Smart-Grid : Wie netzdienlich sind Wärmepumpen?
Netzverträglichkeit der Wärmepumpe
Die zunehmende Elektrifizierung im Rahmen der Klima- und Energiestrategie „Mission2030“ der österreichischen Bundesregierung stellt die Übertragungs- und Verteilernetze vor große Herausforderungen, die erhebliche Investitionen erfordern. „Neben dem konventionellen Netzausbau kommen zunehmend intelligente, digitale Netzkomponenten zum Einsatz“, sagt Johannes Hofer, Unternehmenssprecher der Vorarlberger Energienetze GmbH und nennt regelbare Transformatoren mit dazugehöriger Messtechnik für Steuerung und Monitoring als Beispiel.
Beim Vorarlberger Netzbetreiber könnten Flexibilitäten – so die Bezeichnung von Erzeugungs- bzw. Verbrauchseinheiten wie beispielsweise Wärmepumpen, Ladestellen, PV-Anlagen – künftig sowohl markt- als auch netzdienlich eingesetzt werden. „Erste Studien zeigen, dass das größte netzdienliche Potenzial bei den Ladestellen liegt“, so Hofer. Untersuchungen sollen das Potenzial ermitteln, das stark abhängig ist von vielen Einflussfaktoren, beispielsweise rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen oder Tarifen, die aktuell nicht finalisiert sind. Laut Hofer zeigen weitere Veröffentlichungen auch bei Wärmepumpen ein Flexibilitätspotenzial, das Vorarlberg Netz untersuchen wird.
„Aus unseren Untersuchungen und Netzberechnungen geht hervor, dass auch Wärmepumpen ein Treiber für den Netzausbau sind, jedoch derzeit nicht in dem Ausmaß, wie es beispielsweise für PV-Anlagen und E-Mobilität zu erwarten ist." Das Thema der Wärmepumpe ist jedenfalls im Kontext der Netzverträglichkeit – Leistungsspitzen, Anlaufströme, Taktung – zu prüfen: „In diesem Zusammenhang können eine ‚Smart-Grid-Fähigkeit‘ beziehungsweise Flexibilitäten immer netztechnisch hilfreiche Komponenten sein“, so das Statement von Kärnten Netz.
Die Smart-Grid-Ready-Fähigkeit von Wärmepumpen bietet die Möglichkeit, den Verbrauch von Wärmepumpen mit der Erzeugung abzustimmen.Florian Kohl, Wiener Netze
Begrenzter Ausgleich im Stromnetz
Das sieht Florian Kohl, Experte für Netzdigitalisierung bei den Wiener Netzen, ähnlich: „Die Smart-Grid-Ready-Fähigkeit von Wärmepumpen bietet die Möglichkeit, den Verbrauch von Wärmepumpen mit der Erzeugung abzustimmen. Da durch diese Abstimmungen ein geringerer Strombedarf der Kund*innen entsteht, wird auch das Stromnetz entlastet oder werden Netzspitzen abgeflacht.“
Wer reguliert die Wärmepumpen?
In Wels sind derzeit circa 880 Wärmepumpen mit einer durchschnittlichen Leistung von rund 3,5 kW im Einsatz. Wärmepumpen haben teilweise einen unterbrechbaren Stromtarif, womit technisch eine temporäre Abschaltung der Pumpen möglich wäre. Laut Josef Stadler, Abteilungsleiter Betriebsführung Strom / Technischer Betriebsleiter Stromnetz der eww ag, muss man allerdings die Frage stellen: Wer steuert? Der Verteilernetzbetreiber oder der Handel?
„Steuerungen aufgrund von marktgetriebenen Preissignalen durch den Handel bedingen eine hohe Gleichzeitigkeit und demnach eine starke Belastung in den Stromnetzen. Demgegenüber steht eine lokale Steuerung durch den Verteilernetzbetreiber, um beispielsweise lokale Spannungsprobleme in den Griff zu bekommen“, erklärt Stadler.
Aus der Praxis von ÖkoFEN: Optimiert ökologisch
Biomasse-Vorreiter ÖkoFEN macht auch im Wärmepumpensegment durch Pioniergeist von sich reden. „Unsere neue Wärmepumpe GreenFOX erkennt – auf Basis von Wetter- und CO2-Daten, Strombörsenpreisen und PV-Erträgen – von selbst, wann der Strom nicht nur günstig, sondern auch sauber ist. Damit wird der Strombezug ökologisch optimiert“, heißt es aus dem oberösterreichischen Niederkappel.
Wärmepumpen und Netzbetreiber können über Smart-Grid-Schnittstellen zusammenarbeiten, um das Netz vor Überlastung zu schützen.Stefan Ortner, ÖkoFEN
Die regelungstechnische Eigenentwicklung ist zum Patent angemeldet. Die Technik dahinter unterscheidet sich grundlegend von vorhandenen Smart-Grid-Systemen. „Es gibt mehrere Wärmepumpen-Hersteller, die Smart-Grid-Schnittstellen anbieten. Smart-Grid-Schnittstellen geben den Netzbetreibern normalerweise die Möglichkeit, bei Netzüberlastung Verbraucher wegzuschalten. Der Netzbetreiber teilt der Wärmepumpe mit, sich kurzzeitig vom Netz zu trennen, um Lastspitzen auszugleichen und das Netz zu entlasten. Mit dem GreenMode werden hingegen die Betriebszeiten und Modulationsstufen der Wärmepumpe – abhängig vom zu erwartenden PV-Ertrag im Haus, den Wetterbedingungen am jeweiligen Standort und Live-Stromdaten – gesteuert. Die Wärmespeicher und die Trägheit des Wärmeverteilsystems sind in der Planung ebenfalls berücksichtigt“, erklärt Geschäftsführer Stefan Ortner das Alleinstellungsmerkmal.
„Wärmepumpen und Netzbetreiber können über Smart-Grid-Schnittstellen zusammenarbeiten, um das Netz vor Überlastung zu schützen. Mit dem GreenMode ist es uns gelungen, darüber hinaus einen maximal grünen und günstigen Betrieb der Wärmepumpe zu ermöglichen“, so Ortner.
Ovum hat einen eigenen Smart Meter im Portfolio, der misst, wie viel Überschuss – aufs Watt genau – vorhanden ist.Stefan Radinger, Ovum
Aus der Praxis von Ovum: Preisregulierter Betrieb
Ovum Heiztechnik aus Kirchbichl in Tirol hat im Gründungsjahr einen eigenen Weg der PV-Nutzung eingeschlagen. „Die SG-Ready Schnittstelle war bereits 2014 nicht ausreichend, um PV-Strom perfekt abzuarbeiten. Ovum hat einen eigenen Smart Meter im Portfolio, der misst, wie viel Überschuss – aufs Watt genau – vorhanden ist. Die Wärmepumpe bekommt diese Informationen mitgeteilt und kann den Überschuss, ebenfalls aufs Watt genau, abarbeiten. Dieses System funktioniert unabhängig vom Hersteller der PV-Anlage und es ist egal, ob das System mit oder ohne Batteriespeicher ausgeführt ist. Es funktioniert immer“, erklärt Ovum-Vertriebsleiter Stefan Radinger.
Für den Tiroler Energieexperten ist die beste Lösung, um Stromnetze zu entlasten, die Anpassung des Verbrauchs der Wärmepumpe nach dem Strompreis. „Durch das Potenzial des freien Marktes werden Stromspitzen und Flauten im Netz bestens durch Wärmepumpen kompensiert. Wenn jede Wärmepumpe diese Funktion hätte, wäre die SG-ready Schnittstelle hinfällig“, so Radinger.
Aus der Praxis von Ochsner: PV-Boom steigert Nachfrage
Die erste, offiziell Smart-Grid-fähige Wärmepumpe, wurde laut Lukas Tupy, Vertriebsleiter Österreich bei Ochsner Wärmepumpen GmbH, bereits 2012 auf den Markt gebracht. „Theoretisch hatte die OTE Regeltechnik der Heizungswärmepumpen diese Funktion bereits seit 2008, also noch bevor der Begriff Smart-Grid geprägt wurde“, blickt Tupy zurück.
Wer sich für eine Smart-Grid-Ready Wärmepumpe entscheidet, plant zukunftssicher und ist vorbereitet, falls etwa eine PV-Anlage angeschlossen werden soll.Lukas Tupy, Ochsner
Ochsner bietet Smart-Grid-fähige Steuerungen für das gesamte Spektrum der Heizungs- und Warmwasser-Wärmepumpen sowie für die Großwärmepumpen der Ochsner Energietechnik an. Also auch, wenn die Smart-Grid-Funktionen noch nicht genutzt werden, so ist die Anlage auf jeden Fall dafür gerüstet. „Da Smart-Grids bisher nur in einigen Modellregionen umgesetzt sind, ist aktuell vor allem die Nutzung von Überschussstrom aus eigenen PV-Anlagen interessant, sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich. Die Nutzung über den Wärmepumpenprozess ist dabei nochmals effizienter als bei der Einspeisung über E-Heizstab. Zudem kann der Eigenstrom zur Kühlung im Sommer eingesetzt werden – das funktioniert mit dem E-Heizstab nicht“, heißt es aus Niederösterreich.
Im Zuge des Photovoltaik-Booms verzeichnet das Haager Unternehmen eine deutlich steigende Anfrage nach Smart-Grid. „Wer sich für eine SG-ready Wärmepumpe entscheidet, plant zukunftssicher und ist vorbereitet, falls eine PV-Anlage nachträglich aufs Dach kommt oder in Zukunft die Möglichkeit besteht, an ein Smart-Grid angeschlossen zu werden“, so Lukas Tupy.