Ausstieg aus Gas durch Wärmepumpentechnologie und Konzepte für serielle Sanierung : „PhaseOut“ – so gelingt der Gasausstieg

Demogebäude von Phaseout in Wien.

Demonstrationsgebäude im 14. Wiener Gemeindebezirk zur Entwicklung von vorgefertigten Fassadensystemen mit Wärmepumpenlösungen in der Sanierung.

- © Sozialbau AG

Für die Erreichung einer Energieimport-Unabhängigkeit und der Klimaschutzziele ist ein Ausstieg von gas- und ölbasierten Heizungssystemen hin zu Erneuerbaren unabdingbar. Besonders die Substitution der häufig vorkommenden Gas(-Etagen)thermen in Ballungsräumen stellt eine immense Herausforderung dar. Dieser Ausstieg in der Wärmeversorgung bedingt auch eine Reduktion des Energiebedarfs und die damit mögliche Senkung der benötigten notwendigen Vorlauftemperaturen der Heizung durch eine flächendeckende energetische Sanierung des Gebäudebestands.

Sanierungsvorreiter: Gemeinnützige Wohnungsunternehmen

Generell ist im Wohnbau die Sanierungsrate (unter 1 Prozent) eher stagnierend, obwohl seit vielen Jahren Lösungen für die energetische Sanierung von mehrgeschoßigen Bestandswohngebäuden existieren, Im gemeinnützigen Wohnbau allerdings und insbesondere im SOZIALBAU-Verbund stagniert die Sanierungsrate aber keineswegs. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen sind Sanierungsvorreiter mit einer Sanierungsrate von über 4 Prozent.

Barrieren die im Bereich der thermischen Sanierung von Geschosswohnbauten zu überwinden sind, dürften notwendige Umsiedelungen bzw. ein Leerstände von Bestandsgebäuden bei Kernsanierungen darstellen. Zur Steigerung der energetischen Sanierungsrate sind deshalb neue minimalinvasive und skalierbare serielle thermischen Sanierungsverfahren erforderlich, die schnell vor Ort angebracht werden können und die Bewohner*innen geringstmöglich beeinträchtigen.

Lösungen für minimalinvasive Sanierungsverfahren

Ein besonders großes Potential für die Sanierung liegt bei Mehrfamilienhäusern, insbesondere bei den in den 60er- und 70er-Jahren errichteten Gebäuden und zunehmend auch bei neueren (80er-Jahre) und teilsanierten Gebäuden. Der notwendige Ausstieg aus Öl und Gas wird den Druck auf den Sanierungsmarkt zudem deutlich erhöhen. Neue Sanierungskonzepte müssen die thermisch-optimierte Hülle mit einer Wärmeversorgung auf Basis von Wärmepumpentechnologien und mit erneuerbaren Energien vereinen und ermöglichen, eine Kernsanierung vermeiden.

Das multidisziplinäre, von der Universität Innsbruck geleitete Demo-Projekt „PhaseOut“ setzt genau hier an und entwickelt und erprobt Lösungen für minimalinvasive Sanierungsverfahren. Ziel ist es, durch Gebäudedämmmaßnahmen und vorgefertigte Fassadenelemente im Geschoßwohnbau die Heizung und die Warmwasserversorgung von Gas auf innovative Wärmepumpenlösungen (plus Photovoltaik plus innovative Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung) umzustellen. Die Effizienz von Wärmepumpen (Leistungs- bzw. Arbeitszahl) hängt maßgeblich von der bereitzustellenden Vorlauftemperatur ab. Deshalb werden Wärmepumpen typischerweise in Kombination mit einer Flächenheizung, wie z. B. Fußbodenheizung (mit ca. 35 °C Vorlauftemperatur), betrieben.

Die Leistungsabgabe von Fußbodenheizungen ist limitiert, was bei hohen Dämmstandards aber keine Herausforderung darstellt. Bei der thermischen Sanierung würde aber ein Umstieg auf eine Fußbodenheizung i.d.R. einen zu hohen invasiven Eingriff in Bezug auf Kosten, Bauzeit, neue Einrichtung und vieles mehr bedeuten. Daher sollen soweit möglich die bestehenden Radiatoren weiter genutzt werden. Dafür ist auch eine entsprechende thermische Sanierung der Bestandsgebäude notwendig, um die benötigte Vorlauftemperatur bei begrenzter Wärmeübertrager-Fläche in den Räumen auf ein - für Wärmepumpen sinnvolles - Niveau zu senken.

Grafik 1: Einflusses der thermischen Sanierung (Senkung der benötigten Heizleistung) auf die Heizungsvorlauftemperatur bei Radiatoren (Auslegepunkt: 75/60/-10 °C) (n = 1.3, A = konst.)

- © AEE INTEC

Durch die Reduktion der Transmissions- und Lüftungswärmeverluste mittels der Fassadenelemente inkl. Gebäudetechnik kann die benötigte Heizleistung (in Bezug auf die ursprüngliche unsanierten Auslegung Heizleistung: QHeizung / QHeizung_100) und die damit benötigte Vorlauftemperatur soweit reduziert werden, dass diese auch bei Auslegebedingungen (Normaußentemperatur) von 75 °C auf ca. 55 °C in der Sanierung und darunter gesenkt werden kann, wie in Grafik 1 dargestellt. In den Übergangszeiten liegen die Vorlauftemperaturen bei gleitender (witterungsgeführter Vorlauftemperatur-)Regelung nochmals darunter. Bei niedrigen Vorlauftemperaturen sind auch höhere Leistungszahlen (siehe Grafik 2) und damit höhere Arbeitszahlen zu erwarten. Damit würde der benötigte Strombedarf für die Wärmepumpen sinken, was die Heizkosten wesentlich reduziert.

Grafik 2: Simulationsergebnisse für den Einfluss der Heizungsvorlauftemperatur auf die Leistungszahl von Wärmepumpen bei unterschiedlichen Wärmequellentemperaturen.

- © AEE Intec

Welche Wärmequelle?

Vor allem im innerstädtischen Bereich stellt die Quellenerschließung eine weitere große Herausforderung dar. Wo möglich, sollten Abwärme genutzt bzw. das Erdreich als Wärmequelle erschlossen werden. Häufig wird jedoch die einzige technisch und wirtschaftlich-erschließbare Quelle die Außenluft sein. Je nach Art des Konzeptes bedarf es beim Ersetzen von Gasthermen – entweder zur Erschließung der Wärmepumpenquelle oder zur Verteilung der Wärmepumpensenke – zusätzlicher Verteilleitungen.

Im Projekt „PhaseOut“ werden dazu in den vorgefertigten Fassadenelementen mit hohem Dämmstandard gebäudetechnische Elemente integriert. Die angedachten Lösungen werden in sieben baugleichen Wohnbauten im 14. Wiener Gemeindebezirk (Linzerstrasse 348) demonstriert und gemonitort. Neben der Entwicklung innovativer und kompakter Wärmepumpentypen, speziell für die Sanierung, wird eine Standardisierung von industriell vorgefertigten Fassadenelementen erarbeitet. Das hat den Vorteil, dass die Gebäudesanierung vor Ort in sehr kurzer Bauzeit ohne – bisher häufig notwendige temporäre – Umsiedelung der Bewohner*innen erfolgen kann. Eine solche Lösung braucht eine sehr gute Planung. Der Großteil der Arbeit erfolgt aber virtuell sowie im Werk und nicht mehr auf der Baustelle. Diese Lösung stößt dadurch auch auf eine hohe Akzeptanz, da die Bewohner*innen kaum Baulärm, Staub und ähnlichem ausgesetzt sind und die geringstmöglichen Eingriffe in der Wohnung notwendig sind.

Schematische Darstellung des zentralen Sanierungskonzepts im Aufriss: Eine zentrale, außenaufgestellte Luft-Wasser Wärmepumpe stellt über einen Kombispeicher Heizwärme und Warmwasser bereit.

- © AEE INTEC

Ganzheitlicher Ansatz

Bei der Umsetzung werden alle Schritte des Sanierungsprozesses in einem ganzheitlichen Ansatz von der Bestandsanalyse, Konzeption, Planung, Errichtung, Optimierung, betriebs- und volkswirtschaftlichen Bewertung bis hin zur Nutzer*innen-Einbeziehung berücksichtigt. Die Auslegung erfolgt über transiente Gebäudesimulation, die die Bewertung vieler unterschiedliche Konzepte schon vor Baubeginn erlaubt. Der Benefit: Die Fassade wird architektonisch aufgewertet, der thermische Komfort in den Wohnungen steigt, da die Oberflächentemperaturen der Raumwände höher sind und die Heizkosten sinken. Denn ein zukünftiger sozialer Blick sollte nicht nur auf verträglichen Miet- sondern auch sozialverträglichen Heizkosten liegen.

In diesem von der Universität Innsbruck geleiteten Forschungs- und Demonstrationsprojekt kooperiert ein breit aufgestelltes Konsortium: Neben dem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen SOZIALBAU AG sind im Team ein Architekturbüro (Nussmüller), ein Fassadenbauer (Kulmer), ein TGA-Planer (Klimatherm), ein Bauphysiker (Ingenieurbüro Rothbacher), zwei Wärmepumpenhersteller (IDM, Drexel und Weiss) sowie das Energieinstitut Vorarlberg und die Forschungseinrichtung AEE INTEC. Neben der Rolle als Innovationstreiber wird das Projekt „PhaseOut“ in Kooperation mit dem Innovationslabor RENOWAVE.at auch Initiator und Beschleuniger für die serielle Sanierung von mehrgeschoßigen Bestandswohngebäuden nicht nur in Österreich sein, um einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ausstieg aus Gas voranzutreiben. Der Markt energetischen der Sanierung ist enorm und die Notwendigkeit ist hoch.

Gut zu wissen: Projektdetails

Projektpartner:

Projektleitung:

Fabian Ochs
Universität Innsbruck, AB EEB
Technikerstraße 13
6020 Innsbruck
fabian.ochs@uibk.ac.at