Meinung : Pinsdorf und die Pappenheimer: Windhager-Insolvenz wegen Wärmepumpen?
Zusammenfassung: Was bisher bekannt ist
Die Zahlungsunfähigkeit von Windhager kam überraschend, so viel lässt sich mit Sicherheit sagen. Die ersten, die Ende 2023 eine Ahnung von der drohenden Insolvenz bekamen, waren die 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens: Als nämlich die Dezember-Gehälter ausblieben. Danach ging es rasch. Schon am Freitag, den 5. Jänner drangen die Gerüchte nach außen, und am Montag darauf stellte das Unternehmen einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über die Windhager Zentralheizung GmbH sowie die Windhager Zentralheizung Technik GmbH. Über die Windhager Logistik GmbH wurde hingegen gleich ein Konkursverfahren eröffnet, das in der Regel mit der Schließung des Unternehmens endet. In dieser Logistik-Tochter ist der Neubau des Wärmepumpenwerks im oberösterreichischen Pinsdorf gebündelt, der damit zum Erliegen kam.
Soweit die bekannten Fakten. Nur: Wie konnte es zur Insolvenz eines Unternehmens kommen, das noch 2022 das erfolgreichste Geschäftsjahr seines 100-jährigen Bestehens feierte? Welche Folgen hat das für den österreichischen Heizungsmarkt? Und was hat das mit den sprichwörtlichen Pappenheimern zu tun?
Der erste Pinsdorfer Aufstand
Während des 30-jährigen Krieges kam es in Pinsdorf zu einer entscheidenden und für die revoltierenden Bauern vernichtenden Schlacht. Die damals evangelischen Oberösterreicher erhoben sich 1626 gegen die katholisch-bayrische Herrschaft. Am 15. November fand in Pinsdorf bei Gmunden das letzte Gefecht zwischen den Aufständischen und den von General Pappenheim angeführten gegenreformatorischen Truppen statt. Mindestens 2.000 Bauern sollen im Kampf gegen die kriegserprobten und gefürchteten „Pappenheimer“ getötet worden sein. Der evangelische Aufstand war damit zu Ende und Oberösterreich wurde wieder katholisch.
Der Weg von Pellets zu Wärmepumpen
Mit dem neuen Werk in Pinsdorf versuchte sich Windhager gegen die asiatische Übermacht am Wärmepumpensektor zu stemmen. Dem war eine überraschende Strategiewende inmitten eines Unternehmenshochs vorangegangen. 2022 vermeldete der Traditionsbetrieb einen Rekordumsatz von 160 Mio. Euro. Der Gewinn des Familienunternehmens soll sich in diesem Ausnahmejahr, das von überwältigender Nachfrage nach allen Heizungsalternativen zu Gas geprägt war, im zweistelligen Millionenbereich bewegt haben. Der Löwenanteil des Umsatzes entfiel auf Pelletskessel, die in den letzten 20 Jahren zum zentralen Produkt des Unternehmens geworden waren. Windhager stellt aber auch andere Biomasse- und Gaskessel sowie Hybridanlagen und Speicher her – und verkaufte als jüngstes Mitglied im Produktportfolio auch Luft-Wasser-Wärmepumpen.
Die rapide steigende Nachfrage nach Wärmepumpen und den eigenen Geschäftserfolg nahm Windhager als Rückenwind für eine ebenso nachvollziehbare wie ehrgeizige Strategieänderung, nämlich den Schwenk von Biomasse in Richtung Wärmpumpe und den Aufbau eines eigenen Wärmempumpenwerks. Beim Spatenstich im September 2022 zeigten sich Eigentümer Gernot Windhager und Geschäftsführer Stefan Gubi überzeugt davon, damit den richtigen Weg eingeschlagen zu haben: „Es braucht eine klare Vision, um die steigenden Anforderungen unserer Kunden unter den sich verändernden Rahmenbedingungen erfüllen zu können“, hieß es. Die Erfüllung dieser Vision war Windhager budgetierte 91 Mio. Euro für den Bau des Werks wert, also mehr als die Hälft des Umsatzes im Rekordjahr.
Industrielle Größe als entscheidender Wärmepumpen-Faktor
Brancheninsider sahen die Pläne schon damals kritisch. In Pinsdorf sollten laut Windhager ab Sommer 2024 bis zu 20.000 Wärmepumpen jährlich gebaut werden. Angesichts der sich schon vor zwei Jahren abzeichnenden asiatischen Übermacht nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. In den großen fernöstlichen Werken laufen bis zu einer Million Geräte pro Jahr vom Band, die zunehmen für den europäischen Markt gebaut werden. Der Tenor der kritischen Marktbeobachter: Europäische Hersteller werden sich nur behaupten können, wenn sie sich entweder auf Nischensegemente und Spezialentwicklungen spezialisieren – oder wenn sie sich mit global agierenden Partnern zusammentun.
Nahrung bekam diese Theorie im Frühjahr 2023, als der Viessmann-Konzern beim amerikanischen Riesen Carrier Global andockte. Max Viessmann erklärte diesen Schritt dezidiert mit der fehlenden industriellen Größe seines nicht gerade kleinen Unternehmens in der Wärmepumpenproduktion: Für die Wettbewerbsfähigkeit am europäischen Wärmepumpenmarkt seien in Zukunft Größe und Stückzahlen entscheidend.
Von der Kurzarbeit zur Insolvenz
Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist der Wärmepumpensektor unter verschärfter Beobachtung: Wer fusioniert mit wem? Wer besetzt erfolgreich Nischen, wer bringt technologische Neuerungen auf den Markt, die einen relevanten Vorsprung vor der kostengünstigeren asiatischen Konkurrenz versprechen? Wer beherrscht die neuen Kältemittel, und ist damit auch lieferfähig? Denn Qualität alleine bringt keinen Vorsprung mehr, dazu sind die am Markt befindlichen Geräte längst zu ausgereift.
Windhager hielt am Produktionsstandort Pinsdorf und an der Kooperation mit dem lokalen Technologiepartner M-Tec weiter fest. Doch dann brachte im Sommer 2023 der bekannte Markteinbruch im Kerngeschäft Pellets das Unternehmen in erste Turbulenzen. Umsatzrückgänge von bis zu 70 Prozent führten dazu, dass Windhager sogar Kurzarbeit beantragen musste. Jetzt ist das Kerngeschäft insolvent – und die Windhager’sche Wärmepumpen-Expansion vorerst abgesagt.
Wird Pinsdorf ein Mahnmal oder doch noch ein Produktionswerk?
An den oberösterreichischen Bauernaufstand und seine Niederschlagung erinnert in Pinsdorf nur mehr der „Bauernhügel“; ein Wahrzeichen, das auch im Wappen der 4.000-Seelen-Gemeinde zu sehen ist. Ob aus der derzeit stillstehenden Baustelle ein ähnliches Mahnmal für das vergebliche Auflehnen gegen stärkere Mächte werden wird, ist derzeit unklar.
Ich meine nein: Zu attraktiv ist das Wärmepumpengeschäft, das sich auch hierzulande mit dem Geldregen aus dem EWP zu neuen Höhen aufschwingen wird, als dass sich kein interessierter Investor finden wird. Zu viel Geld haben die Banken bereits vorgestreckt, als dass sie die Investitionen abschreiben und den von Windhager bedienten Heizungsmarkt anderen überlassen würden. Zu interessant ist auch ein jahrelang erfolgreicher Hersteller wie Windhager für alle Stakeholder, als dass seine Produktionshallen nicht weiterlaufen würden.
Ich hoffe nur – frei nach Friedrich Schiller, dem wir dieses Bonmot verdanken –, dass ich meine Pappenheimer wirklich kenne.