Innovative Ansätze in Neubau und Sanierung : Thermische Bauteilaktivierung: Gebäude als flexibler Energiespeicher
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Der Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung sowie umfangreiche Möglichkeiten der Energiespeicherung sind zentrale Eckpfeiler einer notwendigen Energiewende. Die thermische Bauteilaktivierung kann hierbei eine wesentliche Schlüsselkomponente sein, da sie multifunktional als Wärme- und Kälteabgabesystem sowie als Speicher für fluktuierende Energieproduktion eingesetzt werden kann. Diese Anwendungen bieten nicht nur enormes Potenzial für die Integration erneuerbarer Energien und Abwärmen, sie unterstützen auch die Stabilisierung der Wärme- und Stromversorgungsnetze, versprechen hohe ökonomische Attraktivität und bestechen durch ihre Einfachheit in Umsetzung, Betrieb und Nutzung.
Speicherpotenzial von Gebäuden
Gebäude haben generell – ob mit oder ohne Bauteilaktivierung – ein gewisses Speicherpotenzial, welches abhängig von der Bauweise (Massiv- oder Leichtbau) und dem Dämmstandard ist. Dieses Speicherpotenzial wird jedoch nur dann nutzbar, wenn die Innenraumtemperatur in einem definierten Temperaturband geringfügig variieren darf. Je größer dieses zugelassene Temperaturband, desto größer ist das Speicherpotenzial. Dieses Speicherpotenzial in Abhängigkeit der Gebäudequalität wurde in einer Simulationsstudie abgeschätzt.
Hierbei zeigte sich, dass auch Gebäude ohne Bauteilaktivierung bei einem zugelassenen Temperaturband von 2 Kelvin ein durchaus beachtliches Speicherpotenzial haben: An einem typischen Tag im Jänner dauert es zwischen 10 und 42 Stunden, bis ein entsprechendes Gebäude von 22 °C auf 20 °C operative Raumtemperatur ausgekühlt ist, wenn in dieser Zeit keinerlei Nachheizung stattfindet. Dies stellt bereits ein relevantes Speicherpotenzial dar. Werden bei denselben Gebäuden die Beton-Zwischendecken thermisch aktiviert, wird die Speicherdauer zumindest verdoppelt. Somit steht mit Bauteilaktivierung eine verhältnismäßig günstige und platzsparende (da bereits als Strukturelement verbaute) Speichertechnologie zur Verfügung, welche Leistungsspitzen bei der Wärme- und Kälteversorgung von Gebäuden aufgrund ihrer thermischen Trägheit wesentlich reduzieren kann. Dies wiederum entlastet die Wärme- und Kälteerzeuger lokal und auf Netzebene bzw. unterstützt den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. (siehe Abbildung 1)
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BTTAB – Breitentest
Um der thermischen Bauteilaktivierung in dieser noch sehr neuen Anwendung als Speicher zur beschleunigten Markteinführung zu verhelfen, soll im Zuge der nationalen F&E-Dienstleistung „BTTAB – Breitentest von energieeffizienten Demonstrationsgebäuden mit thermisch aktivierten Bauteilen“ einerseits Aufschluss über das Speicher- bzw. Energieflexibilitätspotenzial gegeben und andererseits wesentliche Erkenntnisse in Bezug auf Nutzer*innenkomfort, Nutzer*innenzufriedenheit, ökonomische Aspekte in Planung, Errichtung und Betrieb sowie Funktionalität der Prozessabläufe generiert werden.
Das Projektkonsortium, bestehend aus AEE INTEC, e7 Energie Markt Analyse GmbH, hacon GmbH, Interdisziplinäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur, Fachhochschule Salzburg GmbH sowie FIN – Future Is Now, wählte 18 Demonstratoren in ganz Österreich aus, welche den Kriterien des Auftraggebers (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) gerecht werden. Dazu zählen beispielsweise, dass die Projekte alle die Bauteilmasse als aktiven Energiespeicher nutzen, alle Bundesländer mit Demonstratoren vertreten sind und die Gebäude bisher noch nicht wissenschaftlich untersucht wurden.
Abbildung 2 zeigt die hohe Diversität der ausgewählten Demonstratoren hinsichtlich Nutzung und den Bundesländern zugeordnet. Des Weiteren wurde darauf geachtet, dass unterschiedliche Bauweisen und aktivierte Materialien (Beton, Ziegel, Holz), verschiedenste Arten der Integration erneuerbarer Energien sowie unterschiedliche Ausgangssituationen (Neubau, Bestandssanierung) im Portfolio vertreten sind.
Im Gegensatz zu vielen bisher bekannten Studien zur Technologie „Bauteilaktivierung“, welche wesentlich auf Simulationsergebnissen beruhen, werden die Gebäude im Zuge dieser Dienstleistung ausschließlich basierend auf Messdaten analysiert und bewertet. Von zentralem Interesse sind hierbei die Behaglichkeit bzw. der Nutzer*innenkomfort (Raumtemperatur, Schall, Luftfeuchte), das optimale Zusammenspiel des Bauteilspeichers mit regenerativen Energien sowie die Feststellung der tatsächlichen Ausnutzung des vorhandenen Speicherpotenzials. Für die Bewertung dieser Parameter werden vom Projektteam aussagekräftige Indikatoren entwickelt (Key Performance Indicators = KPI), die auf eine möglichst große Breite bauteilaktivierter Gebäude anwendbar sind. Diese KPIs erleichtern Umsetzern und Branchenbetrieben zukünftig Planung, Umsetzung und Optimierung solcher Objekte und fördern das Vertrauen von Investor*innen durch bessere Planbarkeit und Bewertungsmethoden.
Nutzer*innen im Mittelpunkt –
Innenraumkomfort und sozialwissenschaftliche Befragungen
Ergänzend zu einer ganzjährigen Erfassung von Raumlufttemperatur und Luftfeuchte in ausgewählten Räumen jedes Demonstratorgebäudes werden viermal im Jahr (Hochsommer, Hochwinter, zweimal Übergangszeit) detaillierte Temperaturmessungen der Raumhüllflächen durchgeführt. Dabei werden pro Hüllfläche zumindest vier Punktmessungen durchgeführt, bei Besonderheiten wie beispielsweise Fenstern werden weitere Punkte erfasst. Mithilfe dieser Messungen können in weiterer Folge die operative Raumtemperatur bestimmt sowie grobe (Strahlungs-)Asymmetrien erkannt werden.
Um einen noch tieferen und detaillierteren Einblick in die Behaglichkeit von bauteilaktivierten Gebäuden zu bekommen, werden in sechs Gebäuden unterschiedlicher Anwendung (Gewerbe, Universität, Büro, Wohnhausanlage, Konferenzräumlichkeiten) spezielle Messaufnehmer über einen Zeitraum von jeweils zwei Wochen im Sommer und im Winter positioniert, welche neben der operativen Raumtemperatur auch Luftgeschwindigkeit, Luftfeuchte und Temperaturen in unterschiedlichen Höhen erfassen und so eine noch detailliertere Bewertung des Innenraumkomforts ermöglichen. Ergänzend zum Energie- und Behaglichkeitsmonitoring wurde ein spezielles Konzept zur Befragung und der Analyse der subjektiven Zufriedenheit der Gebäudenutzer*innen entwickelt, das bei den 18 Demonstrationsgebäuden angewendet wird. Gezielte Befragungen der beteiligten Akteur*innen (Investor*innen, Planer*innen, Ausführende) runden die Schaffung einer fundierten Wissensbasis ab. Darauf aufbauend werden die Erkenntnisse und Empfehlungen in einem Leitfaden für potenzielle Entscheidungsträger*innen aggregiert und veröffentlicht.
Bewertung von Regelungsstrategien und Speicherpotenzial
Sowohl die Bewertung der unterschiedlichen Regelungsstrategien sowie die Ausnutzung des Speicherpotenzials Mithilfe einer Kennzahl stellt ein interessantes Problem dar, da einerseits ein geeigneter Vergleichswert zu definieren ist und andererseits auch eine passende Berechnungsmethode zu entwickeln ist. Simulationen jedes einzelnen Gebäudes sind in diesem Projekt nicht vorgesehen, daher sind andere Methoden heranzuziehen. Für beide Probleme arbeitet das Projektteam noch an der Entwicklung geeigneter Berechnungsmethoden und Darstellungsmöglichkeiten.
Zur Bewertung des Speicherpotenzials wird eine Analogie zu Batteriespeichern erarbeitet und versucht, dort bekannte Parameter wie „Kapazität“ und „äquivalente Vollzyklen“ auf den Bauteilspeicher zu übertragen. Die Evaluation der Regelungsstrategien zur möglichst effizienten Ausnutzung des vorhandenen Speicherpotenzials erfolgt zunächst anhand von Zeitreihenanalysen der Messdaten. Außerdem wird an der Neuentwicklung einer Kennzahl gearbeitet, die die vorliegende Regelungsstrategie mit einer Regelungsstrategie für klassische Fußbodenheizungen vergleicht.
Gut zu wissen: Status des Projekts
Neben den vielen vorbereitenden Arbeiten konnte die Monitoringperiode für die ersten drei Objekte gestartet werden. Mit ersten Ergebnissen kann Ende 2023 gerechnet werden. Das voraussichtliche Projektende ist im Oktober 2024.