Sanierung mit Cradle-to-Cradle : Von Europas größtem Kassensaal zur nachhaltigen Zukunft
Nach über 130 Jahren am selben Standort im Linzer Zentrum wurde es Zeit für eine Modernisierung des Sitzes der Sparkasse Oberösterreich. Die Umbauarbeiten sollen etwa zwei Jahre dauern – das Gebäude ist nämlich nicht nur denkmalgeschützt, die Sanierung soll auch in Sachen Nachhaltigkeit hervorstechen.
1892 bezog die Sparkasse OÖ erstmals die Räumlichkeiten an der Promenade 11 - 13. In seiner Geschichte sei das Gebäude immer wieder auch mehr als nur eine Bank gewesen, weiß Martin Punzenberger, Vorstandsdirektor der Sparkasse OÖ: „Etwa während des Ersten Weltkrieges stellten die damals Verantwortlichen Räumlichkeiten der von Adalbert Stifter gegründeten k. k. Staatsoberrealschule, dem heutigen BRG Fadingerstraße, unentgeltlich zur Verfügung."
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Europas größter Kassensaal
Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Krieg erfuhr das Gebäude zwischen 1950 und 1952 die erste grundlegende Umgestaltung. Um den Anforderungen des Geschäfts zu genügen, wurde nach den Plänen des Architekten Anton Estermann der Innenhof überdacht und zur Schalterhalle umgestaltet. Dadurch entstand „Europas größter Kassensaal“.
Zwischen 1980 und 1982 erfolgte der bislang größte Umbau des Stammsitzes an der Promenade – mit rund 195 Mio. Schilling beziffert. Das Innere des Gebäudes wurde völlig neugestaltet, wobei die wesentlichen Stilelemente des Hauses beibehalten wurden. Barrierefreiheit wurde zum Thema: Die Wege für Besucher*innen im Haus waren von nun an so angelegt, dass sie in Rollstühlen bewältigt werden konnten.
Zum Weltspartag 2007 präsentierte sich die ehemalige klassische Schalterhalle in der Sparkasse OÖ Zentrale nach sechsmonatiger Bauzeit als neues, modernes Kund*innenzentrum. Architekt Alfred Bellár aus Wels öffnete den alten Innenhof und schnitt den Raum mit einer imposanten, scheinbar über den Köpfen schwebenden Glaspyramide auf.
Digitaler Zwilling des Bestandsgebäudes
Der Einbau von intelligenten Energiemanagementsystemen, Energieeinsparung durch neue technische Anlagen, die thermische Aufwertung der Außenhülle – bei gleichzeitiger Einhaltung des Denkmalschutzes -, die Erweiterung der Photovoltaik-Anlage sowie die konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sind nur ein paar nachhaltige Aspekte, die bei der Generalsanierung zum Einsatz kommen werden.
„Die Lage des Standortes, mitten in Linz, die hochwertige Umsetzung im Denkmalschutz, die 7.900m² Nutzfläche inkl. Dachgeschoss sowie das Gebäude selbst sind in Bezug auf den Umbau sind sehr herausfordernd", fasst der Projektverantwortliche und Bereichsleiter für Immobilien- und Betriebsmanagement Udo Dettelbacher zusammen. 24 Mio. Euro werden dafür in das Projekt investiert.
Die Planungen für den Umbau begannen bereits vor zwei Jahren. Man musste früh damit beginnen, Ersatzquartiere für die Mitarbeitenden zu finden, da ein Arbeiten in den bestehenden Räumlichkeiten während der Generalsanierung nicht möglich sei, so Dettelbacher. Ein digitaler Zwilling des Gebäudes wurde ebenfalls angefertigt. Dafür zeichnete das Linzer Start-Up qapture veranwortlich, das mittels Technologien für Laser-Scanning und Robotik realitätsgetreue, digitale und virtuelle Zwillinge erstellt. So sei man an „wertvolle Informationen in Bezug auf exakte Maße und KI-gestützt auf verwendete Materialien und Massen" gekommen, erklärt Dettelbacher. Bis 2025 soll der Bau fertiggestellt sein, die Besiedelung und Inbetriebnahme sind für das erste Quartal 2026 geplant.
Dieses Projekt ist in Oberösterreich in dieser Form einzigartig und wir verfolgen allerhöchste Standards in den Bereichen nachhaltige Sanierung und nachhaltiger Betrieb sowie bei der Implementierung von Kreislaufwirtschaft.Matthias Mayr, Drees & Sommer
Projektmanagement von Drees & Sommer
Das Planungs- und Beratungsbüro Drees & Sommer Österreich wurde Anfang 2023 mit dem Projektmanagement bzw. der Projektsteuerung der Sanierung des geschichtsträchtigen Gebäudes beauftragt. Dazu wurde zu Beginn eine umfassende 360° Analyse des Objektes durchgeführt, um daran anschließend die Vorbereitung sowie Durchführung der Ausschreibung für Planer*innen bzw. Architekt*innen nach den Anforderungen der Sparkasse OÖ und den Gegebenheiten der Immobilie zu gestalten.
Mit der Sanierung des Bestandsgebäudes setzt sich Drees & Sommer zum Ziel, die historische Bedeutung des Bauwerks zu bewahren und gleichzeitig die Grundlage für nachhaltiges Gebäude zu schaffen: Neben der Rolle des Projektsteuerers bringt das Team von Drees & Sommer Expertise in den Bereichen Energiedesign, Lean Management, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ein. Letztere fließt durch Christoph Löffler, EPEA – Part of Drees & Sommer Österreich, in Form des Cradle-to-Cradle-Designprinzips in das Projekt ein.
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„Dabei sprechen wir von einem öko-effektiven Design, mit dem wir die Qualität und den Nutzwert von Materialien und Gebäuden optimieren wollen. Unser Ziel damit ist es, nicht weniger schlecht zu sein, sondern positive Mehrwerte für Mensch, Umwelt und Wirtschaft zu schaffen“, unterstreicht Matthias Mayr, Standortleiter Drees & Sommer Oberösterreich. Ziel sei es nicht nur, negative Einflüsse zu minimieren, sondern vor allem auch einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen.
ÖGNI-Gold angestrebt
Gemeinsam mit der Sparkasse haben man klare Nachhaltigkeitsziele definiert, erklärt Mayr. Erreichen wollen man das mittels einer Gebäudezertifizierung nach ÖGNI/DGNB, den Standards des Österreichischen Instituts für eine nachhaltige Immobilienwirtschaft und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, mit dem Ziel einer Gold-Zertifizierung. „Übergeordnet und in Synergie mit der Zertifizierung soll das Cradle-to-Cradle-Design Prinzip als Inspiration bei der Planung und Ausführung angewandt werden“, führt Mayr weiter aus.
Dies beinhaltet unter anderem eine leichte Demontierbarkeit und Trennbarkeit der einzelnen Schichten, die Verwendung von gesunden Baumaterialien, sowie die Vermeidung von negativen Umwelteinwirkungen. Wesentlich sind dabei eine flexible Raumkonfiguration und die Verwendung von recycelten bzw. recycelbaren Materialien. Zusätzlich soll das Gebäude Mehrwerte für die unmittelbare Umgebung schaffen: Durch Biodiversität, mittels Wasserkreisläufen, verbesserter Luftqualität und Energieautarkie will man zur Verbesserung des Mikroklimas beitragen.
Neues architektonisches Erlebnis in altem Gebäude
Der monumentale Repräsentationsbau nach Plänen des Architekten Ignaz Scheck gehört der Periode des strengen Historismus an. An ihm finden Stilelemente der italienischen Palastarchitektur der Spätrenaissance Verwendung. Der Neubau der Sparkassen-Zentrale auf der Promenade zählen als sein Hauptwerk.
„Das Spannende an dieser Anforderung war es, ein neues Erleben zu schaffen, in einem mehr als 100 Jahre alten Gebäudes. Der Fokus lag im Schaffen einer Atmosphäre, die wohnlich, produktiv und kommunikativ zugleich ist, andererseits auch Rückzugsmöglichkeiten bietet“, so Architekt Gerald Anton Steiner. Das Gebäude soll künftig Offenheit, Transparenz und ein luftiges Ambiente mit den Bedürfnissen an Rückzug, Ruhe und Konzentration miteinander verknüpfen. Unterschiedliche Bepflanzungen über alle Geschoße verdeutlichen den Aspekt.
Das Sparkasse OÖ-Gebäude öffne sich im Erdgeschoß zudem stärker zur umgebenden Stadt, so Steiner: Das Erdgeschoß bekomme neben der neu gestalteten Kassenhalle und der Filiale folgende Funktionen: Eine neue SB-Zone, Coworking, Café, Aufenthalts- und Veranstaltungsbereich unter der Glaspyramide, Medien-Tunnel und Angebote der Finanzbildung. „Durch die Anordnung der Infopoints als Anlaufstellen und der Besprechungsräume in der Halle wird diese zoniert und die einzelnen Bereiche atmosphärisch schlüssig erlebbar“, erklärt der Architekt.
Activity Based Working
Auch die einzelnen Fachabteilungen der Bank werden im Hinblick auf ein modernes Büroumfeld für die Mitarbeitenden umgestaltet: Statt einem territorial fixen Arbeitsplatz werden unter Berücksichtigung von ABW (activity based working) unterschiedliche Räume und Atmosphären für die Büroarbeit angeboten – Teamräume, Think Tanks, Fokusarbeitsplätze bzw. Räumlichkeiten für Telefon- und Videokonferenzen, offene und geschlossene Besprechungsmöglichkeiten usw.
Flächen, die durch Aufgabe der territorialen Arbeitsplätze frei werden, sollen genutzt werden, um die Lebensqualität der Mitarbeitenden zu verbessern. Soziale Interaktion, Freizeitkomponenten, (Sport, Entspannung, Kultur, Kunst, etc.) werden ins Büro integriert, um den Wohlfühlfaktor zu erhöhen.