Wirtschaftslage am Bau in Österreich 2023 : Konjunkturdelle, Rezession – oder eine Chance für die Gebäudetechnik?
Die monatliche Bestandsaufnahme des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO für den September 2023 trug die Überschrift „Konjunkturaussichten bleiben überwiegend pessimistisch“. Blickt man auf die Bauwirtschaft und sucht entsprechende Daten bei der Statistik Austria, springt die Überschrift ins Auge „Wohnbautätigkeit bremst sich ein“.
Und versucht man noch tiefer in die Gebäudetechnik hineinzublicken, lässt sich „Trüber Ausblick für 2024“ finden – dieser Satz steht in der Halbjahresbilanz des Wärmepumpenverbands von diesem Sommer, ließe sich aber auch auf viele andere Branchensegmente der Gebäudetechnik umlegen. Was ist da also los in der Branche – stehen wir vor einer Rezession, ist es eine Konjunkturdelle, oder normalisiert sich die Wirtschaftslage nach den außergewöhnlich guten letzten Jahren einfach wieder?
Wir sehen, dass nach vielen Jahren des Optimismus die Stimmungslage aktuell schlecht ist und sich weiter verschlechtert.Michael Klien, Bau- und Wohnungsexperte des WIFO
Zinserhöhung wiegt schwer
„Wir sehen, dass nach vielen Jahren des Optimismus die Stimmungslage aktuell schlecht ist und sich weiter verschlechtert. Die letzten Daten lassen vermuten, dass wir 2023 einen stärkeren Rückgang erleben als ursprünglich erwartet“, sagt Michael Klien, Bau- und Wohnungsexperte des WIFO.
Die Gründe dafür sind bekannt: Im Jahr 2022 kamen mit dem Ukraine-Krieg, den darauf folgenden Energie- und Baukostensteigerungen, den Nachwehen der Corona-bedingten Lieferketten-Problematik und dem Zusammenspiel aus Zinssteigerungen bei gleichzeitiger Verschärfung der Kreditvergabe-Richtlinien gleich mehrere Schocks gleichzeitig auf die Bauwirtschaft zu, die sich rasch auf Auftrags- und Stimmungslage niedergeschlagen haben.
Am stärksten betroffen ist der Wohnbau, wo der Neubau massiv zurückgegangen ist. Wurden 2019 noch über 84.000 Wohneinheiten baubewilligt, so ist die Zahl 2022 auf knapp 59.000 zurückgegangen, Tendenz heuer weiter fallend. Doch welcher der angeführten Schocks hat sich am stärksten ausgewirkt?
Dazu hat Michael Klien eine klare Meinung: „Man kann den Effekt der Zinserhöhung nicht überschätzen!“ Einen Baukostenschock habe es wegen der Lieferketten-Thematik zuletzt 2021 gegeben, doch der habe der Nachfrage lediglich einen kleinen Dämpfer versetzt.
Klien: „Durch das Steigen der Zinsen, durch die Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Bauvorhaben, ist die Nachfrage massiv weggebrochen.“ Wegen der fehlenden Bauprojekte müsse sich die Baubranche auf eine längere Talsohle einstellen, aus der selbst einzelne Konjunkturprogramme nicht raushelfen könnten: „So viele schubladenfertige Projekte gibt es einfach nicht“, so Klien.
Das Minus am Bau kommt zur Gänze aus dem Neubau, es wird durch robuste oder sogar leicht zunehmende Sanierungsnachfrage zumindest zum Teil kompensiert.Michael Klien, Bau- und Wohnungsexperte des WIFO
Warum die Sanierung nicht einbrechen wird
Doch für die Gebäudetechniker*innen gibt es auch gute Nachrichten. Das Jahr 2023 werde nämlich mit einem Rekordjahr mit den meisten Wohnungsfertigstellungen seit mindestens zehn Jahren abschließen. Hier wirkt sich noch der Höchststand an Baubewilligungen aus, die von 2017 bis 2019 ausgestellt und im ersten vollständigen Nach-Corona-Jahr 2023 erst wirklich fertig gestellt werden können.
„Die Delle im Neubau war also absehbar, aber die genannten Schockfaktoren haben dafür gesorgt, dass es keine sanfte Landung geworden ist“, sagt der Wohnbauexperte. Dass die Rückgänge im Neubau die Gebäudetechnik-Branche heuer noch nicht wirklich treffen, sondern erst zeitverzögert 2024 eintreffen werden, ist eine große Chance für die Branche, nur mit einem blauen Auge davonzukommen: Denn es ist noch Zeit, auf den Hoffnungsmarkt Sanierung umzuschwenken.
„Das Minus am Bau kommt zur Gänze aus dem Neubau, es wird durch robuste oder sogar leicht zunehmende Sanierungsnachfrage zumindest zum Teil kompensiert“, analysiert Klien. Bei sanierungsnahen Baunebengewerken wie Heizungsbau oder Elektrotechnik erwartet er 2024 sogar eine Ausweitung der Zahl der Beschäftigten. So habe hier der Energiekostenschock die Nachfrage am Heizungssektor sogar belebt: Die Rückgänge, die der Heizungssektor im Moment im Vergleich zum Vorjahr verspürt, können als Normalisierung eines überhitzten Marktes betrachtet werden.
Der WIFO-Experte sieht neben dem Energiekostenschock aber noch einen zweiten Grund dafür, dass die Sanierung nicht einbrechen wird: „Dafür sorgen schon die europäischen Rahmenbedingungen in Richtung Dekarbonisierung.“ Speziell der Heizungssektor, aber auch andere sanierungsnahe Gewerke werden seiner Erwartung nach daher stabil bleiben oder sogar zulegen. Und das sind gute Nachrichten angesichts von Rahmenbedingungen, die für den Neubau auch mittelfristig keine allzu positiven Aussichten zeigen: „Die modellgestützte Mittelfristprognose über 2024 hinaus zeigt für 2025 bestenfalls Stabilisierung oder leichte Rückgänge, also keine Trendwende. Der Bau ist eine träge Branche, bis es wieder stärkeres Wachstum gibt, wird es eine Zeit brauchen."