Wohn- und Baupaket 2024 : Baukonjunkturpaket: Kritik an Neubau-Schwerpunkt
Die österreichische Bauwirtschaft hat schon bessere Zeiten gesehen – und die Talsohle der Marktentwicklung noch bevorstehen, schätzt das aktuelle Baubarometer der Info-Techno Baudatenbank. Aufgrund der hohen Zinsen und Rohstoffpreise ist der Neubau nahezu zum Stillstand gekommen. Und auch thermisch-energetische Renovierungen würden die Delle beim Neubau nicht ausgleichen können, so das Fazit des Baubarometers, das die Stimmung von über 1.320 Unternehmen aus dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe, sowie Planer*innen und Architekt*innen abbildet.
Für 47 Prozent der Befragten ist die aktuelle Geschäftslage schlechter als zur Jahresmitte 2023, nur für 14 Prozent besser. Für 39 Prozent ist die Geschäftslage anhaltend angespannt, sprich unverändert. Die Regierung will dieser Entwicklung mit dem Beschluss einem Baukonjunkturpaket in der Höhe von 2,2 Mrd. Euro bis 2027 nun gegensteuern. Neben viel Lob etwa von Seiten der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, werden auch Rufe nach Nachbesserungsbedarf laut – etwa von Seiten der Ziviltechniker*innen.
Steuerliche Maßnahmen, Förderungen für 20.000 neue Wohnungen und ein massiver Boost für Sanierungen - all das sorgt für einen Konjunkturschub, der in den nächsten Monaten und Jahren wirkt.Werner Kogler, Vizekanzler
Das Konjunkturpaket für die Baubranche im Überblick
Aufgrund der schwierigen Lage für die Baubranche hat die österreichische Bundesregierung beschlossen, gegenzusteuern und bringt ein Wohn- und Baupaket auf den Weg. Die Maßnahmen des Wohn- und Baupakets sollen die Baukonjunktur stützen und die Sanierungsquote erhöhen, mehr und leistbareren Wohnraum schaffen, die Schaffung von Eigentum erleichtern und die Qualität des vorhandenen Wohnraums verbessern.
Die wichtigsten Maßnahmen dafür auf einen Blick:
⇨ Mit einem Zweckzuschuss in Höhe von insgesamt 1 Mrd. Euro sollen 10.000 neue Eigentumswohneinheiten im Neubau und 10.000 neue Mietwohneinheiten im Neubau geschaffen werden und rund 5.000 Wohneinheiten saniert werden. Für den Neubau sind 780 Mio. Euro vorgesehen, für die Sanierung 220 Mio. Euro.
⇨ Zur Erleichterung des Eigentumserwerbs werden, befristet für zwei Jahre, die Nebengebühren (Grundbucheintragungs- und Pfandrechtseintragungsgebühr) abgeschafft.
⇨ Durch höhere Abschreibungsmöglichkeiten für Wohngebäude sollen Bauvorhaben vorgezogen bzw. rasch fertiggestellt werden.
⇨ Durch die Einführung eines „Ökozuschlags“ sollen klimafreundliche Sanierungsmaßnahmen steuerlich attraktiviert werden. Bei vermieteten Wohnobjekten sollen Maßnahmen im Bereich der thermisch-energetischen Sanierung und Heizungstausch mit einem Zuschlag für die steuerliche Absetzbarkeit in Höhe von 15 Prozent für die Jahre 2024 und 2025 gefördert werden.
⇨ Zur Unterstützung von Handwerksbetrieben bei der Erbringung von Renovierungs-, Erhaltungs-, und Modernisierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Wohnraumschaffung durch Zu- und Neubauten, wird es den neuen Handwerkerbonus PLUS geben. Dabei werden erbrachte Arbeitsleistungen von Handwerksarbeiten bis zu 10.000 Euro mit einem Fördersatz von 20 Prozent, daher mit einem Höchstsatz von 2.000 Euro, gefördert.
⇨ Aus den Mitteln für Energieeffizienz des Umweltförderungsgesetzes werden für die Jahre 2024 und 2025 jeweils 120 Mio. Euro für die thermisch-energetische Sanierung von Wohngebäude für Vermieter*innen mit Miete nach dem Kostendeckungsprinzip zur Verfügung gestellt.
Stärker auf Neubauten und somit auf Versiegelung zu setzen, um die Bauwirtschaft anzukurbeln, wäre als würden Ärzt*innen eine weitere Pandemie fordern, um mehr Patient*innen behandeln zu können.Daniel Fügenschuh, Präsident der ZT-Kammer
Kritik der Ziviltechniker*innen: Neubau vs. Sanierung
Prinzipiell würde man das Baukonjunkturpaket begrüßen, heißt es von Seiten die Ziviltechniker*innen. Jedoch sei das Verhältnis Neubau zu Sanierung kritisch zu sehen. „Stärker auf Neubauten und somit auf Versiegelung zu setzen, um die Bauwirtschaft anzukurbeln, wäre, als würden Ärzt*innen eine weitere Pandemie fordern, um mehr Patient*innen behandeln zu können. Das aktuelle Paket bedeutet aber 780 Millionen Euro für die Pandemie und 220 Millionen Euro für die Lösung des Problems“, kritisiert Daniel Fügenschuh, Präsident der ZT-Kammer.
Bernhard Sommer, Präsident der Länderkammer der Ziviltechniker*innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, hält die Abgrenzung zwischen Neubau und Sanierung für nicht notwendig. Er schlägt vor, die Schaffung hochwertigen Wohnraums zu fördern und die Fördermittel an die Umweltauswirkungen, ermittelt über eine Lebenszyklusanalyse, zu knüpfen: „Damit würde dem Sanieren und Bauen im Bestand meist automatisch der Vorzug gegeben werden.“
Zwar sei die Förderung von Neubau prinzipiell gut, es laut der Kammer solle jedoch sichergestellt werden, dass dafür kein neues Bauland gewidmet wird. Außerdem vermisst die Kammer eine ganzheitliche Betrachtung dessen, was unter leistbarem Wohnraum verstanden wird. „Leistbar ist Wohnen nur, wenn es umweltfreundlich ist. Denn: Wer billig baut, zahlt langfristig drauf! Wir müssen also auch Ausgaben für Reparaturen im Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten, genauso wie die Umweltschäden, Baustoffe und Ressourcen, die wir im Endeffekt bezahlen müssen", betont die Kammer in ihrer Aussendung.
Das Einfamilienhaus ist ein stark emotional besetztes Thema. Die Frage nach der Wohnform wird man daher weniger mit einer Gebäudeform beantworten können.Dominik Philipp, IG Lebenszyklus Bau
„Netto-Neuversiegelung gleich Null“
Bereits in der Woche vor Abschluss des Pakets meldeten sich die Verbände VZI (Verband der Ziviltechniker*innen) und IG Lebenszyklus Bau zu Wort. Der Grundtenor: Angesichts des bereits hohen Bodenverbrauchs in Österreich müsse der Fokus ganz klar auf Sanierung und Verdichtung liegen. Um dies zu befördern, wäre etwa eine finanzielle oder steuerliche Unterstützung des Ankaufs bestehender Eigenheime sinnvoll. Ebenso wesentlich sei es, jene Untersuchungen zu fördern, die eine fachgerechte Entsorgung von Schad- und Störstoffen ermöglichen, um anschließend korrekt und vor allem ungefährdet „weiterbauen zu können“.
Die Verbände sind sich einig: Das Ziel muss eine „Netto-Neuversiegelung gleich Null“ sein. Um dies zu erreichen, müsse auch über intensivere Flächennutzung – zum Beispiel durch eine höhere Bebauungsdichte und lokale Infrastruktur in den Siedlungsschwerpunkten – geredet werden. „Das Einfamilienhaus ist ein stark emotional besetztes Thema. Die Frage nach der Wohnform wird man daher weniger mit einer Gebäudeform beantworten können. Die Antwort liegt vielmehr in der richtigen Programmierung und Reaktivierung unserer Ortskerne,“ ist Dominik Philipp, IG Lebenszyklus Bau, überzeugt.
Mit einer höheren Sanierungsquote und damit einer Nachverdichtung und dem Erhalt der bestehenden Infrastruktur könne laut den Verbänden auch sichergestellt werden, dass Schad- und Störstoffe fachgerecht untersucht und dann entsorgt werden – ein wichtiges Thema im zukunftsweisenden Umgang mit Bestandsobjekten. Gerade im Einfamilienhaus-Sektor werden solche Untersuchungen aus finanziellen Gründen häufig nicht durchgeführt.
Thomas Hoppe, Präsident des VZI sieht in der Umplanung von Einfamilienhäusern auf Zwei- oder Mehrfamilienhäuser nicht nur eine Chance der Weiternutzung und der Vermeidung von Bodenversiegelung", sondern auch „eine Wiederbelebung des halburbanen Raums".