Künstliche Intelligenz in der TGA-Planung : KI macht die Planungsaufgabe zur Kommunikationsaufgabe
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KI verändert den Planungsprozess, ist sich Bernd Petraus, CTO des deutschen Softwareunternehmens Digital Building Industries, sicher.
- © hipp | art and designAngetrieben von künstlicher Intelligenz erlebt die TGA aktuell einen tiefgreifenden Wandel, welcher den Fokus des klassischen Planungsprozesses deutlich verschiebt. Technische Zeichnungen oder komplexe Berechnungen haben früher den Planungsprozess dominiert, zum Großteil tun sie das noch heute. Durch KI kann sich dieser Planungsprozess nun aber in Richtung einer Kommunikationsaufgabe verschieben. Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Interaktion zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz. Eine neu definierte Kooperation, die nicht nur die Effizienz erhöht, sondern auch die Anforderungen an die Kompetenzen der Ingenieur*innen erweitert.
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Man sollte KI niemals als vollwertigen „Kollegen“ betrachten, sondern eher als ein Assistenzsystem.
Ingenieur*innen als Dirigent*innen
Von Generative Design, beispielsweise zur Leitungsplanung, über eine simulationsgestützte Energieoptimierung, bis hin zur Logistikplanung der hochkomplexen, kleinteiligen TGA-Gewerke auf der Baustelle; mithilfe von KI-Systemen lassen sich in der TGA-Planung deutliche Arbeitserleichterungen erreichen. Dadurch lässt sich nicht nur der Planungsprozess beschleunigen, sondern auch die Genauigkeit oder die Reaktionsfähigkeit bei der Umsetzung komplexer Bauvorhaben vorantreiben. Dennoch sollte man die KI niemals als vollwertigen „Kollegen“ betrachten, sondern eher als ein Assistenzsystem, das in jedem Fall darauf angewiesen ist, durch ausgebildete Fachleute gesteuert und überwacht zu werden.
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Es zeigt sich vermehrt, dass der Planungsprozess, wie wir ihn kennen, zunehmend zur Kommunikations- und Moderationsaufgabe wird. Um derartige Systeme bedienen und lesen zu können, müssen Ingenieur*innen nicht nur über ein tiefgehendes technisches Fachwissen verfügen, sondern auch in der Lage sein, die Ergebnisse kritisch zu interpretieren. Die Aufgabe geht also weg vom klassischen Berechnen und Auslegen technischer Systeme hin zur kompetenten Steuerung und Validierung der Ergebnisse der künstlichen Intelligenz.
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Ohne KI keine Energiewende
Ein besonders bedeutender Anwendungsfall für KI in der TGA auf dem Weg zur Energiewende, ist die Planung der hochkomplexen energetischen Anlagen, die dafür erforderlich sind. Die Vermeidung einer äußerst ineffizienten Überdimensionierung von Wärmepumpen, die korrekte Auslegung von teuren Stromspeichern, die Einbindung von Abwärme (zum Teil gebäude- oder liegenschaftsübergreifend) oder die Berücksichtigung von volatilen Strompreisen bzw. die Analyse der Auswirkung auf das energetische Konzept sind nur einige Beispiele für die zunehmende Komplexität der erforderlichen Berechnungen. Mit konventionellen Berechnungsmethoden stoßen selbst äußerst erfahrene Planer*innen an ihre Grenzen.
Und genau hier kann künstliche Intelligenz ihre Stärken ausspielen: Sie ermöglicht es zum einen, eine riesige Menge an Echtzeitdaten aus intelligenten Messsystemen und Energiequellen zu analysieren oder auch Datenlücken zu schließen, wenn – wie so oft im Bestand – die Messgrundlage eher schlecht ist oder – im Neubau – wenig über das Projekt bekannt ist. Zum anderen ermöglicht sie es, die Energieversorgung intelligent zu berechnen bzw. zu optimieren.
Energiesysteme in Bestands- oder Neubauten können durch Machine-Learning-Algorithmen so optimiert werden, dass sich der Primär- bzw. Endenergieverbrauch deutlich reduziert. Außerdem können dynamische Wechselwirkungen besser aufeinander abgestimmt werden, beispielsweise PV und Windkraft oder auch Abwärme. Sei es in einzelnen Gebäuden oder in ganzen Quartieren. Doch auch im Bereich der Energieberechnung gilt: Ohne die Expertise der Fachleute, die diese Systeme bedienen und die Ergebnisse zu interpretieren wissen, lassen sich keine Erfolge erzielen.
Mensch-Maschine-Kommunikation als Schlüsselrolle
KI-gestützte Planungsansätze stehen und fallen mit der Fähigkeit, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine effizient zu gestalten, was aufseiten der Ingenieur*innen völlig neue Kommunikationskompetenzen erfordert. Die Fähigkeit, fundierte Schlüsse aus den von der KI gelieferten Daten zu ziehen und das tiefgreifende Verständnis der Algorithmen rücken mehr und mehr in den Vordergrund als reine Programmier- oder Berechnungsarbeiten.
Dadurch, dass KI-Modelle stark datengetrieben sind, hängt die Qualität der Ergebnisse direkt mit der Beschaffenheit der Mess- oder Eingangsdaten sowie mit den übermittelten Anforderungen ab. Missverständnisse oder unscharfe Anforderungen können unter Umständen zu fehlerhaften Prognosen führen, was sich negativ auf den gesamten Projektverlauf auswirken könnte. Die Formulierung präziser Anforderungen oder die kritische Hinterfragung der ermittelten Daten werden zukünftig zu den Kernfähigkeiten der Ingenieur*innen zählen.
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Die Formulierung präziser Anforderungen oder die kritische Hinterfragung der ermittelten Daten werden zukünftig zu den Kernfähigkeiten der Ingenieur*innen zählen.
Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar
Trotz Automatisierung und beeindruckender Fortschritte wird die menschliche Expertise immer ein unverzichtbares Gut in der TGA bleiben. KI ist in der Lage, enorme Datenmengen zu analysieren, verschiedenste Muster zu erkennen und Vorschläge zu generieren. Jedoch obliegt die abschließende Bewertung, die Interpretation der Ergebnisse sowie die Ableitung praxisgerechter Maßnahmen immer noch dem Menschen. Nur durch Fachkompetenz und Erfahrung kann die Untersetzung von KI sinnvoll in den Planungsprozess integriert werden.
Ein typisches Anwendungsbeispiel ist die Berechnung von Energiekonzepten. Während KI unter anderem Energiebedarfsprognosen sowie konkrete Vorschläge zur Anlagenauslegung unterbreiten kann, müssen Ingenieur*innen in der Lage sein, diese Vorschläge hinsichtlich der spezifischen Anforderungen des Gebäudebetreibers, des Budgetrahmens sowie der regulatorischen Rahmenbedingungen bewerten zu können. Denn am Ende eines jeden KI-Prozesses steht die menschliche Entscheidung, die darüber bestimmt, welche Maßnahmen in der Realität umgesetzt werden oder welche Modifikationen erforderlich sind.
Neues Anforderungsprofil für TGA-Ingenieur*innen
KI verändert nicht nur unsere Arbeitsweise und gesamte Prozesse, sondern auch das Rollenverständnis der Ingenieur*innen in der TGA. Neben dem technischen Verständnis, das immer Voraussetzung bleiben wird, treten Soft Skills wie Kommunikation, Moderation und die Fähigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit in den Vordergrund. Ingenieur*innen nehmen vermehrt die Rolle als Schnittstelle zwischen den technischen Anforderungen, den Möglichkeiten der KI sowie den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedensten Stakeholder ein.
Dabei sollte es das Ziel von zukunftsorientierten Unternehmen sein, Mitarbeitende für diesen Wandel zu sensibilisieren und in deren Weiterbildung zu investieren. Denn Verständnis für KI-gestützte Planungswerkzeuge und die Interpretationsfähigkeit von Simulationsergebnissen gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Im Mittelpunkt sollte dabei die Befähigung der Ingenieur*innen stehen, um sicherzustellen, dass KI effizient gesteuert und in die Gesamtplanung integriert werden kann.
Soft Skills wie Kommunikation, Moderation und die Fähigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit treten in den Vordergrund.
Symbiose statt Ersatz – gemeinsam mit KI in die Zukunft der TGA-Planung
KI in der TGA bringt eine Vielzahl an Vorteilen mit sich. Doch niemals wird sie in der Lage sein, die menschliche Expertise zu ersetzen. Vielmehr fordert sie Ingenieur*innen auf vielen, neuen Ebenen heraus, wodurch die klassische Planungsaufgabe mehr und mehr zur Kommunikationsaufgabe wird. KI muss instruiert werden, Ergebnisse müssen kritisch hinterfragt und in ein übergeordnetes Konzept integriert werden.
Am Ende wird die erfolgreiche Implementierung von KI vom Menschen abhängen. Beste Ergebnisse können nur erzielt werden, wenn Fachleute ihre ingenieurtechnische Expertise mit den Möglichkeiten der KI kombinieren und dabei die Kommunikation in den Mittelpunkt stellen. Diese neue Dimension der Zusammenarbeit wird die Zukunft der technischen Gebäudeausrüstung prägen – und sie erfordert Ingenieur*innen, die nicht nur technologische Kompetenz, sondern auch kommunikative Stärke mitbringen.