Smart Block Geblergasse : Explodierende Heizkosten – Solare Sanierung als Ausweg

Smart Block Geblergasse Wien©_KURT HOERBST 2021
© KURT HOERBST

Das Jahr 2022 war vom Krieg in der Ukraine geprägt, der nicht nur Angst in Europa auslöste, sondern auch die Energiemärkte ordentlich durcheinanderbrachte. Die fossilen Energieträger waren plötzlich nicht mehr der jahrzehntelange Garant für Stabilität und Wohlstand, sondern der Unsicherheitsfaktor Nummer eins. Die Energiepreise für Öl und Gas stiegen in lichte Höhen und heizten die Inflation in ganz Europa an. Im Herbst 2022 lag diese das erste Mal seit 40 Jahren bei über zehn Prozent. Die Folge war ein Sinken der Kaufkraft, immer mehr Menschen konnten sich die immer teurer werdenden Waren nicht mehr leisten.

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Am deutlichsten war die Steigerung beim Heizen zu spüren. Die Energieversorger begannen Schritt für Schritt, die explodierenden Marktpreise an die Haushalte weiterzugeben, wobei die Erhöhung in vielen Fällen erst mit der nächsten Jahresabrechnung sichtbar wird. Es ist zu befürchten, dass der Jahresanfang 2023 ein Quartal der Tränen wird, mit satten Nachzahlungen bei Gas und Strom. Für einen durchschnittlichen Haushalt mit einer Erdgasheizung kann das viele hundert Euro Mehrkosten im Jahr bedeuten. Die Preiserhöhungen heißen für viele Haushalte, einmal weniger einkaufen gehen in den Supermarkt, weil man das Geld fürs Heizen braucht.

Erdgasimport um zwei Milliarden Euro

Bei fossiler Energie sind wir zu 90 Prozent vom Ausland abhängig, wir importieren jedes Jahr Erdgas im Wert von mehr als zwei Mrd. Euro, um unsere Häuser zu heizen, Strom zu erzeugen und die Industrie zu versorgen. Zwei Drittel des Geldes gehen nach Russland, das die Erdgasversorgung als außenpolitisches Druckmittel einsetzt, wie wir schmerzlich lernen mussten. Für Erdöl zahlen wir jährlich eine Milliarde Euro ins Ausland, die Hälfte davon nach Kasachstan und Irak. Die Preissteigerungen bei Öl und Gas sind mittlerweile ein Vielfaches der beschlossenen CO2-Abgabe von 30 Euro je Tonne, die im Oktober 2022 in Kraft getreten ist. Seit 30 Jahren wurde sie angekündigt, die grüne Klimaministerin hat endlich geschafft, sie umzusetzen.

Ausweg solare Sanierung

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass wir einen raschen Umstieg auf erneuerbare Wärme brauchen, um der Versorgungsfalle der fossilen Energie zu entgehen. Die Regierung startete im Vorjahr ein 750 Mio. Euro schweres Förderungspaket, um den Tausch von Ölheizungen, die thermische Sanierung von Gebäuden und die Umstellung der Fernwärme auf erneuerbare Energie voranzutreiben. Ein Beispiel für diese Umstellung ist der Smart Block Geblergasse in Wien, wo erstmals ein gesamter Häuserblock von Erdgas auf Wärme, Kälte und Strom mit Solarenergie und Geothermie umgestellt wurde. Das Pilotprojekt mit 18 Liegenschaften zeigt, dass auch Wohnquartiere mitten in der Stadt zur Gänze von Gas auf erneuerbare Energie umgestellt werden können.

Im ersten Schritt wurden zwei Gebäude im Häuserblock umgestellt, die zuvor thermisch saniert wurden und jetzt nur mehr einen Heizwärmebedarf von 89 kWh/m2a aufweisen, was die Energiekosten der Mieter*innen dauerhaft senkt. Die Häuser sind durch ein Anergienetz verbunden, einer unterirdischen Rohrleitung zwischen den Gebäuden, in denen Wasser mit einer Temperatur zwischen 5 °C und 25 °C zirkuliert. Die Anhebung auf Nutztemperatur erfolgt durch Wärmepumpen in den Häusern. Durch die Verbindung mehrerer Häuser über das Rohrnetz lassen sich deutliche Effizienzvorteile gegenüber kompletten Heizanlagen in jedem Gebäude erzielen.

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Die 47 PVT-Hybridkollektoren am Dach liefern Wärme und Strom von der Sonne, der Strom wird zum Betrieb der Solaranlage genützt, die Wärme in 18 Erdsonden mit bis zu 120 m Tiefe geleitet. Mit der gespeicherten Wärme werden die Wohnungen im Winter beheizt. Im Sommer werden sie mit dem Rücklauf aus den Erdsonden (ca. 20 °C) über die Fußbodenheizung und Deckenpaneele CO2-frei gekühlt. Die vorbildliche Sanierungslösung wurde im Jahr 2021 mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die ganze Anlage wird von einem Contractor betrieben, der die Energieversorgung im Baukastensystem errichtete, was eine schrittweise Erweiterung im Zuge von Sanierungen im Häuserblock erlaubt.

Sanierung von Gründerzeithäusern

In der Altstadt wird solare Sanierung oft als undurchführbar angesehen. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie auch Mieter*innen in Gründerzeitbauten der fossilen Falle entkommen können. Das Mehrfamilienhaus in der Mariahilferstraße 182 in Wien war nach einer Gasexplosion im Jahr 2014 ein Trümmerhaufen und musste von Grund auf saniert werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit entschieden die Eigentümer, das Gebäude nicht abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, sondern es bewusst zu erhalten. Unter der Regie von Trimmel Wall Architekten wurde der Kern des Hauses neugestaltet und die Stuckfassade originalgetreu wieder hergestellt.

Zusätzlich wurde das Haus um einen Dachgeschoßausbau im Passivhausstandard erweitert. Das Haus hat eine Wohnnutzfläche von 2.360 m2 und beherbergt 20 Altbau- und 9 Dachgeschoßwohnungen. Die Heizung wurde von dezentralen Gasthermen auf eine zentrale Gasheizung im Keller umgestellt, die jederzeit auf Fernwärme umgerüstet werden kann. Der 150 kW Gasbrennwertkessel versorgt die Fußbodenheizung (70 kW) und die Lüftungsanlage (10 kW).

Mariahilferstrasse 182
Mehrfamilienhaus in der Mariahilferstraße 182 in Wien - © Trimmel Wall Architekten

Zwei 922 Liter Pufferspeicher unterstützen die Heizung und die Solaranlage. Eine 30 m2 Kollektorfläche große Solarwärmeanlage ist auf der flach geneigten, innenhofseitigen Dachfläche aufgestellt und liefert Energie für die Warmwasserbereitung. Durch die hofseitige Installation der Solaranlage ist diese von der Straße nicht einsehbar und stört das historische Gebäudeensemble nicht. Dieses außergewöhnliche Sanierungsprojekt wurde mehrfach prämiert und erhielt 2019 den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit.

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Planer und Handwerker am Zug

Wir müssen bei der Sanierung von Gebäuden an Tempo zulegen, um die Klimaziele zu erreichen. Die technischen Lösungen sind vorhanden und erprobt, die wirtschaftlichen Voraussetzungen durch die explodierenden Energiepreise längst gegeben. Jetzt sind die Wohnbauträger, Planer*innen und Handwerker*innen am Zug, die günstigen Voraussetzungen für einen Schub in der Wärmewende zu nutzen. Denn nur Profis können schnell genug in hoher Qualität den Ausstieg aus der fossilen Welt vollziehen, der jetzt oberste Priorität haben muss, noch für viele Jahre.