100 Jahre Labor Strauss : „Die Anforderung der Vernetzbarkeit hat massiv zugenommen“

Helmut Friedl (re.) leitet Labor Strauss seit 1988, seit 2001 unterstütz ihn sein Sohn Stefan Friedl als Geschäftsführer.

Helmut Friedl (rechts) leitet Labor Strauss seit 1988, seit 2001 unterstützt ihn sein Sohn Stefan Friedl als Geschäftsführer.

- © Katharina Schiffl

TGA: Weil gerade eine Kollegin, der ich vom bevorstehenden Interview mit Ihnen als Gebäudesicherheits-Experten erzählt habe, auf ihren Hund als Garanten für die Gebäudesicherheit geschworen hat: Könnten Haustiere außer als Verteidigung gegen Einbrecher auch als Brandmelder fungieren?

Stefan Friedl:
Früher hat man Vögel als Kohlenmonoxid-Melder verwendet: Der Vogel ist im Käfig tot von der Stange gefallen und hat ein Glöckchen ausgelöst … das größte Problem bei einem Feuer ist nicht die Hitze, sondern der Rauch. Vom Rauch wacht man nicht auf. Man erstickt daran, schon bevor das Feuer den Wohnraum erreicht hat. Ob man Hunde oder andere Haustiere darauf trainieren könnte, Rauch zu riechen und Alarm zu schlagen, weiß ich nicht. Sicherer ist in jedem Fall die Installation von Rauchmeldern in Wohn- und Schlafräumen, die mittlerweile ja auch verpflichtend ist.

Labor Strauss steht für „100 Jahre Gebäudesicherheit“. Das Unternehmen hat aber nicht direkt in diesem Bereich begonnen, richtig? Was war Ihr erstes Produkt?


Friedl:
Das erste Produkt war das Röntgendosimeter. Das hat die Strahlungsdosis beim Röntgen gemessen, so konnte man darauf achten, dass die kritische Dosis nicht überschritten wird. Das Unternehmen hat dann eine Vielzahl anderer Produkte auf den Markt gebracht. Wir fühlen uns der Geschichte des Unternehmens sehr verbunden, aber ehrlicherweise wurde der Grundstein für die heutige LST Firmengruppe mit dem Fokus auf Gebäudesicherheitstechnik erst in den 1960ern gelegt.

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Worauf in den letzten Jahren viel mehr Augenmerk gelegt wird, ist die elektromagnetische Verträglichkeit, das war vor 30 Jahren noch kein großes Thema.

Brandmelde-Produkte durch die Dekaden

Was sind für Sie die Meilensteine in der Entwicklung?

Friedl:
Der größte Meilenstein war sicherlich die Entwicklung der ersten Brandmelderzentrale 1968. Aus unternehmerischer Sicht war es die Expansion nach Deutschland mit der Gründung der MEP-Gefahrenmeldetechnik 1992 in Sachsen, also kurz nach der Wende. Das war der Grundstein für unseren heute größten Markt mit 5 Standorten in ganz Deutschland. Ähnlich wichtig war die Änderung der Ausrichtung: Bis in die 1980er-Jahre hat LST rein über OEM-Partner vertrieben, ehe wir den Vertrieb in Richtung Systemerrichter verlagert haben.

Die erste Brandmelderzentrale IMZ2200 aus dem Jahr 1968: Sind davon Ihres Wissens noch welche in Betrieb?


Friedl:
Das bezweifle ich, aber von der Ende der 1980er eingeführten Serie LBC1000 sind noch einige in Betrieb. Das war die erste Brandmelderzentrale zum Anschluss analoger Brandmelder mit bidirektionalem Datenverkehr. Auch von der Vorgängerserie BLS8C, die 1984 eingeführt wurde, gibt es sicherlich noch einige. Und ich weiß von einer BSL144, die 1975 eingeführt wurde und erst vor zwei Jahren abgebaut wurde: Die war fast 50 Jahre in Betrieb!

Was hat sich in den letzten 50 Jahren bei den Brandmelde-Produkten am meisten geändert?


Friedl:
Ganz klar die Leistungsfähigkeit der verbauten Komponenten. Die allerersten Zentralen waren nicht Mikroprozessor-, sondern rein Hardware-gesteuert. Die angesprochene BSL 144 war dabei die erste, und die Steigerung in der Leistungsfähigkeit von Mikroprozessoren ist bekannt. Auch die Ansprüche an die Ausfallsicherheit sind größer geworden, und es gibt ein viel dichteres Normenwerk für den Brandschutz im Gebäude. Worauf in den letzten Jahren viel mehr Augenmerk gelegt wird, ist die elektromagnetische Verträglichkeit, das war vor 30 Jahren noch kein großes Thema.

Die Brandmelderzentralen von Labor Strauss schützen Gebäude seit 1968, wie etwa hier die Wiener Albertina.
Die Brandmelderzentralen von Labor Strauss schützen Gebäude seit 1968, wie etwa hier die Wiener Albertina. - © Harald Eisenberger

Einfluss der Digitalisierung auf die Gebäudesicherheit

Warum ist die elektromagnetische Verträglichkeit im Brandschutz wesentlich geworden?

Friedl:
Weil es die Störgrößen früher nicht gab. Denken Sie nur an Handys, Smartphones, Tablets und andere vernetzte Alltagsgeräte: Wenn Sie mit einem solch stark funkenden Teil einem alten Brandmeldeprodukt nahe kommen, kann das negative Einflüsse haben, denn die sind dagegen noch nicht abgeschirmt gewesen.

Das ist ein Einfluss der Digitalisierung auf die Gebäudesicherheit, an die jetzt vermutlich die wenigsten gedacht hätten. Bei der Digitalisierung denkt man doch eher an die Einbindung ins Gesamtsystem der Gebäudesteuerung


Friedl:
Richtig, die Anforderung der Vernetzbarkeit hat in den letzten 10 Jahren massiv zugenommen. Es gibt viele Varianten, mit der wir die Brandmelderzentralen ins Gebäudeleitsystem integrieren und Gesamtlösungen anbieten können. Wir ermöglichen aber mit dem Fernzugriffs-Tool REACT auch den mobilen Fernzugriff auf unsere Anlagen.

Noch zum Thema Ausfallsicherheit, wie lässt sich das weiterentwickeln?


Friedl:
Einerseits durch den noch intensiveren Einsatz von Redundanzkonzepten, um den Ausfall eines einzelnen Bauteils oder eines einzelnen Kabel- oder Funkübertragungswegs zu kompensieren, andererseits durch regelmäßige Weiterbildung des Personals, um herannahende Probleme frühzeitig erkennen und beseitigen zu können.

>>> Die Umsetzung von NIS2 bei Labor Strauss

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Windkraft, Photovoltaik und Batteriespeicher sind natürlich auch für uns ein neues Feld.

OIB-2: Brandschutz für Photovoltaik und Energiespeicher

Sie haben die Normen angesprochen. Da sind zuletzt in der 2023 geänderten OIB2 vor allem Photovoltaik und Batteriespeicher als zu berücksichtigende Gefahrenquellen hinzugekommen. Was heißt das für Ihr Produktportfolio?

Friedl:
Die Erzeugung und Speicherung von erneuerbarem Strom ist ein ganz wichtiges zukünftiges Einsatzfeld. Wir haben aus der Vergangenheit große Erfahrung in der Ausrüstung von konventioneller oder erneuerbarer Energieerzeugung und -verteilung, also von Wasser- und Gaskraftwerken über die Verteilnetze mit Umspannwerken und so weiter. Windkraft, Photovoltaik und Batteriespeicher sind natürlich auch für uns ein neues Feld.

Sind Sie in diesem Feld schon aktiv?


Friedl:
Bei der Windkraft haben wir bereits einige schöne Projekte und sind Partner von großen Anlagenerrichtern. In der PV gibt es noch nicht so viele Anlagen, da arbeiten wir an passenden Lösungen. Gerade dort, wo PV auf den Dächern verpflichtet gebaut werden müssen, ist das wichtig. Hier geht es darum, die PV-Anlage in die bestehende Brandmelde-Anlage zu integrieren und gemeinsam zu überwachen. Da sind wir noch nicht ganz so weit, wie wir es uns wünschen würden.

Woran liegt es: An der Marktresonanz oder an der verfügbaren Technik?


Friedl:
An beidem. Bisher wird PV entweder durch Thermalbildkameras überwacht, das ist kostspielig und wartungsaufwändig, oder über herkömmliche Kabelfühler. Das ist erprobt und funktioniert auch, nur ist die Einschränkbarkeit sehr bedingt – für eine kleine Anlage am Dach ist das ok, aber bei einem großen Solarfeld wollen Sie genau wissen, wo es gerade heiß wird. Daran arbeiten wir, aber es hat nicht oberste Priorität.

Logische Frage: Was hat für Sie oberste Priorität?


Friedl:
Das ist derzeit die Komplettierung der BC600, der 7. Generation unserer Brandmelderzentrale. Hier werden derzeit letzte Elemente komplettiert, die vor allem für große Anlagen wichtig sind. Daneben haben wir zwei weitere Themen in der Entwicklung, die Büchse werden wir innerhalb der nächsten 12 Monate öffnen …

Stefan Friedl
Stefan Friedl, Geschäftsführer LST - © Labor Strauss Gruppe
Wir schreiben unsere Umsätze in einer relativ späten Phase des Gebäudes, wir werden fehlenden Neubau heuer noch nicht spüren.

Internationale Wachstumsmärkte für Labor Strauss

Wie wirkt sich die fehlenden Neubauprojekte bei Ihnen wirtschaftlich aus?

Friedl:
Wir spüren das ehrlicherweise nur verhalten. Das hat damit zu tun, dass wir neben Österreich und Deutschland auch in vielen anderen Ländern aktiv sind, also sowohl Europa als auch Afrika, Asien und im Mittleren Osten. Da ist die Wirtschaftslage jeweils sehr unterschiedlich. Natürlich sind Österreich und Deutschland derzeit schwieriger als andere, es ist anzunehmen, dass sich das auch auf uns auswirken wird. Nur schreiben wir unsere Umsätze in einer relativ späten Phase des Gebäudes, wir werden fehlenden Neubau heuer noch nicht spüren. Den größten Knick im Baugeschehen gibt es derzeit im Wohnbau, und da ist relativ wenig Technik von uns drinnen: Mehr als eine Brandmeldeanlage sowie Not- und Sicherheitsbeleuchtung in Flucht- und Rettungswegen gibt es da selten. Unser Hauptfeld sind der Industrie- und Gewerbebau sowie öffentliche Gebäude, dort gibt es einen deutlich kleineren Knick. Dass wir in Wachstumsfeldern wie der Energieerzeugung und -verteilung stark vertreten sind, darüber haben wir schon gesprochen. Die Entwicklung für die LST Gruppe sehe ich daher positiv.

Wie verhält sich bei Ihnen das Geschäft im Neubau zur Sanierung, also zur Nachrüstung und Wartung von bestehenden Gebäuden und Anlagen?

Friedl:
Wir sind in Österreich selbst sehr stark in der Instandhaltung, Wartung und Störungsbehebung, da ist der Zugang zu Erweiterungen ein anderer als wenn über Errichter oder Distributoren gearbeitet wird. Insgesamt schätze ich, dass 75 Prozent unseres Umsatzes aus dem Neubau kommen und 25 Prozent aus der Erweiterung.

>>> Fachkräftemangel in Europa: Karriere am arabischen Markt?

Wo sehen Sie Wachstumsmärkte für die LST Gruppe?

Friedl:
Deutschland ist trotz der aktuell schwierigen Marktsituation ein Wachstumsmarkt, da haben wir noch sehr viel Potenzial bei der Marktdurchdringung. In Österreich haben wir Potenzial bei der Sicherheitsbeleuchtungs-Technik, denn bei Brandmelde- und Löschsteuerung sind wir am Heimmarkt sehr gut aufgestellt. International ist ganz klar der Mittlere Osten ein Wachstumsmarkt, ganz konkret die Vereinigten Arabischen Emirate, wo wir eine gute Partnerschaft begründen konnten und bereits schöne Projekte umgesetzt haben. Auch in der Türkei verzeichnen wir dank einer guten, mittlerweile langjährigen Partnerschaft Umsatzsteigerungen, obwohl es dort insgesamt wirtschaftlich ebenfalls nicht einfach ist. In Italien stehen wir noch sehr am Anfang, hier haben wir eine Strategieänderung hinter uns, die bald greifen wird: Wir wollen hier lokales Personal anstellen, das den Markt in Italien bearbeiten wird.

Mann und Frau arbeiten online am Handy und am Laptop

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