75 Jahre Konvekta : „Wir quetschen die Zitrone wirklich ganz aus“
Seit Konvekta in Österreich vertreten ist, ist Amir Ibrahimagic hierzulande das Gesicht des Schweizer Unternehmens. Er startete als Verkaufsleiter für Österreich und ist inzwischen Managing Director für Konvekta Austria sowie neuerdings Head of Sales für Europa. Ein Gespräch mit dem ehemaligen Hauptfeldwebel der Schweizer Armee über Pünktlichkeit diesseits und jenseits der Grenze, europäische Papiertiger, elektrische Wärmeerzeugung in den USA und die Unmöglichkeit, Soft- von Hardware bei Konvekta zu trennen.
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Österreich und die Schweiz: Servus trifft auf Gruezi
TGA: Was sind für Sie die Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz? Über die beiden Länder sagt man gerne, sie würde Rücken an Rücken leben und nicht viel voneinander wissen. Erleben Sie das auch so unterschiedlich?
Amir Ibrahimagic: Die beiden Länder sind sehr nahe beieinander, aber haben eine andere Ausrichtung. Die Schweiz ist stärker in sich zurückgezogen und schottet sich mehr ab, auch technisch. Österreich ist offener, zudem in Richtung Deutschland und die EU orientiert, während in der Schweiz französische und italienische Einflüsse schon allein durch die Sprachgruppen stärker sind. Für das, was wir als Konvekta machen, gibt es in der Ausführung aber wenig Unterschiede.
Wie tut man sich als Schweizer am österreichischen Markt? Wo war da für Sie der größte Anpassungsbedarf?
Ibrahimagic: Ich bin herzlich aufgenommen worden, Österreicher sind offener gegenüber Neuen als die Schweizer, auch in der Kommunikation. So schnell wie in Österreich wird man in der Schweiz nicht integriert. Auch das speziell im Osten Österreichs die akademische Viertelstunde Verspätung üblich ist, daran musste ich mich anpassen. In der Schweiz wäre das ein Killerkriterium, fünf Minuten vor der Zeit ist des Schweizers Pünktlichkeit.
Sie waren vor der Zeit bei Konvekta beim Schweizer Militär? Was haben Sie dort gelernt und mitgenommen?
Ibrahimagic: Ich war Hauptfeldwebel und in dieser Funktion für Logistik und Materialwirtschaft zuständig. Meine Einheit hatte 280 Personen, und die führt man auch. Das ist ein Unterschied zur Rekrutenschule in Österreich, wo mehr Drill dabei ist. Im Schweizer Milizwesen rücken die Menschen immer wieder ein, da geht es nicht nur um Drill, sondern um Zielführung und um die menschliche und fachliche Qualität, die dafür nötig ist. Auch dass Personen aus allen Berufen und mit allen Hintergründen beisammen sind, hat mir den Blick geöffnet für den Umgang mit Menschen.

Wir haben fast in jedem Bundesland Anlagen errichtet, von Bregenz bis Oberpullendorf, da können wir schon stolz drauf sein.
Meilensteine für Konvekta in Österreich
Wie hat es Sie persönlich eigentlich nach Österreich verschlagen? Konvekta in Österreich, das ist untrennbar mit dem Namen Amir Ibrahimagic verbunden.
Ibrahimagic: Ich bin seit über 11 Jahren bei Konvekta, und das Unternehmen hat fast gleichzeitig begonnen, nach Österreich zu expandieren. Da hat es dann geheißen, Amir Du wohnst am nächsten beim Rhein, geh doch mal rüber und schau Dich um … nein, im Ernst: Erste Projekte in Österreich waren da, ich hatte die technische und kaufmännische Ausbildung, daher habe ich die Ehre erhalten, den Markt zu übernehmen.
Österreich ist ein relativ junger Markt für Konvekta. Was waren die Meilensteine dabei?
Ibrahimagic: Das war nach dem Markteintritt 2013 sicherlich die Gründung der Tochtergesellschaft 2019. Wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits eine Anzahl an Projektgrößen, das war der richtige Moment, mit der Tochtergesellschaft auch zu zeigen, dass wir nach Österreich gekommen sind, um zu bleiben. Wir haben heute bereits über 100 Anlagen gebaut, für eine kleine Firma wie uns sind 10, 11 Anlagen pro Jahr richtig viel, Tendenz wachsend. Wir haben fast in jedem Bundesland Anlagen errichtet, von Bregenz bis Oberpullendorf, da können wir schon stolz drauf sein.
Über den Preis kann man mit Produktionsstandort Schweiz nicht wirklich mithalten.
Von Schlosserarbeiten zur Energierückgewinnung
Gehen wir zurück zu den Anfängen von Konvekta, die waren vor 75 Jahren ja recht konventionell und sind es auch in den ersten 26 Jahren der Unternehmensgeschichte geblieben …
Ibrahimagic: Das waren im Prinzip einfache „Schlosserarbeiten“, wenn man es aus dem heutigen technologischen Stand betrachtet. In den 70ern kam die Computerisierung auf. Dann kamen die ersten Software-Steuerungen in den 80ern, da waren wir rasch dabei bei der Entwicklung der ersten Kreislauf-Verbundsysteme für die Energierückgewinnung. Als die Digitalisierung in den 2000er-Jahren dann auch in der Industrie rasant Schwung aufgenommen hat, waren wir da schon gut aufgestellt und schon vorne mit dabei. Dies verhalf uns sehr, die heutige Position als weltweiter Technologieführer zu erreichen.
Warum hat Konvekta 1975 eine Software für die energetische Optimierung entwickelt, also sehr früh – war das eine Folge des Ölpreisschocks? Oder war das eine technische Begeisterung für die neuen Möglichkeiten der Computerisierung, ein persönlicher Schwerpunkt von Menschen im Unternehmen?
Ibrahimagic: Ausschlaggebend war die technische Begeisterung. Wir haben das Potenzial erkannt und auch die richtigen Techniker mit mathematischer Ausbildung an der ETH im Haus gehabt, die das entwickeln konnten. Damals war auch schon abzusehen, dass die Schweiz im Vergleich zur restlichen Welt immer teurer werden wird. Die Erkenntnis war, dass wir langfristig nicht mit den Produktionskosten für Wärmetauscher in unserem Anwendungsfall mithalten können, sondern optimieren müssen und die Mehrwerte der höheren Qualität und projektspezifischen Herstellung auch klar darlegen müssen. Über den Preis kann man mit Produktionsstandort Schweiz nicht wirklich mithalten.
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Auch mit dem ersten war Konvekta 1993 ein Pionier. Was war da der Grund für die Entwicklung?
Ibrahimagic: Wir hatten ursprünglich eigene Berechnungen angestellt, dann kamen aus den USA erste Programme für die Berechnung des Energieverbrauchs von Kältemaschinen. Wir haben das dann für Lüftungsanlagen und Energierückgewinnung adaptiert und eine eigene Software geschrieben. Um den Return on Investment darzustellen, braucht es konkrete Zahlen. Damals war es die freie Wahl von Kunden, sich aus wirtschaftlichen Gründen für Energierückgewinnung zu entscheiden. Heute ist eine minimale Effizienzgröße Pflicht.
Welche „Pflicht“ sprechen Sie damit an?
Ibrahimagic: Es gibt die Ökodesign-Richtlinie für die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte. Für uns gilt die Richtlinie 1253/2014 für Lüftungsanlagen, an die müssen wir uns halten. Diese schreibt Grenzwerte für die minimale Effizienz von trockenen Rückwärmezahlen vor. Davor waren es gegebene Normvorgaben, die sind „good practice“ und waren nicht gesetzlich verpflichtend. Dies hat sich in der EU mit der Richtlinie wesentlich geändert.

Wir werden kopiert, aber ich habe noch keinen gesehen, der uns nachkommt.
Hand in Hand: Soft- und Hardware
Konvekta hat Ende der 1990er einen eigenen Controller entwickelt, und die Entwicklung ging so weiter: Wie würden Sie die Kernkompetenz des Unternehmens heute definieren? Ist das noch Maschinenbau, oder schon Software-Entwicklung?
Ibrahimagic: Wir sind ein Komplettsystem-Lieferant für die Energierückgewinnung in der Lüftung und dabei Technologieführer. Man kann Soft- und Hardware da nicht trennen, das ist unbedingt in Kombination zu sehen. Wir machen beides selber und garantieren daher optimales Zusammenspiel. Wir werden kopiert, aber ich habe noch keinen gesehen, der uns nachkommt. Das heißt für mich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wäre es leicht, Energierückgewinnungs-Systeme zu kopieren?
Ibrahimagic: Auf dem Papier ja, da kann man das schon so hinrechnen. Das macht uns in der Angebotsphase beim Kunden manchmal Mühe. Aber für die Umsetzung braucht es Ingenieurwissen. Wir bauen den Wärmetauscher nach der Software, nach den exakten Berechnungen, und den Controller bauen wir dann passend dazu. Die meisten Mitbewerber stellen sich die Systeme modular aus verschieden Komponenten und von verschiedenen Herstellern zusammen, da sind automatisch auch ganz viele Fehlerpotenziale eingebaut. Unser System ist auf den jeweiligen Anwendungsfall gezielt gerechnet und hergestellt worden. Dadurch liegen höhere Energie-Einsparungen im Betrieb von über 20 Prozent drin.
Ist bei der Energierückgewinnung schon der Plafond erreicht, oder wäre mehr möglich?
Ibrahimagic: Unser System kann viel komplexere Anlagen darstellen als in der Realität umgesetzt werden. Wir könnten bis zu sieben Zuluft-Anlagen ohne Probleme auf einer Wärmerückgewinnung darstellen, normalerweise werden kaum mehr als zwei gebaut. Dazu kommt die theoretische Nachberechnung aller Werte, und das Konvekta-Auge zeigt genau an, wo die Verluste sind. Das ist so wie wenn ein Auto nur 6 Liter verbrauchen sollte, aber 8 braucht – unser Auge zeigt an, wo und warum die zusätzlichen zwei Liter verbraucht wurden. Das ist quasi ein Sorglospaket. Damit ist unserer Technik wahrlich nur die umsetzbare Physik als Grenze gesetzt.
Wir könnten bis zu sieben Zuluft-Anlagen ohne Probleme auf einer Wärmerückgewinnung darstellen.
EU-Vorschriften und Marktentwicklung im Lüftungsbereich
Was ist derzeit der größte Markt für Konvekta?
Ibrahimagic: Die USA. Dort sind wir auch erst 2010 eingetreten, machen aber rund 70 Prozent unseres Gesamtumsatzes in Nordamerika. Am stärksten sind wir dort bei Universitäten, wir haben von Harvard bis zum MIT alle namhaften Unis als Stammkunden. Dahinter folgt die Pharma-Branche und als drittes die Krankenhäuser. In Mitteleuropa ist es umgekehrt, da sind die Krankenhäuser unser größter Markt vor der den Pharma-Unternehmen. Wir starten auch gerade in China, wo wir den Markt ebenfalls stark entwickeln. Erste chinesische Universitäten sind dort schon unsere Kunden, nicht nur westliche Bauherren, was dort doch einiges bedeutet.
Sie sind seit 2023 auch für das Business Development der Konvekta-Gruppe verantwortlich: Wohin sollen sich die Geschäfte entwickeln, und was für Hindernisse gibt es dabei?
Ibrahimagic: Wir gehen derzeit nach Skandinavien und nach Großbritannien, da haben wir erste Projektanfragen. Wir stehen in diesen Regionen etwa dort, wo wir in Österreich vor 11 oder 12 Jahren waren. Was uns nicht in die Hände spielt, das sind die Energiepreise, die trotz dem Peak zu Beginn des Ukraine-Kriegs jetzt wieder deutlich abgeflacht sind. Die Gaspreise in Europa sind derzeit wesentlich günstiger als vor dem Ukraine-Krieg. Damit ist die Amortisation von Energierückgewinnungs-Systemen, wie auch generell jeder nachhaltigeren und effizienter Technik, schwieriger darstellbar, das schadet der Nachhaltigkeit.
Spielen Strategien wie der Green Deal und Europäische Regularien wie die EPBD Konvekta nicht auch in die Hände?
Ibrahimagic: Jein! Ja, die Richtung stimmt, aber das sind meistens Papiertiger. Wir haben Anfragen, da wissen wir schon, dass die nur wissen wollen, was die gesetzliche Vorgabe ist. Und wer prüft nach, was wirklich gebaut wird? Ich habe schon viele Systeme gesehen, die nennen sich nachhaltig und sind doch nur 0815-Lüftungsanlagen. Es würde Sinn machen, nach dem Bau einen Nachweis über den energieeffizienten Betrieb zu fordern, anstatt nur vorzugeben, was auf dem Papier zu planen ist. Das macht dann auch den Unterschied: Wir quetschen die Zitrone wirklich ganz aus.
Wie wichtig sind EU-Regeln für ein Schweizer Unternehmen, und auch für den Schweizer Markt?
Ibrahimagic: Auch wenn die Regeln nicht bindend für die Schweiz sind, wird da viel übernommen. Nur was Schweizer Eigenheiten widerspricht, zum Beispiel im Stromnetz, das ja bekanntlich auch eigene Steckdosen hat, wird national adaptiert. Da bleibt eine gewisse „Swissness“. Alle großen Schweizer Hersteller verdienen ihr Brot großteils in der EU, somit ist die Anlehnung auch von der Schweizer Industrie gewünscht. Damit wird auch der Schweizer Markt immer ähnlicher dem EU-Standard.
Ich habe schon viele Systeme gesehen, die nennen sich nachhaltig und sind doch nur 0815-Lüftungsanlagen.
Abluft als Primärenergiequelle
Wohin geht es in Zukunft? Wird die Kernkompetenz Energierückgewinnung ausgebaut und vertieft, oder soll das Produktportfolio verbreitert werden?
Ibrahimagic: Wir bleiben bei unserem Fach und erweitern das Produkt mit dem, was sinnvoll ist. Das ist zum Beispiel die Verbindung von Primärerzeugung und Wärmerückgewinnung, indem wir etwa die Abluft als Wärmequelle nehmen. Das erhöht die Anlageneffizienz und senkt den CO2-Fußabdruck noch weiter. Eine interessante Entwicklung gibt es da beispielsweise in den USA, wo in Massachusetts die Wärmeerzeugung bei größerer, nicht-gewerblicher Nutzung neuerdings ausschließlich elektrisch erfolgen soll. Da darf kein Gas oder ein anderer fossiler Energieträger genutzt werden, oder soll nur noch als Back-up zur Notversorgung dienen. Mit unserem System können wir die Abluft als Primärenergiequelle nutzen, das funktioniert sehr gut und ist effizienter und kostengünstiger als beispielsweise mit Erdwärme-Sonden.
Wären solche Projekte wie die in Massachusetts auch in Österreich denkbar?
Ibrahimagic: Für so ein Projekt braucht es eine gewisse Größe, die gibt es in Österreich seltener. Ein Problem in Österreich ist dabei auch, dass die Entwickler solcher Projekte die Objekte dann nicht selbst betreiben. Da ist das Interesse nicht so groß, hier in innovative Systeme zu investieren, die komplexer zu kalkulieren sind. Aber als Technologieführer sind wir in einer guten Lage und haben jetzt schon genug Projekte für 2025. Wir sind bei Energierückgewinnungs-Verbundsystemen ein echter „hidden champion“ mit den höchsten erreichten und nachgewiesenen Rückgewinnungswerten im Lüftungsbereich. Darauf sind wir sehr stolz, das bestätigt unser Tun tagtäglich.
