Gebäude neu denken : Von Investitions- hin zu Lebenszykluskosten

Ein innovatives TGA-Modul von Drees & Sommer

Innovatives TGA-Modul von Drees & Sommer und Würth

- © Adolf Würth GmbH & Co KG

Viele Gebäudeelemente lassen sich bereits in der Halle und in Serie vorfertigen. Wer auf vorgefertigtes Bauen setzt, kann erhebliche Zeit- und Kostenvorteile bei der Planung, Produktion und Montage realisieren. Im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung, kurz TGA, sind modulare Lösungen bislang allerdings rar. Doch würde genau hier der Schlüssel zu einem effizienteren Gebäudebetrieb liegen. Drees & Sommer hat bereits gemeinsam mit Würth ein modulares TGA-Modul entwickelt und im neuen Headquarter in Stuttgart eingesetzt. Zudem denkt das Unternehmen Gebäude schon seit vielen Jahren gesamthaft: Nämlich nicht nur in Errichtung und Betrieb, sondern über den gesamten Lebenszyklus.

Ein ganz großes Potenzial liegt aber vor allem in der Gebäudesteuerung.
Georg Stadlhofer vom Immobilienplanungs- und -beratungsunternehmen Drees & Sommer

Modularisierung ist das Gebot der Stunde

Rund 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen Österreichs entstehen im Betrieb von Gebäuden. Um diese zu reduzieren, werden Gebäude heute in erster Linie gedämmt oder man greift auf erneuerbare Energien zurück. „Ein Gebäude muss seine Umwelt erkennen und darauf reagieren können. Um dies zu erreichen, müssen wir es gesamthaft über seinen gesamten Lebenszyklus denken: nämlich von der ersten Idee hin zur Errichtung über den Betrieb bis zum Abbruch“, so Stadlhofer.

Dieser Ansatz umschließt viele Aspekte: Sei es das Projektmanagement, das Zusammenspiel der Gewerke, die Kreislauffähigkeit der eingesetzten Produkte oder deren Modularität. Gerade im TGA-Bereich gestaltet sich die Modularisierung derzeit noch schwierig. Dabei würde der modulare Aufbau mehrere Vorteile mit sich bringen: Man spart sich sehr viele Mängel auf der Baustelle genauso wie Transportkosten. Die Arbeit auf der Baustelle geht schneller und effizienter vonstatten und gleichzeitig ist auch eine Rezyklierbarkeit der einzelnen Elemente gegeben.

„Das heißt, wir können Produkte am Ende ihres Lebenszyklus aus dem System herausnehmen und wieder einer Rohstoffgewinnung zuführen“, erklärt Michael Jelencsits von Drees & Sommer in Wien. „Derzeit hat die TGA oft noch das Problem, dass gewisse Produkte nicht sortenrein getrennt werden können, wodurch auch die Kreislauffähigkeit im Moment kaum gegeben ist. Da kann die Modularität, wie wir von Drees & Sommer sie gemeinsam mit Würth Befestigungs- und Montagetechnik in Stuttgart beim neuen Drees & Sommer-Headquarter bereits einsetzen, Abhilfe schaffen.“

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DI (FH) Georg Stadlhofer M.Sc.
Georg Stadlhofer - © FMA IFMA

Verhältnisumkehr

Statt heute 80 Prozent der Bauteile vor Ort zu verarbeiten und nur 20 Prozent vorzufertigen, muss sich das Verhältnis für mehr Effizienz künftig umkehren: Mit dem neuen TGA-Modul von Würth und Drees & Sommer befindet man sich auf dem besten Weg, diese Vision umzusetzen. Das Modul beinhaltet Gewerke verschiedener Elemente der TGA, wie beispielsweise Heizungs-, Klima und Elektrotechnik. Alle Bauteile wie Rohre, Kanäle, Elektro-Trassen oder Ventile sind rückbaubar, lassen sich wetter- und ortsunabhängig in der Halle herstellen und können dann just in time zur Baustelle geliefert werden.

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Durch die vorgefertigten Technikmodule wird die Montage vor Ort auf ein Minimum reduziert und beträgt keine 30 Minuten mehr – eine herkömmliche Installation der Komponenten des TGA-Moduls dauert hingegen bis zu zwölf Stunden. Momentan erfolgt die Montage bestenfalls mittels einer händischen Vorfertigung, doch erst die Modularisierung ermöglicht eine flächendeckende industrielle Vorfertigung. Das steigert die Qualität der Gesamtinstallation, bringt erhebliche Kostenvorteile und schafft bessere Arbeitsbedingungen, denn für die Bauarbeitenden bringt diese Änderung eine erhebliche Entlastungsfunktion mit sich.

Zusammenspiel der Schnittstellen

In der Praxis wird ein TGA-Modul, bestehend aus 42 Einzelteilen mit einem Gesamtgewicht von 160 kg bei 5,4 m Länge auf der Baustelle bei offener Fassade in das Geschoss eingebracht, mit dem Hubtisch an die Decke gefahren und eingesetzt. Je mehr Arbeitsschritte sich bereits vorab in der Halle ausführen lassen, desto einfacher wird die Arbeit für die Monteur*innen auf den Baustellen.

Die integrale Planung in der frühen Planungsphase ist ein wesentlicher Baustein, um modulare Elemente zu integrieren. Denn erst das Zusammenspiel aller Gewerke in einem TGA-Modul macht die Umsetzung sinnvoll. Das macht Toleranzen kalkulierbar und reduziert Komplikationen auf ein Minimum. Für ein erfolgreiches Gelingen ist außerdem ein konzeptionell vereinheitlichter TGA-Trassenausbau notwendig, der die Varianz auf ein Minimum reduziert und bereits in der Planung berücksichtigt werden muss.

Die TGA-Module stellen auch beim Thema Digitalisierung ein gutes Beispiel dar: Denn die Module fügen sich mittels 3D-Scanner mit allen Informationen zu Abmessungen, Material oder technischen Eigenschaften in ein BIM-Modell ein. Das BIM-Modell macht transparent, welche Module mit allen zugehörigen Daten und Informationen zu Abmessungen, Material oder technischen Eigenschaften an welchen Stellen im Gebäude verbaut sind.

Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit

Das Modul wurde erstmalig im neuen Headquarter OWP12 von Drees & Sommer in Stuttgart-Vaihingen eingesetzt. Die Verteilsysteme der verschiedenen Gewerke sind im Gebäude nicht einzeln, sondern als gemeinsame Baugruppen konzipiert. Denn ein eingebautes großes Stück kommt auch als Ganzes wieder raus, und was in diesem Bürogebäude an allen Stellen funktioniert, funktioniert auch in einem nächsten Gebäude. Das minimiert das Abfallaufkommen nach einem Rückbau. Ein BIM-Modell macht transparent, welche Module mit welchen Stoffen an welchen Stellen im Gebäude verbaut sind. Damit wird das Gebäude allen zukünftig erwartbaren Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit gerecht.

Baumaterial als Nährstoff

Das Modul ist mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft vereinbar: Die Produkte sind dabei so konzipiert, dass sie entweder in der Biosphäre abbaubar sind oder – wie meist in der Baubranche – wieder als Rohstoff in technische Kreisläufe zurückgeführt werden können. Entwickelt wurde das C2C-Prinzip in den 1980er-Jahren vom US-amerikanischen Architekten William McDonough und dem deutschen Chemiker Michael Braungart. Die von Braungart gegründete EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer treibt das Prinzip in allen Industriebereichen voran.

Aktuell liegt bei Bauprojekten in Österreich der Fokus noch immer bei den Investitionskosten. Daraus resultierend werden die Entscheidungen meistens im Zuge der Planung und Errichtung getroffen.
Michael Jelencsits

Umdenken erforderlich

Ein gegensätzliche Ansatz wäre, man stellt die Lebenszykluskosten sowohl von der Bausubstanz als auch von der Gebäudetechnik in den Vordergrund und findet dadurch Lösungen, die über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes das Nachhaltigste darstellen.

„Wenn man in der Gebäudetechnik optimieren und auch einen Beitrag hinsichtlich der definierten Klimaziele leisten möchte, dann muss man die Lebenszykluskosten in der TGA gegenüber den Investitionskosten in den Vordergrund stellen“, untermauert Jelencsits. „Zudem haben wir im Moment steigende Energiepreise in allen Bereichen aufgrund unterschiedlichster Faktoren. Dementsprechend wird das Thema Lebenszykluskosten immer wichtiger.“

Für Georg Stadlhofer und Michael Jelencsits braucht es ganz klar ein Umdenken bei den Themen Effizienz, Anlagendimensionierung und Preisgestaltung bei Planungshonoraren. „Diese sind zum größten Teil abhängig von Investitionskosten. Für eine effiziente Planung, die vorwärtsgerichtet ist, ist das aus nachhaltiger Sicht aber nicht zuträglich. Wir brauchen Anreizmodelle, die die Planer*innen ermutigen, innovative und effiziente Lösungen mit möglichst niedrigen Lebenszykluskosten zu bauen, die auch nachhaltig sind.“

Michael Jelencsits

Facility Manager*innen als Energie- und Ressourcen-Manager*innen

Um Optimierungen im Bestand durchführen zu können, muss das Thema Energie im Facility Management in den Vordergrund rücken, ist sich Michael Jelencsits sicher. „Gleichzeitig muss man auch die Ausbildung der Facility Manager*innen verbessern, damit sie zukünftig noch stärker als Energiemanager*innen den nachhaltigen Gebäudebetrieb sichern.“

Und dies erfordert unbedingt den berühmten Blick über den Tellerrand: „Früher hatte man Gewerkspezialist*innen, mittlerweile zählt das große Ganze“, erklärt Michael Jelencsits. „Eine effiziente Steuerung, ein detailliertes Energie-Monitoring, bei dem ich alle erforderlichen Parameter sehe, werden heute noch oft eingespart. Somit agiert die Betriebsführung oftmals in einer Art Blackbox. Wenn man nicht sieht, was das Gebäude tut, wird man es auch nicht optimieren können.“