Aus Sanitär 5 und 6 : Das Bad, die neue Heraus­forderung an das Wohnen?

Peter H. Spitaler beschäftigt sich seit fast drei Jahrzehnten mit
nutzerzentrierten Designlösungen und barrierefreien Nutzungskonzepten.

- © Peter Spitaler

Ein Bad muss heutzutage viel können, viel mehr als noch vor wenigen Jahren. Denken Sie an Ihren letzten Urlaub. Ein Viersternhotel mit an­ grenzendem Spa-Bereich wird wahrschein­lich dabei gewesen sein. Was gab es da nicht alles? Neben der üblichen Saunaland­schaft waren da Wasserbecken, Erlebnis­duschen, Entspannungsliegen, Aromathe­rapien, Musikberieselung und vieles mehr. Natürlich im zeitgemäßen Design mit ei­ner Materialien­ und Produktauswahl vom Feinsten. Das Badezimmer im Hotelzimmer stand dem um nichts nach. Großzügig in der Fläche und top gestaltet.

Gerade im Hotelbereich wird viel in den Sanitärbereich investiert. Das Designbad definiert wesentlich die Zimmerqualität und somit natürlich auch den Preis. Min­destens einmal im Jahr gewähren wir uns das Recht, diesen Luxus konsumieren zu können. Alleine, zu zweit oder gleich mit der ganzen Familie. Wieder im Alltag angekommen, wird plötzlich das eigene Badezimmer kritischer betrachtet, und es reift oft der Wunsch, etwas Vergleichbares in der eigenen Woh­nung zu haben. Man beginnt, bunte Bä­derkataloge zu wälzen und Schauräume zu besuchen.

Das Angebot an Waschtischen, Armaturen, Duschen, Badewannen und Schränken ist grenzenlos. Man steht mit glänzenden Augen, wie einst als Kind vor dem Christbaum, im Geschäft und möchte einfach alles. Zurück in der eigenen Rea­lität stellt man fest, dass das vorhandene Bad in der eigenen Wohnung nicht einmal 6 m2 Fläche hat. Das angrenzende WC eben­falls gerade die funktionellen Basisanforde­rungen erfüllt. Man steht mit dem Problem nicht alleine da.

Offenes Badezimmer mit Holzelementen und grauer, freistehender Badewanne.
Für viele scheitert die Realisierung des Badtraums am entsprechenden Raum. Im Bild Loop & Friends von Vil­leroy & Boch: Designstatements in besonderen Badezimmern. - © Villeroy & Boch
© forsa ­Institut

Laut aktueller Studie des deutschen forsa­-Institutes, bei der rund 3.000 Per­sonen im Rahmen einer Online­-Erhebung befragt wurden, gab es folgende spannen­de Einblicke in die badbezogenen Erwar­tungen. Es wurden nicht nur Raumgrößen abgefragt, sondern auch Wünsche und Meinungen der Verbraucher*innen. Die wichtigs­ten Fakten der Studie: 21 Prozent aller Bade­zimmer inkl. WC sind nicht größer als 6 m2. Die Durchschnittsgröße des Bades ist aktuell rund 9 m2.

Dabei ist es egal, ob sich der Sanitärraum im Einfamilienhaus oder im Mehrfamilienwohnhaus befindet. Auch Neubauten bieten oft nicht mehr Platz an. Es wird offensichtlich überall dem Bad zu wenig Fläche gewährt. Die Einrichtung wird von den meisten Befragten als zweckmäßig und funktional (94 Prozent) beschrieben. Bei der Frage, ob der Sanitärbereich auch alters­gerecht sei, sahen die Zahlen schon anders aus. Nicht einmal die Hälfte der Proband*innen sagten aus, dass sie sich vorstellen könn­ten, mit dem vorhandenen Badezimmer auch im Alter das Auslangen finden zu können.

Ein schwieriger Spagat

Planer*innen stehen offensichtlich nun vor der unlösbaren Aufgabe, Bäderräume zu entwickeln, die sowohl Wellnessbedürfnisse erfüllen, als auch für alle Generationen geeignet sind und im höheren Alter auch noch funktionieren. Die Vorgaben dazu sind meist denkbar schlecht. Bedingt durch den großen Kostendruck im bezahlbaren Wohnbau sind die Immobilienentwickelnden natürlich bestrebt, Flächen zu minimieren. Jeder Quadratmeter kostet Geld. Eine der Schlussfolgerungen ist daher, wenig Fläche zu bauen, um im Kostenrahmen zu bleiben. Flächenoptimierten Wohnungsgrundrissen wird daher der Vorzug gegeben. Zusätzlich werden auch Verkehrsflächen und Allge­meinflächen im Neubau reduziert.

Nach der Devise: Nur vermietbare (verkaufbare) Flächen sind gute Flächen. Der Nachhaltigkeitsgedanke geht dabei sehr schnell verloren. Unsere Gebäude müssen viele Jahrzehnte lang in Betrieb bleiben. Das Objekt muss daher mit neuen Anforderun­gen mitwachsen können und zukünftige Veränderungen ermöglichen. Möglichkei­ten, Grundrisse zu verändern, werden we­sentlich eingeschränkt, wenn die statische Konstruktion ausgereizt ist und Flächen auf die erste Gebäudenutzung optimiert sind.

Was bedeutet das für unsere Gesellschaft?

Es werden Wohnbauten errichtet, die ei­nem ganz bestimmten Klientel entspre­chen. Smarte Wohnungen für Studierende, Startwohnungen für Jungfamilien, Woh­nungen für Singlehaushalte und altersge­rechte Wohnungen. Die Liste kann man noch endlos weiterführen. Man kann also von einer Art Maßanzug sprechen. Dieser passt hoffentlich perfekt in der augenblick­lichen Lebenssituation, durch verschiedene Umstände kann sich das aber schnell än­dern. Und dann steht man mit seinem Maß­anzug da, der plötzlich nicht mehr passt – was dann? Veränderungen sind notwendig. Auch Veränderungen am Wohnkonzept.

Grundbedürfnis

Bei vielen Menschen ist es ein Grundbedürfnis, den angestammten und liebgewordenen Lebensraum weiter zu bewohnen. Glücklicherweise ist es in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten nicht mehr notwendig gewesen, aus Angst zu flüchten oder aus akut wirtschaftlichen Gründen unseren Lebensmittelpunkt zu verändern. Wir sind stationär geworden. Man verbringt viele Jahre am selben Ort und natürlich auch oft in derselben Wohnung. Das Zuhause muss also mit den geänderten Anforderungen mitwachsen können.

Veränderungen im Leben wird es immer geben. Menschen ziehen zusammen, Kinder werden geboren, man verletzt sich beim Sport, man erkrankt und natürlich altert man auch. Aus dem Gästezimmer wird plötzlich ein Kinderzimmer, im Wohnzimmer gibt es plötzlich einen kleinen EDV-Arbeitsplatz, der Essplatz wandert vom Wohnzimmer in die Küche, da der Nachwuchs offensichtlich lieber im Wohnzimmer spielt als im eigenen Kinderzimmer. Das alles ist mit einer Veränderung an der Möblierung erreichbar, bauliche Veränderungen sind dabei nicht notwendig. Das Bad bleibt dabei unverändert und fristet viele Jahre im Originalzustand dahin.

Warum ist das so?

Das durchschnittliche Alter eines Badezimmers ist in Mitteleuropa rund 25 Jahre. In den restlichen Räumlichkeiten passiert wesentlich früher etwas. Warum traut man sich nicht, sein Bad zu sanieren? Es ist umso verwunderlicher, da man doch einige Lebenszeit im Badezimmer verbringt. Oft länger als in der Küche. Im Bad hält man sich durchschnittlich fast 40 Minuten täglich auf. Männer dabei etwas weniger als Frauen. Bei einer Familie mit einem Kind sind das mindestens 1,5 Stunden täglich. Pubertierende Töchter und junge Männer können die Nutzungszeit noch wesentlich erhöhen. Das Bad kommt also in der Nutzung gleich nach dem Wohnzimmer und in den meisten Fällen noch vor der Küche. Spitzenreiter in der Raumnutzungszeit wird hoffentlich bei Ihnen das Schlafzimmer sein. Ein gesunder und ausreichender Schlaf ist wichtig!

Ein besseres Verständnis für die Vor- und Nachteile erhalten wir vielleicht, wenn wir uns die Frage von der anderen Seite aus stellen: Was spricht dafür, eine Wohnung mit Barrieren zu bauen?
Prof. Lothar Marx, TU München

Möglicher Lösungsansatz

In vielen Fachzeitungen taucht immer wieder das Schlagwort universelle Anpassbarkeit auf. Klingt gut, aber wie kann sowas in der Praxis funktionieren? Was steckt hinter diesem Schlagwort? Wenn man hier recherchiert, findet man schnell den Weg Richtung universelles Design oder auch Design for all. Jetzt noch nicht viel klüger geworden? Es handelt sich dabei um eine Strategie bzw. um einen Designansatz für die Nutzungsqualität in gebauten Umgebungen, Produkten, Systemen und Dienstleistungen.

Es sollen zukunftsfähige Konzepte und innovative Gestaltungen entstehen, die unsere Lebenswelt positiv und nachhaltig verändern. Der Mensch mit seiner gesamten Diversität rutscht in den Mittelpunkt unserer Designüberlegungen. Bevor man beginnt, bunte Kataloge zu durchforsten, muss man sich mit dem Nutzungsverhalten der zukünftigen Badbenutzenden auseinandersetzen. Der fünfjährige Sohn hat andere Vorstellungen vom Familienbad als seine Mutter, die viele Ideen von ihrem letzten Wellnessurlaub mitgebracht hat. Der Vater möchte eine größere Dusche und nicht vergessen, manchmal kommt auch an den Wochenenden die Oma auf Besuch, die vielleicht zwei Tage bleibt. Es muss ein Bad für alle werden.

Die zur Verfügung stehende Fläche wird sicherlich manche Wünsche nicht ermöglichen, aber die Bäderindustrie hat auf viele Probleme reagiert und bietet eine Vielzahl von Produkten an, die helfen, viele Wünsche zu erfüllen. Um eine zukünftige Anpassbarkeit sicherzustellen, sind aber ein paar wesentliche Qualitäten in der Planung zu berücksichtigen. Installationen bei Waschbecken, Badewanne, Dusche und WCs sind meist nicht mehr veränderbar. Einmal gebaut, immer vorhanden und mit nur großem finanziellen und baulichen Aufwand wieder veränderbar. Man muss sich also gleich in der Planungsphase überlegen, welche Zukunftsszenarien abgedeckt werden sollen.

Denken Sie dabei auch an Sportverletzungen oder auch an das Altern. Wenn das Badezimmer in verschiedenen Lebenslagen benutzbar sein soll, wird man sich diesen Gedanken stellen müssen. Maße, Informationen und wichtige Angaben über notwendige Bewegungsflächen und funktionale Anforderungen findet man in Regelwerken wie der EN 17210, den ergänzenden Technical Reports (TR 17621) und der ÖNORM B 1600. Auch ein Blick in Schweizer Regelwerke kann sich auszahlen.

Maße, Informationen und wichtige Angaben über notwendige
Bewegungsflächen und funktionale Anforderungen findet man in Regelwerken wie der EN 17210, den ergänzenden Technical Reports (TR 17621) und der ÖNORM B 1600.

- © Peter Spitaler

Wie geht man nun an die unlösbare Aufgabe heran?

Betrachten wir nochmals unsere Nutzgruppen und versuchen wir, Gemeinsamkeiten zu erkennen. Nehmen wir einmal den fünfjährigen Sohn und als Gegengewicht die Oma, die am Wochenende zu Besuch kommt. Auf den ersten Blick wird nun jeder sagen, da gibt es nicht viel Gemeinsames. Beim erneuten Hinsehen wird man aber doch einiges finden. Der junge Mann muss sich strecken, um beim Händewaschen die Armatur zu erreichen, manchmal benutzt er auch einen Schemel, um den Hebel zu erwischen. Beim Klettern möchte er sich irgendwo anhalten, vorzugsweise am Waschbeckenrand. Er kämpft oft mit der Temperatureinstellung und erreicht auch nicht das Handtuch zum Abtrocknen.

Hat der Fünfjährige eigentlich nicht dieselben Nutzungsanforderungen wie die betagte Dame? Bei genauer Betrachtung kann man da schon Parallelen erkennen. Beide wollen sich anhalten, beide wollen die Wasserarmatur leicht erreichen können und beide benötigen das Handtuch in einem erreichbaren Greifbereich. Der Schemel, der als Aufstiegshilfe benötigt wurde, könnte auch eine Sitzgelegenheit sein. Wenn man sich nun auf diese Art und Weise durch den Aufgabenkatalog durcharbeitet, wird man noch viele kompatible Anforderungen erkennen, wie zum Beispiel gute Lichtverhältnisse, rutschsicherer Boden, Ablageflächen, bodenniveaugleiche Duschen, Heizung und Lüftung usw. Farben und Materialien können das Konzept bestens unterstützen, bei der richtigen Anwendung Wellnessatmosphäre erzeugen und zusätzliche Sicherheit geben.

Wenn doch der Kompromiss nicht mehr ausreicht

Wir alle wollen in unserer angestammten Umgebung alt werden. Wir haben uns eingerichtet, kennen uns in der Umgebung aus und pflegen nachbarschaftliche Kontakte. Altersbedingte Erkrankungen und zusätzliche Bewegungseinschränkungen machen es oft notwendig, die Wohnung, die jahrzehntelang bestens funktioniert hat, nochmals in Teilbereichen neu zu gestalten. Davon ist besonders auch das Badezimmer betroffen. Nun ist es wichtig, dass das Haus so nachhaltig und zukunftsorientiert gebaut wurde, dass bauliche Veränderungen möglich sind.

Die Art der Behinderung ist die Vorgabe für die Umgestaltung. Es ist glücklicherweise nicht immer ein rollstuhlgerechtes Bad notwendig, aber ausreichend definierte Bewegungsbereiche wird man schaffen müssen. Wenn man bis dahin noch eine Badewanne hatte, wird es nun Zeit sein, sich davon zu trennen. Der Einbau einer schwellenlosen Dusche wird die Lösung der Stunde sein. Beim WC wird es schon schwieriger. Wenn es nicht ausreicht, Haltegriffe zu montieren, wird man nicht umhinkommen, in die bauliche Struktur einzugreifen.

Im Idealfall liegen Bad und WC nebeneinander und man kann die Zwischenwand entfernen und eine wesentlich geänderte Raumgeometrie erreichen. Notwendige Bewegungsflächen, die für die Benützung des WCs benötigt werden, helfen auch beim Duschen und beim Waschen. Wenn man das schon rechtzeitig in der Planung des Hauses berücksichtigt hat, ist man nun auf der Siegerseite. Man kann aus einem bestehenden Bad und einem angrenzenden WC eine barrierearme Lösung durch den Abbruch einer einzigen Zwischenwand erreichen. Das ist kostengünstig und Bewohner*innen daher noch viele Jahre in seiner gewohnten Umgebung verbleiben.

Derzeit denken Bauherr*innen und Immobilienentwickelnde zu wenig oder gar nicht an die Option Barrierefreiheit oder verwerfen aus Kostengründen den Gedanken schnell. Das Thema ist in unserer Gesellschaft noch zu wenig angekommen.
Peter H. Spitaler, Büro Team Spitaler

Ein notwendiger Umzug in eine Betreuungseinrichtung entwurzelt Menschen und kostet der Gesellschaft Geld. Geld, das man besser in die Nachhaltigkeit von Gebäuden, insbesondere Wohnhäuser, investieren sollte. Daher ist es unabdingbar, Wohnhäuser und Wohnungen zu entwickeln, die die Möglichkeit bieten, den Menschen durch alle Lebenslagen zu begleiten. Das kann die Errichtungskosten bei Neubauten geringfügig anheben, aber über einen gesamten Lebenszyklus gerechnet sind die Kosten für unsere Gesellschaft niedriger. Die Terragon und DStGB-StudieBarrierefreies Bauen im Kostenvergleich“ setzte sich intensiv mit den Mehrkosten für barrierefreies Bauen auseinander und kam zum Ergebnis, dass bei einer durchschnittlichen Neubauwohnungsgröße von 75 m2 die Mehrkosten nur rund 1.600 Euro ausmachen.

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