Kreislaufwirtschaft : Madaster startet in Österreich
Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist ein ressourcenintensiver Wirtschaftszweig, rund 38 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes lassen sich laut eines Berichts des „UN-Environment-Programme“ auf ihn zurückführen. Um die Umweltauswirkungen der Branche zu reduzieren, ist das Thema Kreislaufwirtschaft bzw. zirkuläres Bauen schon länger Thema. Davon umfasst ist nicht nur um das Recyceln von Baumaterialien oder die Reduktion von Primärstoffen. Vielmehr sollten Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus zirkular gedacht, geplant, gebaut und genutzt werden. „Kreislaufwirtschaft ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur unter Beteiligung aller entlang der gesamten Wertschöpfungskette gelingen kann“, wie Madaster-Geschäftsführer Werner Weingraber betont.
Ein Knackpunkt auf dem Weg dorthin liegt in den – kaum oder nicht vorhandenen – Daten zu Gebäuden. Oft ist etwa nicht bekannt, was in bestehenden Gebäuden konkret verbaut ist bzw. was davon eventuell wieder verwendet werden kann. Der deutsche Architekt Thomas Rau hat deshalb vor rund sieben Jahren Madaster ins Leben gerufen, um ein Katastersystem für Gebäude und das darin verbaute Material zu schaffen. Inzwischen existiert Madaster in sieben europäischen Ländern, darunter auch Österreich. Mit dem Markt-Launch am 11. April 2024 wird Madaster für Unternehmen aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette zugänglich.
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Wir wollen nicht nur Gebäude für die Zukunft, sondern mit Zukunft.Thomas Rau, RAU architects und turntoo
Wer ist Madaster?
Der Materialkataster Madaster wurde 2022 in Österreich ins Leben gerufen und ist auch in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Belgien, Norwegen und Großbritannien vertreten. 28 Kennedy-Partner, mit führenden Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft, waren die exklusiven ersten Nutzer und Pionier-Partner von Madaster in Österreich.
Darunter: AllesWirdGut Architektur ZT, ARWAG, ATP sustain, Delta, Dietrich Untertrifaller, Drees & Sommer, einszueins architektur, GF Piping Systems, Handler Group, IG Immobilien, HNP architects, Holcim, iC Consulenten, IKK Group, Kirchdorfer Group, Knauf, Landesimmobilien Burgenland, OK ZT, Porr, Signa, Signify, Tarkett, UBM Development, Value One, Vasko+Partner, Wicona, Wienerberger und Würth.
Greenity Gate: Praxiseinsatz ab Planungsphase
2022 startete der Materialkataster mit 28 Kennedy-Partnerunternehmen in Österreich und unterstützt Beteiligte entlang der Wertschöpfungskette dabei, Kreislaufwirtschaft gemeinsam und kooperativ umzusetzen. Sind alle Materialien und Produkte eines Gebäudes erstmals erfasst, können damit etwa Informationen über deren Massen, Trennbarkeit, gebundenes CO2 und die Toxizität gewonnen werden. Damit ist eine Basis für Kreislaufwirtschaft geschaffen. „Nur durch zirkulares Bauen können wir die Abfallmenge und die CO2-Emissionen in der Bau- und Immobilienbranche reduzieren“, betont auch Weingraber.
Die Plattform wird in Österreich inzwischen auch für die konkrete Umsetzung von „zirkularen Projekten“ genutzt. Unter anderem bei der Realisierung des Greenity Gate in Guntramsdorf, einem Refurbishment-Gewerbeprojekt, das von IG Immobilien realisiert wird. „Wir werden bei diesem Gewerbeobjekt erstmals Madaster von der Planungsphase weg nutzen“, erklärt Paul Grassel, Geschäftsführer von IG Immobilien. „Alle verwendeten Materialien wurden sorgfältig auf ihre Recyclingfähigkeit und ihre ökologischen Auswirkungen hin ausgewählt und auch die Rückbaufähigkeit wird beachtet." Das Projekt will durch seinen CO2-neutralen Betrieb, der Nutzung von Geothermie für die Heizung und Kühlung und einer PV-Anlage mit Energiespeicher neue Standards für energieeffizientes Gewerbe setzen, was auch mittels Circularity Passport Building und Madaster-Eintrag dokumentiert ist.
Handler Bau ist als Generalunternehmer beauftragt, das Greenity Gate zu realisieren. Für Markus Handler, CEO der Handler Group, ist vor allem die strategische Stoßrichtung Kreislaufwirtschaft für nicht-finanzielle Berichterstattung, das sogenannte ESG-Reporting, von zentraler Bedeutung. Um dieses möglichst aufwandsschonend aus Sicht eines Generalunternehmers zu gestalten, braucht es ein Verständnis über die Wirkungszusammenhänge und die entsprechenden Werkzeuge. Wesentlich dafür ist nicht nur die Bereitstellung von Daten entlang der Wertschöpfungskette, sondern vor allem auch die Gestaltung der Datenaufbereitung.
Wenn ein Produkt digital nicht existiert, sollte es analog nicht verkauft werden.Rene Habers, GF Piping Systems
Bestand als Rohstoffquelle
„Wir merken, dass immer mehr Händler konkrete Daten über den CO2-Fußabdruck eines Produkts für ESG-Reports einfordern“, erzählt auch Rene Habers von Rohrleitungssystem-Hersteller Georg Fischer Piping Systems. „Die sogenannten Lifecycle-Daten werden immer wichtiger und als Hersteller werden wir künftig immer mehr gefordert sein, die Nachhaltigkeitskriterien und Lebensdauern bzw. den Re-Use-Case eines Produkts in gleichbleibender Qualität schon in der Produktentwicklung mitzudenken." Aktuell stehe man dabei noch ganz am Anfang der Entwicklung. Einen Grundsatz für die Datenpflege nennt Habers noch: „Wenn ein Produkt nicht digital existiert, sollte es analog nicht verkauft werden."
Auch der Schutz und die Nutzung von Bestandsgebäuden sind von entscheidender Bedeutung für die ökologische Zukunft. „Dies bietet ein enormes Potenzial, um die Umweltbelastung im Vergleich zu Neubauten zu verringern“, erklärt Marcel Özer von EPEA part of Drees & Sommer. EPEA hat beim Greenity Gate in Guntramsdorf mithilfe von Madaster die Bestandsaufnahme bei der Liegenschaft durchgeführt und den Circularity Passport erstellt. „Es ist essenziell, dass wir unsere bestehenden Gebäude und Infrastrukturen als wertvolle Rohstoffquellen begreifen und nutzen." Gerade im Bestand agiere man ohne Daten ansonsten „im Prinzip blind".
Für Peter Engert von der österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) muss Kreislaufwirtschaft wieder Grundlage des Wirtschaftens werden. In den ÖGNI-Zertifikaten und den EU-Taxonomie-Verifikationen ist sie bereits enthalten und wird überprüft. „Mit unserer Partnerschaft zwischen ÖGNI und Madaster wollen wir die Realisierung der Kreislaufwirtschaft in Richtung Umsetzbarkeit und Effizienz vorantreiben - sowohl für Angebot wie auch für Nachfrage.“ Wie er zudem betont, sei das Thema Urban Mining bereits seit Jahrzehnten im Gespräch, jedoch habe es dafür bisher nicht genug Datengrundlage gegeben.
Kreislaufwirtschaft ist kein Einzel-, sondern ein Mannschaftssport.Werner Weingraber, Madaster Österreich