TGA meets Energie : Wiens ambitionierter Plan für den Gasausstieg

TGA meets Energie

Lea Pamperl, Referentin Erneuerbare Energie & innovative Energielösungen bei der MA20 der Stadt Wien, auf der Bühne von TGA meets Energie.

- © Matthias Heschl

Die gute Nachricht zuerst: Wien hat eine Strategie, um bis 2040 "raus aus dem Gas" zu sein. Nun die eher unerfreuliche Nachricht: Ein genauer Zeitplan oder räumliche Festlegungen sind darin (noch) nicht beinhaltet. „Wien möchte als Klima-Musterstadt mit einem positiven Beispiel vorangehen und einen Beitrag zur Investitions- und Planungssicherheit leisten", wie Lea Pamperl, Referentin Erneuerbare Energie & innovative Energielösungen bei der MA20 der Stadt Wien, auf der Bühne von TGA meets Energie betonte. Sie ging auf den aktuellen Stand der Bemühungen der Hauptstadt, aber auch auf die noch fehlenden Bausteine in der "Raus aus Gas"-Strategie Wiens ein.

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Ausgangslage in Wien

„In Wien liegt die große Herausforderung natürlich bei den dezentralen Gasgeräten", so Pamperl eingangs. Insgesamt etwa 100.000 Gaszentralheizungen und 474.000 dezentrale Gasgeräte sind aktuell in Wien in Betrieb – dazu kommen noch 34.000 Ölheizungen. Fast 400.000 dieser dezentralen Gasgeräte sind derzeit in dezentral beheizten Mehrfamilienhäusern oder Geschoßwohnbauten im Einsatz.

Um für einen ersten Zuordnung zu sorgen, wurden sogenannten "Dekarbonisierungs-Typen" eingeführt: Eine Clusterung, um einen Überblick über den Gebäudebestand der Stadt zu bekommen. Die Einordnung erfolgte nach Gebäudealter, Sanierungszustand, Gebäudenutzung, Heizsystem, Energieträger, Art des Gebäudes und der Nutzung von Kochgas. „Quasi, um zu wissen, wo wir stehen und wo wir ansetzen", wie Pamperl erklärt. Mit 306.000 Nutzungseinheiten sind Mehrfamilienhäuser und Geschoßwohnbauten, die unsaniert sind und dezentral mit Gas heizen, der am weitesten verbreite Dekarbonisierungs-Typ in Wien.

Lea Pamperl bei TGA meets Energie
© Matthias Heschl

Die große Frage nach dem Wie(n)

Was enthält das Wiener Wärme und Kälte Konzept 2040 nun? Auf knapp 90 Seiten wird behandelt

  • welche Lösungen zum Gas-Ausstieg bereits auf dem Tisch liegen,
  • welche Lösungskombinationen möglich sind,
  • wo Entwicklungsbedarf besteht,
  • welche rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen und
  • wie die Umstellung finanziert/gefördert werden kann.

Konkrete räumlichen Festlegungen der zukünftigen Energieinfrastruktur, Gesetztestexte und Förderrichtlinien sowie ein Umsetzungs- und Zeitplan sind aber nicht enthalten. „Es geht darum, den aktuellen Status quo zu zeigen und Entwicklungspotenziale aufzuweisen, wo rechtliche Rahmenbedingungen nachgeschärft werden müssen und wo sich noch Bedarf ergibt", so Pamperl. Aber: Es handele sich trotzdem "nur" um ein Strategiepapier.

Aber das "Wie" nimmt Gestalt an. „Die dunkelrote Kugel wächst", wie Pamperl zusammenfasst. Die Stadt Wien möchte das zentrale Fernwärmenetz vergrößern und lokale Wärmenetze dort, wo es möglich ist, etablieren. Gas, bzw. Grünes Gas soll ab 2040 nur noch punktuell zu finden sein. Es sei ein „ganz klares Commitment" der Stadt, kein grünes Gas in der Raumwärme nutzen, sondern dieses für Hochtemperaturanwendungen in der Prozesswärme, Industrie und gewerblichen Anwendungen zu reservieren, führt Pamperl aus.

Grundsätzlich basiere diese Vision auf der Wärmebedarfsdichte, die zeigt, dass in den dicht bebauten inneren Bezirken eine hohe Wärmebedarfsdichte vorhanden sei. Dementsprechend nimmt das Fernwärmenetz zum Rande Wiens ab, denn für den ökonomischen Betrieb eines Fernwärmenetzes kommen vor allem die Zonen mit hoher Wärmebedarfsdichte in Frage.

Wiener Waerme und Kaelte 2040
© Stadt Wien
Wir rechnen mit einem Finanzierungsbedarf von 30 Milliarden, um den Gesamtgebäudestand umzustellen und zu sanieren. Davon werden zwei Drittel auf Sanierung und ein Drittel auf die Heizungsumstellung entfallen.
Lea Pamperl, MA 20

Bausteine für klimaneutrale Wärme und Kälte

Neben technischen Lösungen braucht es auch eine Vielzahl an weiteren Bausteinen, um eine klimaneutrale Wiener Wärme- und Kälteversorgung realisieren zu können. Der Arbeitsmarkt benötigt genügend Fachkräfte, Förderungen und Finanzierungen müssen den Umstieg leistbar machen und für die Planungssicherheit sind der rechtliche Rahmen und die Energieraumplanung von großer Bedeutung. Außerdem müssen all diese Maßnahmen richtig kommuniziert und mit begleitenden Beratungsmöglichkeiten versehen werden. Um aus Bausteinen ein klimaneutrales Wien zu bauen, braucht es weiters Instrumente, wie die Energieraumplanung, rechtliche Rahmenbedingungen und mehr.

„Bei den Instrumenten gibt es einige Punkte, die noch in Entwicklung sind und von unterschiedlichsten Rahmenbedingungen abhängen. In Wien gibt es im Neubau sogenannte Energieraumpläne und Klimaschutzzonen. Aber für den Bestand ist hier quasi noch ein großes Fragezeichen", weiß Pamperl. Sie spricht außerdem vom „großen Warten auf eine bundesgesetzliche Regelung", deren Ausbleiben auch die Stadt Wien vor große Herausforderung stelle. Speziell das fehlende EWG verzögere den Ausstieg aus dem fossilen Gas. Es fehlen somit wichtige Rahmenbedingungen die z.B. eine Zentralisierungspflicht fordern.

Mit dem Konzept für die Wiener Wärme und Kälte 2040 wurde also eine erste Grundlage geschaffen. Aber: „Ein Konzept alleine reicht natürlich nicht, damit eine Millionenstadt von einer fossil versorgten zu einer erneuerbar versorgten Stadt wird", wissen die Autor*innen des Dokuments, zu denen auch Pamperl gehört. Daher wurde in der Stadtbaudirektion bereits 2022 mit dem Programm „Raus aus Gas“ (RaG) die Umsetzung der Wiener Wärme und Kälte 2040 gestartet. Bis 2025 sollen die durch das Konzept als solche identifizierten Grundlagen geschaffen werden, damit ab 2026 eine breite Umstellung des Wiener Gebäudebestands gestartet werden kann.

Initiative "100 Projekte Raus aus Gas"

Diese Initiative holt aktuell Best-Practice-Sanierungen vor den Vorhang. Bis Ende 2025 will man so 100 Projekte zusammentragen, um die breite Machbarkeit der Dekarbonisierung des Gebäudebestands aufzuzeigen. Im Fokus steht dabei der Mehrgeschoßwohnbau ohne Fernwärmeanschlussmöglichkeit (Stichwort Dekarbonisierungs-Typen). Wert wird auch auf eine hohe Übertragbarkeit der entwickelten Lösungsansätze gelegt. „Es ist das Ziel, sehr konkret Beispiele in Wien vor den Vordergrund zu holen, um eine breite Machbarkeit der Dekarbonisierung zu demonstrieren", wie Pamperl ausführt.

Eine erste Auswahl von 20 Projekten gibt es bereits: www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/pdf/raus-aus-gas-projekte.pdf