Kommentar : Energiepolitik in der Einbahnstraße - wie wir das Schachmatt verhindern können

Derzeit wird uns drastisch vor Augen geführt, wie verletzlich unsere auf einige wenige Lieferanten und Technologien ausgerichtete Energiepolitik ist. Nicht nur die geringe Anzahl der Gas-Lieferanten bilden bei der geplanten Energiewende ein hohes Risiko für Österreich, sondern auch die hohe Auslandsabhängigkeit - und die rein aus ideologischen Gründen bewusste technologische Reduktion der Energiewende auf die Stromproduktion aus Sonne und Wind.

Die Energieversorgung Österreichs basierte über Jahrzehnte hinweg aus einem Mix von unterschiedlichen Energieträgern und Technologien. Diese breite Aufstellung garantierte Österreich eine hohe Preisstabilität und Versorgungssicherheit. Und gerade in der für uns alle wichtigen Periode der Energiewende sollte man nicht von diesem Strategiepfad abweichen.

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Georg Patay
Dr. Georg Patay: "Die aus ideologischen Gründen bewusste Reduktion der Energiewende auf die Stromproduktion aus Sonne und Wind ist ein Risiko für Österreich." - © energy4rent

Werden durch die Maßnahmen CO2-Emissionen kurzfristig reduziert?

Die zentrale Kernfrage einer wirkungsvollen Energiepolitik muss daher lauten: „Werden durch die gesetzten Maßnahmen die CO2-Emissionen kurzfristig reduziert?“ Wenn nicht, dann sollte auf Alibi-Aktionen verzichtet werden. Eine auf Umweltorientierung und Versorgungssicherheit ausgerichtete Energiepolitik muss aber immer energieträger- und technologieoffen sein. Die Politik darf nur die Rahmenbedingungen vorgeben, jedoch niemals technische Lösungen. Denn Innovationen wurden noch nie von der Politik entwickelt, sondern nur von kreativen Unternehmen.

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Damit eine stabile Energieversorgung auch für die Jahrzehnte der Defossilisierungsphase gewährleistet ist, werden Investitionen in die Verteilnetze (Strom, Gas, Fernwärme und Fernkälte), in große Speicher aber auch in Redundanzkapazitäten erforderlich sein. Dieser Ausbau in die Infrastruktur kostet Geld und braucht Zeit, ist aber Garant für Versorgungssicherheit. Volkswirtschaftliche Schäden während dieses Energie-Shifts müssen unbedingt vermieden werden. Erst wenn das neu aufgebaute erneuerbare Energiesystem stabil funktioniert, sollte man das alte endgültig stilllegen.

Es zeichnet sich bereits jetzt ein massiver Engpass bei den Stromneuanschlüssen für umstellungswillige Wärmepumpen-Kund*innen ab.

Warum es ohne inländische Gaskraftwerke nicht gehen wird

Derzeit werden mehr PV- und Windanlagen installiert als je zuvor. Dennoch steigt der Gesamtstromverbrauch stärker an als der Grünstromanteil. Mit anderen Worten: Die CO2-Emissionen steigen weiter. Denn politisch will man sowohl bei den Heizungen einen Shift zu Wärmepumpen, den Verkehr in Richtung E-Mobilität und die Industrie in Richtung Zero Emission, das heißt in Richtung Strom drängen.

Diese Vorgangsweise ist nicht nur umweltpolitisch bedenklich, sie führt in Österreich auch zu einer höheren Importabhängigkeit bei gleichzeitigem Anstieg des Kohle- und Nuklearanteils und steigenden Strompreisen. Man muss zuerst die Inlandsstrom-Produktion, die Stromnetze und Speicherkapazitäten entsprechend ausbauen und dann erst den massiven Schwenk in Richtung Strom vollziehen. Eines ist aber jetzt schon Fakt: Ohne inländische Gaskraftwerke wird es beim forcierten Stromausbau nicht gehen.

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Redundanzkapazitäten aufbauen, Energieeffizienz erhöhen

Wir benötigen „flink“ reagierende Strom-Kraftwerke, die auf die volatilen Rahmenbedingungen rasch reagieren können und dadurch ein stabiles E-Netz gewährleisten. Es zeichnet sich bereits jetzt ein massiver Engpass bei den Stromneuanschlüssen für umstellungswillige Wärmepumpen-Kund*innen ab. Eine 100prozentige Energie-Autarkie ist realistischerweise sowohl in Europa als auch in Österreich nicht möglich, daher sollte man trachten, Redundanzkapazitäten wie Notkamine und Speicher (Gas, Wärme, Strom) aufzubauen und zur zusätzlichen Absicherung so viel Energie-Ressourcen wie möglich aus dem eigenen Land nutzen. Zusätzlich muss man die Energieeffizienz erhöhen und die Anstrengungen beim Energiesparen massiv vorantreiben.

„Bio-Fracking“ sollte für die österreichische Gasgewinnung angewendet werden!

Strategische Gasreserven mit Bio-Fracking nutzen

Warum Österreich die eigenen Gasvorkommen im Weinviertel oder im oberösterreichischen Molln als „Strategische Reserve“ nicht nutzt, ist mir unverständlich. Das von Prof. Hofstätter an der TU Leoben entwickelte „Bio-Fracking“-Verfahren sollte für die österreichische Gasgewinnung angewendet werden. Kommen doch nur bei diesem umweltfreundlichen Verfahren unbedenkliche Chemikalien wie Stärke und Calciumcarbonat (kohlensaurer Kalk) zum Einsatz. Stoffe, die derzeit in der Lebensmittelindustrie unbedenklich eingesetzt werden.

Mit Sicherheit wird man – je nach Bodenbeschaffenheit und Gesteinsschichten – das gleiche „Bio-Fracking“ Verfahren anwenden müssen, um die Geothermie nutzbar zu machen; speziell im Raum Wien. Wird es bei diesen Anwendungsfall auch dieselben Widerstände wie gegen die Gasgewinnung geben?

Energetische Artenvielfalt statt neuer LNG-Abhängigkeiten und De-Industrialisierung

Statt einheimische Gasreserven zu nutzen, beziehen wir lieber teures, „unsauber“ gewonnenes LNG aus den USA und von „Schurkenstaaten". Wir nehmen eine Herabstufung der österreichischen Bonität von der Rating Agentur Fitch durch die starke Russlands Energie-Abhängigkeit in Kauf. Teurere Kreditzinsen für Staatsanleihen werden die Folge sein. Abgesehen davon, dass auch etwa 30 Prozent der LNG-Schiffe, über die Europa im letzten Jahr einen großen Teil seines Gasbedarfes gedeckt hat, aus Russland stammen, handelt es sich hier um verflüssigtes Erdgas. Dieses muss mit hohem Energieaufwand auf minus 164°C gekühlt und in riesigen schwerölbefeuerten Schiffen über die halbe Welt transportiert werden. Wo bleibt hier der zuvor propagierte Klimaschutzgedanke und die Energiewende?

Ich hoffe nicht, dass es durch die mit Sicherheit anhaltenden hohen Energiepreise zu einer „De-Industrialisierung“ in Europa und zu einer Abwanderung unserer Industrie nach Amerika kommen wird. Erste Anzeichen hierfür gibt es leider bereits. Ohne grünem Gas (Biogas oder grünem Wasserstoff) und die Nutzung der eigenen Gasvorkommen, welches in die vorhandene Infrastruktur leicht eingespeist werden kann, kann der aus Sonne und Wind erzeugte Strom nie effizient genutzt werden. Denn die Volatilität der Erneuerbaren kann man nur mit „Energiediversität“ entgegenwirken. Die Natur zeigt uns dies perfekt durch ihre Artenvielfalt vor. „Energetische Artenvielfalt“ statt „Energie-Monokulturen“ aus Wind und Sonne, so muss die Philosophie einer nachhaltigen Energiepolitik lauten.