Kreislaufwirtschaft im Bad : Sanitärkeramik: „Die Kreislaufwirtschaft ist technologisch gelöst"
Seit heuer ist Alfred Mittermair „Technischer Rat“. Mit diesem Berufstitel werden in Österreich Personen geehrt, die sich durch langjährige Ausübung ihres Berufs Verdienste um die Republik Österreich erworben haben. Geehrt werden können nur Personen, die als herausragende Vertreter*innen ihres Berufs gelten, bei denen hervorragende Leistungen auf dem jeweiligen Gebiet vorliegen und bei denen ein entsprechender Antrag gestellt wurde.
Oder, wie es Alfred Mittermair mit einem Schmunzeln formuliert: „Es ist ein Titel, den man natürlich nicht unbedingt braucht.“ Da Laufen-Vorstand Christian Schäfer aber darauf beharrte, Mittermair für seine außerordentlichen Leistungen auf diesem Weg seine Wertschätzung auszudrücken, nahm dieser den vom Wirtschaftsminister Martin Kocher verliehenen Titel sehr gerne an.
Vom Modellieren zur Bathroom Innovation
Bei Alfred Mittermair kann man fast schon von einer „Übererfüllung“ der Voraussetzungen für die Titelverleihung sprechen. Seine Karriere beim Sanitärkeramiker Laufen begann er an einem geschichtsträchtigen Montag, nämlich dem 2. August 1976 – einen Tag nach dem „schwarzen Sonntag“, mit dem Einsturz der Reichsbrücke und dem Feuerunfall von Niki Lauda am Nürburgring, trat er die Lehrstelle als Modelleur im Werk in Gmunden an.
47 Jahre später ging er ebendort als Werksleiter und Leiter Bathroom Innovations für die gesamte Gruppe in Pension. Bei Laufen war Mittermair als Produktionsdirektor für alle Werke weltweit verantwortlich und hat die technische Produktentwicklung geleitet, ehe er gegen Ende seiner Berufslaufbahn die Reisetätigkeit reduzierte und sich in Gmunden wieder auf die Innovationsthemen konzentrierte.
Saphirkeramik: Bruchfestigkeit als Schlüssel
In den letzten 100 Jahren hat sich Laufen, traditionell Marktführer im Segment Keramik am Heimmarkt Österreich, zum Innovationsführer in der globalen Sanitärkeramik aufgeschwungen. Der wichtigste Schritt dabei war die Einführung der Saphirkeramik im Jahr 2013. Dieses revolutionäre Verfahren ermöglicht es nach langjähriger Entwicklungsarbeit, ein besonders hartes keramisches Material herzustellen.
„Porzellan hat üblicherweise bis zu 58 Megapascal Bruchfestigkeit. Saphirkeramik bringt es auf 120 Megapascal“, rechnet Mittermair vor. Damit ist die Materialinnovation doppelt so stabil wie herkömmliches Sanitärporzellan. Das ermöglichte erstmals dünnwandige Formen und Kanten mit sehr kleinen Radien. In Zusammenarbeit mit namhaften Designern konnten so Produkte und Serien hergestellt werden, die der Sanitärkeramik die Türen zur Welt der Architektur weit aufstießen. „Wir haben damit den Schritt in Richtung Designleadership gemacht“, so Mittermair.
Drei Schritte in die Nachhaltigkeit
Auch beim Thema Nachhaltigkeit ist Laufen Vorreiter. Dieses Thema wird von drei Seiten angegangen: Produkte, Kreislaufwirtschaft und CO2-neutrale Produktion. Bei den Produkten ist Mittermair vor allem auf die Trenntoilette „save!“ stolz, die 2019 gemeinsam mit dem Designbüro EOS entwickelt wurde. Damit ist es möglich, Urin und Feststoffe zu trennen, um aus Ersterem zertifizierten Dünger und aus Letzterem Rohstoffe für die Biogasherstellung zu machen: Ein Schritt gegen Überdüngung und Umweltverschmutzung.
Bei der CO2-neutralen Produktion ist – wie so oft – das Werk in Gmunden der Pionier bei Laufen. Anfang 2024 wurde der weltweit erste elektrische Tunnelofen für Sanitärkeramik in Betrieb genommen. Das ermöglicht nicht nur eine Reduktion des Energieverbrauchs gegenüber den bisher mit Gas betriebenen Tunnelöfen, sondern auch einen Schritt in Richtung der Dekarbonisierung. Gmunden wird innerhalb des Roca-Konzerns auch jener Standort, der bis Mitte 2025 als erster komplett CO2-neutral produzieren soll.
Wenn man die wirtschaftliche Seite richtig macht, rechnet sich auch der Umweltschutz.Alfred Mittermair, Laufen
Kreislaufwirtschaft und Refurbishment
Drittens beschäftigt man sich bei Laufen mit der Überführung von Sanitärkeramik in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft. Innerhalb des Werks wird Scherbenbruch und Ausschuss längst wieder aufgemahlen und neu in den Produktionsprozess eingeschleust, sagt Mittermair. Die Herausforderung liegt nun darin, auch keramische Stücke am Ende ihrer Lebenszeit wieder wirtschaftlich zu verwerten.
>>> Zweites Leben für Armaturen als Geschäftsmodell
„Technologisch ist das weitgehend gelöst“, sagt Mittermair, der die Machbarkeit des Neu-Brennens und Refurbishens von alten Keramikstücken in Entwicklungsprojekten unter Beweis gestellt hat. Die Frage ist vielmehr eine logistische: Wie bekommt man die alten Stücke wieder ins Werk, wie sammelt und reinigt man das so, dass die Bestandteile einigermaßen sauber wieder zurückkommen? Hier sieht Mittermair großes Potenzial bei Hotels, die regelmäßig ihre Bäder sanieren und großes Interesse an Nachhaltigkeitsprojekten haben. Wenn man das richtig macht, kann Umweltschutz nicht nur Investment, sondern auch Ertrag sein.
Aufholbedarf in Sachen Bad & Hygiene
Wo aber sieht der international erfahrene Keramiker in Zukunft Innovationspotenziale bei dem beliebtesten Sanitärmaterial? Hier hält Alfred Mittermair organisatorische Fragen für entscheidend. Die weltweite Keramikproduktion sei so heterogen, dass darauf keine einfache Antwort zu geben ist: Die Palette reicht von Hightech-Massenproduktionen bis zu Manufakturen. Der Aufholbedarf in Sachen Badezimmer und Hygiene sei außerhalb Europas zudem sehr groß: „In vielen Weltgegenden haben die Menschen noch nicht ein WC oder ein Waschbecken, die unseren Grundanforderungen entsprechen“, gibt Mittermair zu bedenken.
Selbst innerhalb Europas sind die Lohnkosten so unterschiedlich, dass die Kostenseite oft wenig Spielraum bei strategischen Entscheidungen ließe. Aber innerhalb der EU ist der Weg klar, auch die Sanitärindustrie müsse bis 2030 um mindestens 55 Prozent weniger CO2 in der Produktion ausstoßen. Hier hat das österreichische Laufen-Werk in Gmunden die Nase vorne. Durch stetige Investitionen in Forschung und Entwicklung, Kompetenzerhalt über Generationen hinweg und den Rückhalt der gesamten Gruppe konnte der Standort auf internationaler Ebene Pionierarbeit leisten.