritik entgegen, unter anderem auch aus Österreich. So beklagten die österreichischen Hersteller Fröling, Hargassner, ÖkoFEN und Windhager, die Verunsicherungen und den Ölheizungs-Boom aufgrund der öffentlichen Debatte um das GEG bereits durch „dramatische Geschäftsrückgänge" gespürt zu haben.

Nun äußert sich die österreichischen Allianz für Grünes Gas positiv zum deutschen GEG. Deutschland scheine mit dem Gesetz vieles richtig zu machen, folgert die Allianz aus mehr als 50 Unternehmen und Verbänden in einer Aussendung. „Das deutsche Gesetz ist einfach in vielen Punkten praxisorientierter und pragmatischer als das österreichische Pendant“, argumentiert Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Installateur*innen. Die Allianz für Grünes Gas pocht daher auf eine Verbesserung des Entwurfs für das österreichische Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG). Auch die Vereinigung Österreichischer Kessel- und Heizungsindustrie (VÖK) meldet sich zu Wort.

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Das deutsche Gesetz ist einfach in vielen Punkten praxisorientierter und pragmatischer als das österreichische Pendant.
Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Installateur*innen

Technologieoffenheit: So unterscheidet sich der Entwurf des GEG vom EWG

Im Kern sieht der Entwurf des deutschen GEG vor, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung (in Neubau und Bestandsgebäuden, Wohn- und Nichtwohngebäude) mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energie nutzen muss. Funktioniert eine bestehende Heizung
ordnungsgemäß, kann sie weiter genutzt werden. Es gibt keine sofortige Austauschpflicht, auch Reparaturen sind weiter möglich. Dementsprechend können auch Gas- und Ölheizungen weiter betrieben werden. Wichtig: Es gibt eine – wenn auch recht hohe – zeitliche Obergrenze. Die Heizkessel dürfen bis Ende 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Der technologieoffene Zugang wird dadurch unterstrichen, dass in bestehenden Gebäuden auch weiterhin Gasheizungen eingebaut werden können, wenn sie mit 65 Prozent Grünen Gasen oder in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden. Es gibt also mehrere Möglichkeiten mit verschiedenen Technologien die Vorgabe für das Heizen mit Erneuerbaren Energien zu erfüllen. Unterm Strich müssen Geräte in Zukunft also zu zwei Drittel mit Erneuerbaren laufen – wie das zu erreichen ist, wird den Konsument*innen nicht vorgeschrieben.

>> Damit wäre der Knackpunkt zwischen dem Weg der deutschen und der österreichischen Regierung gefunden: In der Regierungsvorlage des EWG wird auf das Heizsystem abgestellt, wohingegen man sich in Deutschland auf den Energieträger fokussiert.

Neubau vs. Bestand

Im deutschen GEG wird beim Einbau eines neuen Heizsystems inhaltlich nicht zwischen neu zu errichtenden Gebäuden und Bestandsgebäuden unterschieden: Es gilt grundsätzlich die Pflicht, 65 Prozent erneuerbare Energien bei neuen Heizungen zu nutzen.

Demgegenüber sieht der österreichische Entwurf vor, ab 2023 in Neubauten keine zentralen oder dezentralen Heizungen mehr zu errichten, die für den Betrieb mit fossilen Brennstoffen geeignet sind. Betonung auf "geeignet": Die Regelung würde also auch dann greifen, wenn die Heizung ebenso mit Biogas oder E-Fuels betrieben werden kann.

Bis 2035 sollen alte Kohle- und Ölheizungen ersetzt werden und bis 2040 müssen alle Gasheizungen durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt oder mit erneuerbarem Gas betrieben werden.

⇨ Die in § 6 des EWG vorgesehene Möglichkeit, dass gewisse Gasheizungen in Bestandsgebäuden, wenn sie mit erneuerbarem Gas betrieben werden, auch über 2040 hinaus in Betrieb bleiben können, würde somit nur für Bestandsheizungen gelten und auch hier sehr selektiv:

Nur dezentrale Anlagen, an deren Einsatzort keine Möglichkeit zum Fernwärmeanschluss besteht – oder bis 2035 geplant ist – oder Anlagen, die mit erneuerbarem Gas aus eigenen Produktionsanlagen betrieben und über eine direkte Leitung von der Produktionsanlage beliefert werden, unterliegen keiner Stillegungsverpflichtung. Da sich mit 474.000 dezentralen Gasgeräten der Löwenanteil in der Hauptstadt Wien befindet, die große Pläne für den Fernwärmeausbau hat, dürften nur wenige Geräte in diese Ausnahmeregelung fallen.

Deutsches GEG Österreichisches EWG
Neu eingebaute Heizungen Ab 2024 muss jede neu eingebaute Heizung (in Neubau und Bestandsgebäuden, Wohn- und Nichtwohngebäude) mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energie nutzen. Ab 2023 sollen in Neubauten keine zentralen oder dezentralen Heizungen mehr errichtet werden, die für den Betrieb mit fossilen Brennstoffen geeignet sind.
Bestandsheizungen Funktioniert eine bestehende Heizung ordnungsgemäß, kann sie weiter genutzt werden. Es gibt keine Austauschpflicht, auch Reparaturen sind weiter möglich. Bestehende Gas- und Ölheizungen können also bis zur zeitlichen Obergrenze (31.12.2044) mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Bis 2035 müssen alle alten Kohle- und Ölheizungen in Österreich durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt werden. Alle Gasheizungen müssen bis 2040 durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt oder in Ausnahmefällen mit biogenem Gas betrieben werden.

Fernwärmeanschluss vs. dezentrale Gasanlagen: Der Konsument als Verlierer?

Das deutsche Gesetz sieht für den Anschluss an ein Wärmenetz Pflichten für Wärmenetzbetreiber vor. Sie müssen ihre Verpflichtung zum Anschluss an das Wärmenetz zeitgerecht erfüllen. Der EWG-Entwurf enthält hingegen keine vergleichbaren Pflichten beziehungsweise Haftungsregelungen, allerdings ist ein Umstellungsgebot für dezentrale Anlagen zur Wärmebereitstellung vorgesehen, wenn im Wohngebiet sogenannte "qualitätsgesicherte Fernwärme" vorhanden ist oder bis 2035 rechtsverbindlich ausgebaut wird.

Die Allianz für Grünes Gas kritisiert: In Österreich bestehe kein Recht auf einen Fernwärmeanschluss. Das Vorhandensein von Fernwärme verpflichte aber – ungeachtet der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit – zur Stilllegung von dezentralen Gasanlagen. „Dies kann zum skurrilen Ergebnis führen, dass Fernwärme mit einem hohen fossilen Anteil mit erneuerbarem, Grünem Gas betriebene Heizungen verdrängt – ein Widerspruch zur Zielsetzung des Gesetzes", so die Allianz.

Ganz so stimmt das nicht: Nach dem EWG-Entwurf stammt "qualitätsgesicherte Fernwärme" zumindest zu 80 Prozent aus Energie aus erneuerbaren Energieträgern, aus Abwärme aus hocheffizienten KWK-Anlagen, aus sonstiger Abwärme oder einer Kombination dieser. Stammt die Fernwärme aus anderen Anlagen, müssen diese zumindest über einen verbindlichen Dekarbonisierungsplan verfügen, mit dem die dauerhafte Einhaltung dieser Kriterien ab 2035 sichergestellt ist, und keine Ausweitung der mit fossilen Brennstoffen erzeugten Leistung erfolgt.

⇨ Das Umstellungsgebot ist ebenso bis 2035 umzusetzen – an diesem Zeitpunkt sollte der hohe fossile Anteil der Fernwärme also der Vergangenheit angehören.

Die Absichten der Politik für die Energiewende sind nachvollziehbar, aber manche Maßnahmen nicht zu Ende gedacht. Deutschland erreicht die Klimaziele mit überlegten Mitteln.
Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Installateur*innen

Forderung nach Ausbau von Grünem Gas

„Wer eine neue oder einwandfrei funktionierende Gasheizung zuhause hat, sieht nicht ein, warum sie herausgerissen werden muss, obwohl sie genauso gut mit Grünem Gas betrieben werden kann“, argumentiert Denk mögliche Befürchtungen von Konsument*innen.

Dem schließt sich auch Stefan Wagenhofer, Vizepräsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) an: „Verbote verhindern die Entwicklung neuer Technologien und vermindern so die Erfolgschancen der Energiewende. Besser wäre es, Anreize zu setzen, um diese neuen Technologien zu fördern.“ Wagenhofer fordert deshalb „mehr Technologieoffenheit vom Gesetzgeber“.

Die Allianz für Grünes Gas ruft die österreichische Politik daher dazu auf, den Ausbau von Grünem Gas im Sinne der Interessen aller österreichischen Gaskonsument*innen im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich „entschlossen und konsequent" zu starten. Im Sinne einer „realitätskonformen und an den Klimazielen orientierten Energiewende" sei Grünes Gas auch im Wärmebereich ohne Einschränkungen anzuerkennen.

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VÖK sieht Wasserstoff zukünftig auch in Privathaushalten

Auch die Vereinigung Österreichischer Kessel- und Heizungsindustrie (VÖK) macht sich für Grünes Gas, insbesondere Wasserstoff, stark. Denn dieser kann zur Speicherung von erneuerbarer Energie, die zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung nicht gänzlich verbraucht werden kann, dienen. „Wasserstoff wird ebenfalls in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der Speicherung von Sonnenenergie spielen“ zeigt sich Elisabeth Berger, Geschäftsführerin VÖK, überzeugt.

Auch wenn in den nächsten Jahren die Industrie vorrangig mit Wasserstoff bedient werden müsse, so rechnen z.B. die niederländischen Kolleg*innen damit, dass genug Wasserstoff schon im nächsten Jahrzehnt auch Haushalten zur Verfügung steht, ergänzt sie. Aber: Dafür müssten die Gasnetze laut Berger eher aus- als rückgebaut werden, damit der Wasserstoff von den Wind- und Solarparks zu Industrie und Haushalt transportiert werden kann.

Die VÖK zeigt zudem auf, dass Endgeräte bereits mit Wasserstoff betrieben werden können. Wer in den letzten Jahren eine Gasbrennwerttherme gekauft hat, könne diese mit Grünem Gas – also einer Mischung aus Biomethan und bis zu 20 Prozent Wasserstoff betreiben. Danach könne das Gerät mit einem Nachrüst-Kit auf den Betrieb von 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet werden. „Wasserstoff sollte mittelfristig allen zur Verfügung stehen – auch den Haushalten“, schließt Helmut Weinwurm, Vorsitzender der VÖK.

Elisabeth Berger
Elisabeth Berger, Geschäftsführerin VÖK - © VÖK

Abschließendes Fazit: Zeitfenster für EWG-Beschluss wird knapper

Abschließend sollte erwähnt werden, dass weder das GEG noch das EWG bisher beschlossen wurden, wenn auch beim GEG allem Anschein nach nicht mehr mit Veränderungen zu rechnen ist. Ein für die österreichische Energiewende derart wichtiges Gesetz wie das EWG sollte die Interessen möglichst vieler beachten, hat aber ganz klar das Ziel, den Ausstieg aus der Wärmeversorgung von Gebäuden mittels fossiler Brennstoffe zeitnah umzusetzen. Bereits jetzt klagen Industrie wie Interessenvertretungen darüber, dass das EWG bald beschlossen werden sollte:

„Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft benötigt dringend Rechtssicherheit und praxistaugliche Rahmenbedingungen, um die vorhandenen technischen Lösungen für Sanierung und Heizungsumstellung auch umsetzen zu können. Daher fordern wir dringend die parlamentarische Behandlung und Beschlussfassung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes noch vor der Sommerpause. Die österreichischen Ziele einer Dekarbonisierung des Gebäudebestands bis 2040 sind andernfalls nicht zu erreichen“, betonte etwa
Ulla Unzeitig, Vorstand RENOWAVE.at, kürzlich. Die Sommerpause hat inzwischen begonnen.

Darüber hinaus darf auch der Zweifel, ob zukünftig überhaupt genug Grünes Gas für die Versorgung von Privathaushalten vorhanden ist oder ob dieses nicht Anwendungen in der Industrie vorbehalten sein sollte, nicht unbeachtet bleiben. Die Stadt Wien hat sich etwa bereits klar dazu bekannt, kein Grünes Gas in der Raumwärme nutzen zu wollen, sondern dieses für Hochtemperaturanwendungen in der Prozesswärme, Industrie und gewerblichen Anwendungen zu reservieren.