New Work für Ingenieurbüros : Planungsbüros auf dem Weg in die neue Arbeitswelt

Schon alleine die Gründung eines Ingenieurbüros in Österreich ist an anspruchsvolle Voraussetzungen gebunden. Wer ein Gewerbe als „beratender Ingenieur“ anmelden möchte, muss einen technischen Hochschulabschluss, mindestens drei Jahre facheinschlägige, berufliche Praxis sowie die sogenannte „Befähigungsprüfung“ nachweisen – oder zumindest einen HTL-Abschluss, dann aber sechs Jahre Berufspraxis plus Befähigungsprüfung.

Die fachliche Expertise der Ingenieurbüros und die Ansprüche der Kund*innen an die Qualität der technischen Dienstleistung ist also unverändert hoch – doch wie können die Ingenieurbüros auf die sich ändernde Arbeitswelt und sich ändernde demografische Rahmenbedingungen reagieren? Das ist das Thema des diesjährigen „plannING Day“, der am 6. und 7. Juni 2024 in Velden am Wörthersee über die Bühne ging.

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Die Probleme unserer Zeit werden Techniker lösen, nicht Politiker, Lehrer oder Soziologen.
Rainer Gagstädter, Fachverbandsobmann der Ingenieurbüros

Fachkräftemangel: Vor allem bei Akademiker*innen

Eine generelle Technikfeindlichkeit ortet Rainer Gagstädter, Fachverbandsobmann der Ingenieurbüro, in vielen Teilen unserer Gesellschaft: „Die Probleme unserer Zeit werden Techniker lösen, nicht Politiker, Lehrer oder Soziologen.“ Als Beispiele nennt er den sauren Regen, das Ozonloch, Umweltverschmutzung durch Abwässer und Abgase: „Das haben Techniker gelöst!“

Die Herausforderung der Zukunft sei die Dekarbonisierung, und auch hier sind die Lösungen technischer Natur. Für die Produktion und Verteilung von grünem Strom, sowie die Speicherung und Konversion in beispielsweise Wasserstoff werden viele Ingenieur*innen und technisch begeisterte Mitarbeitende benötigt, welche für dieses Thema brennen.

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Die Technikfeindlichkeit hat auch Auswirkungen auf den Nachwuchs an Techniker*innen. „Karriere mit Lehre“ sei natürlich wichtig, jedoch kann gerade die Umsetzung modernster Technologien nur durch Personen verwirklicht werden, die die volle Ausbildungslinie bis zum akademischen Abschluss hinter sich gebracht haben.

„Hier schaut es derzeit wirklich schlecht aus“, sagt der promovierte technische Chemiker Gagstädter. Abwanderung von Absolvent*innen ins Ausland und die schwierige Situation, ausländische Techniker*innen hier beschäftigen zu können, verschärfen dieses Problem. In diesem Bereich muss die Politik die Rahmenbedingungen verbessern. „Der Druck der Bevölkerungspyramide verstärkt dies noch zusätzlich“, so Gagstädter. Abhilfe kann hier nur eine Effizienzsteigerung sein, etwa durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Rainer Gagstädter, Fachverbandsobmann der Ingenieurbüros
Rainer Gagstädter, Fachverbandsobmann der Ingenieurbüros, ortet eine generelle Technikfeindlichkeit. - © Starmayr

New Work: Laissez-faire statt Beschränkung

Agiles Arbeiten, Work-Life-Balance, Homeoffice: Was noch vor 10 Jahren nach Utopie klang, ist heute selbstverständlicher Bestandteil der „schönen neuen Arbeitswelt“. Gagstädter hat dazu eine klare Meinung: Die Motivationskraft der Belegschaft zu stärken sei besser, als sie zu überwachen. „Ich habe gar keine Zeit, meine Mitarbeiter dauernd zu kontrollieren“, so der umtriebige Unternehmer, der auch die Einwände von vielen Arbeitgebern gegen das Homeoffice nicht nachvollziehen kann.

Natürlich ist der persönliche Kontakt wichtig, aber am wichtigsten ist es, dass die Arbeit erledigt wird. Schon mit einfachen Tools können die Leistungen der Mitarbeitenden ausreichend überblickt werden und durch die digitale Kommunikation sind Besprechungen und Rückfragen von Mitarbeitenden immer möglich. Mit diesem eigenverantwortlichen Arbeiten geht auch einher, dass die Mitarbeitenden das positive Feedback der Kund*innen selbst abholen – und natürlich auch das Lob der Chefetage, welches die Motivation stärkt.

Working at home, coworking space, concept illustration. Young people, m?n and wom?n freelancers working on laptops and computers at home. People at home in quarantine. Vector flat style illustration
Homeoffice hat sich besonders seit der Covid-19-Pandemie weit verbreitet. - © Marina Zlochin - stock.adobe.com
Der erste Mitarbeiter ist immer der schwerste.
Rainer Gagstädter, Fachverbandsobmann der Ingenieurbüros

EPUs: Ingenieurbüros müssen netzwerken

In Österreich sind rund 6.700 aktive Ingenieurbüros registriert. Doch die Mehrzahl davon sind keine Arbeitgeber-Betriebe – etwa 50 Prozent, so Gagstädter, seien Ein-Personen-Unternehmen (EPUs). Das ist in diesem Bereich keine neue Entwicklung, er selbst hat erst nach fünf Jahren Geschäftstätigkeit den ersten Mitarbeiter angestellt. Ein großer Schritt für jede*n Planer*in, bei der Entwicklung vom EPU zum KMU: „Der erste Mitarbeiter ist immer der schwerste“, so Gagstädter, der sich an die für ihn plötzlich völlig veränderte Arbeitssituation gut erinnert.

>>> Planung ist keine Nebenleistung!

Eine neue Entwicklung hingegen sei die zunehmende Komplexität der Projekte, die die Zusammenarbeit von immer mehr Gewerken nötig mache. Dass für die Erstellung einer Einreichung mehrere Ingenieurbüros zusammenarbeiten müssen, ist mittlerweile normal. Hier ortet der Fachverbandsobmann eine gewisse Scheu junger Büros, auf andere zuzugehen. Um das zu stärken, bietet der Fachverband viele persönliche Netzwerkveranstaltungen an, unter anderem eben den „plannING Day“. Auch die digitale INGoo.at-Plattform ist dafür prädestiniert, zu kommunizieren, sich selber darzustellen und gemeinsam an Ausschreibungen oder Projekten teilzunehmen.

Herausragende Projekte &
technische Lösungen einreichen!

TGA Planerwettbewerb 2024

Planen: KI statt Unterlagen wälzen

Komplexer werdende Projekte und weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter: Beim Blick auf den Arbeitsplatz Ingenieurbüro von morgen ortet Gagstädter viele Chancen in Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Denn gerade Planungsbüros würden viel mit Daten arbeiten und selber viele Daten produzieren, mit denen KI-Systeme gefüttert und angelernt werden können. Als Unternehmer müsse sich der Planer überlegen, was er aus den Daten herausholen wolle und wie er sie dafür aufbereiten müsse.

Ein Beispiel aus seinem Arbeitsumfeld als Chemiker nennt er die Einreichung von Lackieranlagen: Hier sind auch bei unterschiedlichen Anlagen die technischen Einreichunterlagen sehr ähnlich. Und doch seien bei jedem Projekt viele unterschiedliche Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzusuchen und in Form zu bringen. „Es wird möglich sein, einer KI beizubringen, diese Daten zusammenzusammeln und in geeignete Form zu bringen“, so die Hoffnung von Gagstädter. Die Kontrolle verbleibt beim Ingenieurbüro.

Der Fachverbandsobmann sieht in der Künstlichen Intelligenz also deutlich mehr Chancen als Risiken für die Planer*innen. In Oberösterreich, wo Gagstädter auch Fachgruppenobmann der Ingenieurbüros ist, gab es bereits ein KI-Seminar, um den Büros die möglichen Anwendungsgebiete näherzubringen. Optimistisch und mutig in die Arbeitswelt der Zukunft zu gehen, das sieht er als seine Aufgabe für die Ingenieurbüros.