Heizungssanierung und Kesseltausch : „Heimatschutz“ geht nicht ohne Klimaschutz
Inhalt
- Das überraschende Ende von "Raus aus Öl und Gas"
- Kein EWG, kein Rechtsrahmen: Die Abrechnung mit Schwarz-Grün
- Budgetschonende Vorschläge für die neue Regierung
- Beschäftigung und Konjunktur: Impulse durch Sanierung und Klimaschutz
- Lieferkettengesetz und ESG-Regularien behindern Wettbewerbsfähigkeit
- Bundesländer und Sozialpartner für echte Reformen in die Pflicht nehmen
Die Stimme von Martin Hagleitner hat Gewicht in der Gebäudetechnik. Der CEO von Austria Email spricht aber nicht nur für sich alleine. Als Mitglied des Vorstands des Branchenverbands "Zukunftsforum SHL" und als Vorsitzender des Ausschusses für Ressourcen, Energie und Ökologie in der Industriellenvereinigung engagiert er sich auch intensiv für die Branche.
Die Förderschiene "Raus aus Öl und Gas" hat der ausgewiesene EWG-Fan kritisch, aber grundsätzlich positiv begleitet. Im Gespräch mit TGA kritisiert er das plötzliche Ende für diese Heizungssanierungs-Offensive scharf. Was eine zukünftige Regierung daraus für Schlüsse ziehen sollte, warum gerade Sanierungsmaßnahmen ein effizientes Instrument zur Konjunkturbelebung sind, welche Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Österreich er priorisiert und warum er sich eine aktivere Europapolitik statt überschießender Regulierungen wünscht: Das Interview zum Jahresanfang 2025 hat es in sich.
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Das überraschende Ende von "Raus aus Öl und Gas"
Das Jahr 2024 hat für die Heizungsbranche mit einem unerfreulichen Paukenschlag geendet, nämlich mit dem plötzlichen Aus für „Raus aus Öl und Gas“ im Dezember und damit dem vorläufigen Ende der Förderung für den Heizkesseltausch. Wie haben Sie das erlebt?
Martin Hagleitner: Das war im wahrsten Sinne eine Überraschung. Die Förderung ist passend zur Weihnachtszeit still und leise ausgelaufen. Und zwar, ohne dass im Vorfeld der Dialog mit der Heizungsbranche gesucht worden wäre, um über das bevorstehende Ende zu informieren und gemeinsam zu überlegen, wie eine Überbrückungslösung aussehen könnte. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Stop-and-Go-Förderungen und den damit verbundenen Verunsicherungen und Planungsunsicherheiten wäre das wünschenswert gewesen.
Kam das Aus für die Förderung wirklich so überraschend, wie es wirkte, oder war es für Sie absehbar?
Hagleitner: Das kam wirklich sehr überraschend. Es wurden im Dezember ja noch Kampagnen für die Förderung gefahren. Bis kurz vor Ende gab es Werbespots und Plakate, immer verbunden mit der Zusicherung, dass bis Ende 2025 noch genügend Geld im Topf ist.
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Es ist symptomatisch für diese Regierung, dass man sich nicht getraut hat, das EWG zu verabschieden
Kein EWG, kein Rechtsrahmen: Die Abrechnung mit Schwarz-Grün
In die Freude über die rekordverdächtige Höhe dieser Förderung mischte sich schon länger die Sorge, dass diese Förderung aus budgetären Gründen 2025 ohnehin nicht weitergeführt werden könne. Wie hätte die Übergangslösung aus Ihrer Sicht idealerweise aussehen können?
Hagleitner: Dazu möchte ich ein wenig weiter ausholen. Es gab seit Jahren Vorschläge von unserer Seite, wie mit einem Maßnahmen-Mix sichergestellt werden kann, dass die Sanierungsdynamik nachhaltig nach oben geht. Ich möchte betonen, dass keiner dieser Vorschläge eine Förderung von 75 Prozent für den Kesseltausch enthalten hat! Wir haben immer wieder gesagt, dass ein Maßnahmenpaket entscheidend wäre, in dem Förderungen und steuerliche Anreize nur ein Teil sein können. Die Schaffung eines Rechtsrahmens, also einer langfristigen Verpflichtung zur Dekarbonisierung, wäre im Erneuerbaren-Wärme-Gesetz enthalten gewesen, das so gut wie fertig war und 2023 zurückgezogen wurde. Das hat für große Verunsicherung am Markt gesorgt.
Statt dem EWG kam dann das EWP, also das Erneuerbare Wärme Paket mit den angesprochenen hohen Förderungen …
Hagleitner: Es ist symptomatisch für diese Regierung – und damit meine ich beide Koalitionspartner, daran kann man nicht nur den Grünen die Schuld geben –, dass man sich nicht getraut hat, das EWG zu verabschieden. Der Grund war sicher die Sorge, dass eine ähnlich destruktive Debatte wie in Deutschland entstehen könnte. Stattdessen hat man als einfachste Lösung auf diese enorm hohen Förderungen gesetzt. Aber leider ohne flankierende Maßnahmen, wie etwa eine Staffelung nach dem Alter der zu sanierenden Anlagen, ohne Berücksichtigung des Vermögens der Empfänger, und ohne jede Anpassung im Miet- und Wohnrecht, wie von uns seit Jahren gefordert wurde.
Wenn Sie „uns“ sagen, wen meinen Sie damit?
Hagleitner: Damit meine ich die Heizungsbranche insgesamt, das Zukunftsforum SHL, aber auch die einzelnen Unternehmen in dieser Branche. Es gab viele konkrete Vorschläge, deren gemeinsamer Nenner immer war: Es kommt bei der Ankurbelung der Sanierungsdynamik nicht so sehr auf die Höhe der einzelnen Förderung an, sondern auf Beständigkeit und auf flankierende Maßnahmen. Eine davon wären zum Beispiel konkrete Ausstiegsvorgaben aus dem fossilen Heizen gewesen. Im EWG waren sehr lange, vom Markt gut steuerbare Fristen vorgesehen gewesen, die sichergestellt hätten, dass es hier nicht zu einer Disruption kommt. Aber das wurde dann eben nicht verabschiedet.
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Es ist gut, dass Österreich eine Ampelkoalition erspart geblieben ist.
Budgetschonende Vorschläge für die neue Regierung
Das war jetzt sozusagen Ihre Abrechnung mit der alten Regierung. Zwischen den Jahren ist viel passiert in Österreich. Damit meine ich natürlich das Scheitern der Ampelkoalitionsverhandlungen und der Regierungsbildungsauftrag an die FPÖ samt sich anbahnender Koalition mit der ÖVP. Was könnte das aus Ihrer Sicht für Klimaschutz-Maßnahmen wie die Förderung des Kesseltauschs bedeuten?
Hagleitner: Dass die Ampelkoalitions-Verhandlungen gescheitert sind, war keine große Überraschung. Das Scheitern hatte sich über Wochen abgezeichnet. Auch wie dieser Verhandlungsprozess angegangen wurde, also dass man entscheidende Themen wie die Budgetsanierung monatelang vor sich hergeschoben hat – aus meiner Sicht wurden da einfach 100 Tage verbraten, das ist bedauerlich. Dass es zu einer Zwangsbeglückung mit dieser Ampelkoalition nicht gekommen ist, das finde ich hingegen alles andere als bedauerlich. Wir haben ja die Erfahrungen mit der deutschen Ampel erlebt, es ist gut, dass Österreich das erspart geblieben ist.
Dieser Tage gehen neuen Verhandlungen an den Start. Mit welchen Erwartungen blicken Sie darauf?
Hagleitner: Jetzt liegt es an FPÖ und ÖVP, den Beweis zu erbringen, dass man rasch ein Regierungsprogramm an den Start bringen kann. Es gibt viele Übereinstimmungen in Sachen Wirtschaftspolitik, was Standortsicherung und Entlastung anbelangt. Wichtig wird sein, dass das Regierungsprogramm auch wirklich Reformen enthält. Was unser Thema anbelangt, also die Dekarbonisierung des Gebäudebestands, ist es gut nachvollziehbar, dass aufgrund des hinterlassenen Budgetlochs jetzt mal alle ausgabenseitig alle Kosten genau durchforstet werden. Es müssen alle Förderungen auf den Prüfstand gestellt werden, was ihre Treffsicherheit und die Mitnahmeeffekte anbelangt. Die gute Nachricht für die künftige Regierung ist ja, dass von Seiten der Heizungsbranche viele Vorschläge für budgetschonende Maßnahmen auf dem Tisch liegen – und zwar nicht nur Headlines, sondern ausgearbeitete Positionspapiere. Die Ankurbelung der Sanierungsdynamik ist ja auch ein Anliegen der Bauwirtschaft insgesamt. Hier Reformen zu verabschieden und Maßnahmen zu setzen, ist ein wichtiger, starker Konjunkturimpuls.
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Beschäftigung und Konjunktur: Impulse durch Sanierung und Klimaschutz
Einspruch: Die Forderungen der Bauwirtschaft beziehen sich großteils auf die Ankurbelung des darniederliegenden Neubaus, während es in der Heizungsbranche um die Dekarbonisierung des Gebäudebestands geht. Haben Sie nicht die Sorge, dass angesichts der Dringlichkeit der Neubau-Konjunktur der Kesseltausch in der Sanierung hintangestellt wird?
Hagleitner: Nein, diese Sorge habe ich nicht. Entscheidend wird sein, dass es der zukünftigen Regierung klar ist, wie dringend Maßnahmen zur Verbesserung des Gebäudebestands sind. Das ist wichtig für leistbares Wohnen, für die rasche Schaffung von lebenswertem Wohnraum, der ja schon vorhanden ist. Aber auch als Impuls für Beschäftigung und Konjunktur – da geht es längst nicht alleine um Klima und Umwelt! Die Konjunkturbelebung hat Priorität, und gerade die Sanierungsdynamik anzukurbeln ist eine wichtige konjunkturbelebende Maßnahme. Dass der Klimawandel eine Herausforderung ist, mit der wir in der Realität konfrontiert sind, und dass Österreich auch internationale Verpflichtungen dazu hat, hier eindämmende Maßnahmen zu setzen, ist auch von der künftigen Regierung zu respektieren und für die Belebung der Konjunktur zu nutzen.
Gerade die Realität des Klimawandels und die Notwendigkeit von „Raus aus Öl und Gas“ sind aber bei vielen noch nicht angekommen, oder?
Hagleitner: „Heimatschutz“ geht nicht ohne Klimaschutz. Ein Zurück ins fossile Zeitalter gibt es nicht. Dabei geht es nicht alleine um Klimapolitik, sondern auch um die Innovationskraft, die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung von Lebensqualität. Ein gemeinsamer Nenner ist sicherlich, dass alle Ziele neu auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Europa ist global gesehen beim Wirtschaftswachstum das Schlusslicht. Innerhalb der EU sind die südlichen Länder bei der Staatsverschuldung auf einem besseren Weg als wir, die haben ihre Hausaufgaben bereits gemacht. Mitteleuropa hat sich zudem dank der Lohnkostensteigerungen in der Industrie aus vielen Exportmärkten herauskatapultiert: Da ist viel zu tun! Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum wir als Schlusslicht in so vielen wichtigen Bereichen ausgerechnet bei überschießender Regulierung unbedingt die ersten sein wollen.
Ein Zurück ins fossile Zeitalter gibt es nicht. Dabei geht es nicht alleine um Klimapolitik, sondern um Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität.
Lieferkettengesetz und ESG-Regularien behindern Wettbewerbsfähigkeit
Was meinen Sie damit konkret?
Hagleitner: Sobald wir produktiver sind als andere Staaten, können wir gerne wieder über mehr und schnellere Regulierung reden. Aber jetzt geht es doch darum, im Gleichklang mit der EU Wachstumsziele zu setzen und das Goldplating bei Regulierungsmaßnahmen zu beenden. Und zwar ohne das Kind gleich mit dem Bade auszuschütten und zu fossilen Energieträgern zurückzukehren, das wäre absolut kontraproduktiv. Klimaschutz ist entscheidend für unseren Lebensraum und für das Wachstum.
Sie sind als Vorstand von Austria Email einer der wenigen Branchenvertreter, die tatsächlich den Produktionsstandort Österreich im Blick haben müssen und nicht nur den Absatzmarkt. Können Sie zwei, drei konkrete Forderungen für die Stärkung des Standorts formulieren?
Hagleitner: Es geht um Entlastung! Die Abgabenquote muss auf unter 40 Prozent reduziert werden. Es muss uns allen bewusst werden, dass wir uns als Gesellschaft keinen Vollzeitwohlstand mit Teilzeitarbeit leisten können. Viele Menschen sind bereit, mehr zu tun. Viele wollen auch in höherem Alter noch erwerbstätig sein: Daraus folgt die Forderung, Überstunden steuerfrei zu stellen, abschlagsfreies Arbeiten im Pensionsalter zu ermöglichen, also insgesamt ein zeitgemäßeres Arbeits- und Sozialrecht zu entwickeln. Für die produzierende Industrie sind zudem die Energiekosten entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Themen wie das Lieferkettengesetz oder überschießende ESG-Regulierungen belasten uns als Unternehmen.
Wir müssen mitgestalten, damit es gar nicht so weit kommt, dass unsere Industrie mit einem Lieferkettengesetz stranguliert wird.
Bundesländer und Sozialpartner für echte Reformen in die Pflicht nehmen
Wenn es darum geht, die produzierende Industrie in Europa zu halten und den Standort zu sichern: Was ist da von der EU zu erwarten?
Hagleitner: Gerade die angesprochenen Bereiche Lieferkettengesetz und die ESG-Regularien liegen im Kompetenzbereich der EU. Was ich mir von der nächsten Regierung erwarte, gerade im Vergleich zur vorangegangenen, das ist eine aktivere Europapolitik! Wir müssen mitgestalten, damit es gar nicht so weit kommt, dass unsere Industrie mit einem Lieferkettengesetz stranguliert wird. Das betrifft freilich nicht nur europäische Themen. Wenn man in Österreich mit einem Reformanliegen starten will, wir kennen die bremsenden Reaktionen seit Jahrzehnten: Das ist dann entweder Ländersache, oder Sache der Sozialpartner, oder wird auf europäischer Ebene entschieden, da kann man leider gar nix machen … ich erwarte mir ein Regierungsprogramm, dass die Bundesländer und die Sozialpartner in die Pflicht nimmt, und ganz klar auch eine aktivere Rolle in der EU spielen will. Wir müssen im Interesse des Wirtschaftsstandorts Österreich handeln, wir müssen auf Strategien setzen, die uns global wieder wettbewerbsfähiger machen: Nur das hilft uns dabei, unseren Wohlstand zu finanzieren.