Sanieren mit vorgefertigten Elementen : Serielle Sanierung: Game Changer für den Gebäudebestand

Plus-Energie-Sanierung in Kapfenberg.

Plus-Energie-Sanierung in Kapfenberg.

- © Nussmüller Architekten ZT GmbH

Steigende Preise für fossile Energieträger und die Sorge vor einer kalten Wohnung führen vor Augen (von politisch problematischen Abhängigkeiten ganz abgesehen), was die zaghaften Anstrengungen der vergangenen Jahre, aktiv etwas im Gebäudebereich zur Erreichung der Klimaziele zu unternehmen, nicht geschafft haben.

Heizen mit vor allem Gas war gängig, einfach in der Planung, günstig und deshalb bis vor Kriegsbeginn in der Ukraine im Neubau nach wie vor ein beliebtes Mittel der Wahl für die Wärmeversorgung bzw. im Bestand mit ein Hinderungsgrund, umfassend in die Effizienz in Form einer hochwertigen thermischen Sanierung zu investieren.

Im Neubaubereich sorgen die vorgegebenen Baustandards, zusammen mit dem sehr wahrscheinlich anstehenden kompletten Ausstieg aus Gas nach dem EWG-Entwurf (keine Gasanschlüsse mehr im Neubau ab 2023), für die notwendige Weichenstellung. Den Gebäudebestand jedoch klimakompatibel zu ertüchtigen, ist herausfordernder und wird unter den aktuellen Rahmenbedingungen (Förderungen, Steuerrecht usw.) nur schwer zu erreichen sein.

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Warum serielles Sanieren?

Tatsächlich ist die Sanierungsrate seit Jahren zu gering, um nur annähernd die Klimaziele in diesem Sektor zu erreichen. Das sollte sich nun schnell ändern – zumindest, wenn man politische Entscheidungsträger*innen reden hört! Aktuell führt die sprunghafte Nachfrage an Energiesparmaßnahmen, in Folge der hohen Energiepreise und kurzfristigen Versorgungsängste, sowie ansteigende Materialkosten in Kombination mit generell fehlenden Fachkräften zu hohen Kosten und verzögern den Ablauf, um all diese wortwörtlichen „Baustellen“ schnell angehen zu können.

Ein Lösungsansatz auf Sicht der nächsten Jahre könnte Digitalisierung gepaart mit modularem Sanieren sein. Dabei wird ein Großteil der Arbeit industriell via Vorfertigung in der Fabrik getätigt, wie es im Neubau z. B. durch die Fertighausbauweise schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Dadurch lässt sich der Sanierungsprozess, der herkömmlich nach wie vor zu einem Großteil aus Handarbeit besteht, beschleunigen, da die vorgefertigten Fassaden (inklusive Fenster) oder Dachsysteme vor Ort nur noch montiert werden.

Eine Vorfertigung von Elementen bietet sich deshalb im Sanierungsbereich speziell dort an, wo es sehr schnell gehen muss, z. B. während weniger Ferienwochen in Bildungseinrichtungen. Weitere Vorteile, die sich durch die maschinelle Fertigung im Idealfall ergeben, sind geringere Kosten und ein hoher Baustandard, da menschliche Fehlerquellen reduziert werden.

Erste Architekt*innen, wie von ARCH+MORE oder sandbichler architekten, haben schon erfolgreich Sanierungs-Projekte mit serieller Vorfertigung umgesetzt, wie das Altersheim Landeck oder die Wohnhausanlage Makartstraße in Linz.

Bei Bedarf kann auch die Heizungs- und Warmwasserversorgung sowie die Lüftung in die Gebäudehülle integriert werden. Dies hat den Vorteil, dass auch für die Bewohner*innen der zu sanierenden Gebäude die Sanierungs- und damit die Lärm- sowie schmutzbedingte „Leidenszeit“ durch beispielsweise Aufstemmen von Wänden oder Böden auf ein Minimum reduziert wird. In Österreich befassen sich daher diverse Forschungsprojekte mit der Integration der Haustechnik in die Gebäudehülle, wie z. B. FitNeS und PhaseOut.

>> Lesen Sie auch: Warum die Wohnhaussanierungen in Österreich stagnieren

Exemplarische Sanierung mit vorgefertigten Elementen.
Altersheim Landeck: Exemplarische Sanierung mit vorgefertigten Elementen. - © Sandbichler Architekten ZT GmbH

Vorteile einer seriellen Sanierung

  • Beschleunigter Sanierungsprozess
  • Geringere Kosten
  • Hoher Baustandard, da menschliche Fehlerquellen reduziert werden
  • Heizungs- und Warmwasserversorgung sowie die Lüftung können in die Gebäudehülle integriert werden

Aktuelle Forschungsprojekte in Österreich

1. FitNeS (FFG):

Hier wird unter Beteiligung der Uni Innsbruck eine dezentrale, wohnungsweise Kleinstwärmepumpe mit fassadenintegrierter Außeneinheit entwickelt, getestet und umgesetzt. Für eine minimalinvasive serielle Renovierung kann die Fassadenintegration von entscheidender Bedeutung sein, wenn beispielsweise die Wohnungsgröße eine Installation innerhalb der Wohnung schwierig bzw. unmöglich macht oder im dichtbesiedelten urbanen Umfeld die Erschließung von geeigneten Wärmequellen zu aufwendig ist.

Eine der größeren Herausforderungen bei der Fassadenintegration ist die Zugänglichkeit für Wartung und Reparatur. Wenn der Zugriff jedoch von außen sichergestellt werden kann (Laubengang, Balkon, Steiger etc.), kann es zum Vorteil im Vergleich zu der wohnungsweisen Installation werden, da weitgehend unabhängig von den Mieter*innen agiert werden kann.

2. „Wohnen findet Stadt"

Das unter Beteiligung der FH Salzburg durchgeführte „Wohnen findet Stadt”, setzt einen anderen Schwerpunkt und entwickelt teils vorgefertigte, multifunktionale Fassadenelemente, die mit Bauteilaktivierung und Schallabsorber ausgerüstet sind. Dadurch kann unter Inkaufnahme von geringfügig höheren Wärmeverlusten ein Flächenheizsystem nachträglich zum Einsatz kommen, ohne in den Wohnungen den kompletten Bodenaufbau erneuern zu müssen, wie es bei nachträglicher Installation einer Fußbodenheizung der Fall wäre.

3. Energieraumplanung Kapfenberg

Mit der Zielsetzung, lokal mehr Energie zu erzeugen als verbraucht wird, wurde bei dem Projekt der Sanierung eines Mehrfamilienhauses aus den 1960er Jahren in Kapfenberg eine hohe Messlatte gesetzt. AEE INTEC, zuständig für das Energiekonzept, und ihre Projektpartner setzten dabei erfolgreich auf vorgefertigte Fassadenelemente mit integrierten aktiven Solarmodulen, die neben den Dachflächen auch in der Fassade eingesetzt wurden.

Abseits von Forschungsprojekten fehlt es allerdings an replizierbaren Beispielen von serieller Fertigung im Sanierungsbereich. Im Neubaubereich gibt es durchaus namhafte Firmen, die auf serielle Fertigung setzen, exemplarisch sei der LifeCycle Tower ONE in Dornbirn genannt. Ähnliche Konzepte für die Sanierung zu forcieren war bisher entweder kein Thema, technisch zu herausfordernd oder schlicht zu wenig lukrativ, denn außer zaghafter Versuche diverser Anbieter sich zu positionieren, ist wenig passiert.

© Ingo Bartussek - stock.adobe.com

So sanieren andere EU-Länder

In anderen Ländern hat man die Notwendigkeit sowie das Potenzial bereits erkannt. So hat das Energiesprong-Konzept* ausgehend von den Niederlanden schon Verbreitung in den angrenzenden Ländern gefunden. In Deutschland ist die Deutsche Energie-Agentur (dena) die treibende Kraft, um den Ansatz gemeinsam mit willigen Unternehmen für den heimischen Markt anzupassen und zu etablieren. Oberstes Ziel ist, Klimaschutz und bezahlbares Wohnen in Einklang zu bringen, indem die NetZero-Sanierungen für Mehrfamilienhäuser warmmietenneutral umsetzbar werden.

Die bestehenden Rahmenbedingungen tragen erste Früchte – ein Beispiel hierfür ist ecoworks, ein Start-up aus Berlin. Ecoworks haben nach eigenen Angaben ein skalierbares Produkt zur Marktreife entwickelt, um die energetische Sanierung zu digitalisieren und industrialisieren. Dadurch soll die Wohnungswirtschaft fundamental verändert werden und rasch der Wandel von energiekonsumierenden hin zu CO2-neutralen Effizienzhäusern gelingen. Erste Realisierungen sind in Deutschland bereits erfolgt oder gerade in Umsetzung. Um die Eignung für den Einsatz von seriellen Sanierungsmodulen abzuschätzen, hat ecoworks 100 Kriterien entwickelt. Nur wenn mehr als 90 Prozent dieses Kriterien-Sets erfüllt ist, wird das Projekt umgesetzt.

Schaut man sich die bisher realisierten Beispiele an, so wird rasch deutlich, dass sich vor allem Reihenhäuser mit einfachen Grundrissen und klar strukturierten Fassaden eignen. Typischerweise sind dies Gebäude aus der Bauperiode von 1950 bis 1980. Dieser Gebäudetypus macht in Österreich ungefähr 10 Prozent aller zu sanierender Gebäude aus. Damit wird deutlich, dass die serielle Sanierung kein Allheilmittel darstellt, aber ihren Beitrag leisten kann. Interessant wären sicherlich auch diverse Typen von Fertighäusern und Siedlungen im Einfamilienhaus-Bereich, die aus denselben Baukörpern bestehen. Hier müsste die Planung nur einmal getätigt werden, die Umsetzung wäre dann übertragbar auf alle anderen Gebäude des gleichen Typus!

⇨ Die Frage bleibt aber: Wer traut sich in Österreich, diesen innovativen Pfad zu bestreiten und in den Aufbau und Know-how zu investieren und damit zu einem Vorreiter der seriellen Sanierungswelle zu werden?


*Der Begriff kommt aus dem Niederländischen und bedeutet "Energiesprung". Das Konzept will die energetische Sanierung von Wohngebäuden schneller, weniger kostenintensiv, nachhaltig und mieterfreundlich gestalten.