Erneuerbare Wärmeversorgung : Krawall um die Wärmewende?
Eigentlich lief alles nach Plan, als Moderatorin Claudia Reiterer, mit dem Satz "die Wärmewende darf niemanden kalt lassen" auf die Rede von Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, einstimmte. Minuten später machten sich einige Klimaaktivist*innen rund um Lena Schilling die Bühne des Events "Wärmewende Made in Austria" zu eigen, um Kritik an der WKÖ zu üben. 2018 habe man gesehen, dass die Wirtschaftskammer Putin und den fossilen Energien den Teppich ausgekehrt habe, so Schilling. Sie sprach von einer "Kältewende" statt Wärmewende und habe das "Bla Bla" satt.
Kritik kam prompt auch von Mahrer, der die "Intoleranz einer bestimmten Gruppe, unterschiedliche Meinungen nicht zu akzeptieren" anprangerte, aber auch davon sprach, "im Dialog Lösungen zu finden". Er lud die Aktivist*innen ein, an der Veranstaltung teilzunehmen, was Schilling und eine Kollegin auch taten. Viel Zeit für die Begrüßungsrede war dann nicht mehr übrig, Mahrer nutzte sie, um dem Publikum drei Stichworte mitzugeben: Technologievielfalt, Fachkräfteoffensive und Planungssicherheit.
Wärmeversorgung aus Erneuerbaren bis 2040
Gerhard Oswald, Obmann des Eventveranstalters Dachverband Energie-Klima in der WKÖ, betonte in seiner Eröffnungsrede: „Wir brauchen Menschen, die mitdenken und mitgestalten." Die Wärmewende sei eine Mammutaufgabe, die man nur gemeinsam meistern könne, und zwar mit "raschem und entschlossenem Handeln". Russland habe Energie zum politischen Druckmittel gemacht. Grundsätzlich gäbe es genug Energie für alle, sie müsse aber richtig um- und eingesetzt werden, bekräftigte er.
Fakt ist, dass die Wärmewende neben passenden Rahmenbedingungen auch Liefersicherheit bei technischen Komponenten und ausreichend Fachkräfte braucht, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Mit der Veranstaltung wollte der Dachverband daher Ziele, Herausforderungen und Lösungsansätze für eine zügige Wärmewende Made in Austria aufzeigen. Den Teilnehmenden des Events wies Oswald eine wichtige Rolle zu, sie seien die "Speerspitze" der Wärmewende. Es brauche aber Liefersicherheit und Fachkräfte, insbesondere die Lehre verdiene "verstärkte Aufmerksamkeit". „Ich bin überzeugt, dass eine vollständige Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2040 umsetzbar ist", schloss er mit einem positiven Ausblick.
Uns fehlt der Mensch, nicht nur die Fachkraft.Bettina Huemer, Leiterin Lehrlingsausbildung bei Fronius
Wärmewende braucht Fachkräfte
Im Rahmen des ersten Panels sprachen Bettina Huemer, Leiterin Lehrlingsausbildung bei Fronius, Alexander Hölbl, Abteilungsleiter für Berufsausbildung im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und Ronald Setznagel, Projektmanager bei 17 & 4, einem Beratungs- und Forschungsunternehmen für Nachhaltige Entwicklung über den Fachkräftemangel. Inzwischen gibt es kein Herumkommen um das Thema mehr: Laut WKÖ spüren 73 Prozent der österreichischen Unternehmen einen starken oder sehr starken Fachkräftemangel, für knapp die Hälfte der Unternehmen führte der Fachkräftemangel bereits zur Einschränkung von Innovationen
Besonders die Elektrotechnik leidet laut Huemer unter dem Fachkräftemangel. 2023 werde Fronius voraussichtlich je nach Wirtschaftslage zwischen 600 und 1.00 Fach- und Anlernkräfte suchen, wie sie erklärte. Beim Nachwuchs sei die Sinnfrage viel mehr gegeben, auch Nachhaltigkeitswerte der Arbeitgeber werden zunehmend zum Auswahlkriterium. „Zu begeistern wird immer schwieriger für die Technik", so Huemer. Hölbl schlug in dieselbe Kerbe: „Wir brauchen jede Hand und jeden Menschen. Wir brauchen auch Teilqualifikationen, nicht nur Fachkräfte. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir so viele Fachkräfte bekommen, dass wir nur mit ihnen die Energie- und Wärmewende schaffen." Setznagel forderte zudem, dass sich der Stellenwert des Handwerks verändern müsse und wies auf die Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Branche hin.
Wärmewende in den Bundesländern
Zur Situation der Wärmewende in den einzelnen Bundesländern diskutierte ein Panel aus Susanna Erker, MA 20 Wien, Bruno Oberhuber, Geschäftsführer Energie Tirol und Gerhard Löffler, Referatsleiter Amt der Salzburger Landesregierung. Zur Sprache kamen unter anderem Vorzeigeprojekte der einzelnen Regionen. Während Erker den Smart-Block Geblergasse nannte, war Löffler besonders stolz auf die Energieraumplanung in Salzburg, Oberhuber wies auf das dank heimischer Wasserkraft energieautarke St. Anton hin.
Auch das sich Entstehen befindliche Erneuerbare-Wärme-Gesetz wurde besprochen, insbesondere die Kompetenzaufteilung im aktuellen Ministerialentwurf des EWGs, der wie folgt lautet: „Was die Zuständigkeiten betrifft, soll der Bundesgesetzgeber zwecks bundesweiter Vereinheitlichung von Vorgaben notwendige Kompetenzen erhalten, gleichzeitig sollen im Vollzugsbereich die herkömmlichen Strukturen in den Ländern erhalten bleiben." Erker, Oberhuber und Löffler zeigten sich im Grunde damit zufrieden, dass der Bund die Ziele einheitlich vorgibt und die Bundesländer diese in Folge umsetzen.
Wenn wir warten, bis alle Häuser in Österreich saniert sind, brauchen wir 100 Jahre, nicht 20 oder 30.Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria
Welche Technologie darf's sein?
Nach einer Keynote von Andreas Windsperger, Geschäftsführer Institut für Industrielle Ökologie, über Rohstoffe und Lieferketten (als Schlüssel) für Energiewende, folgten kurze Technologie-Pitches zu Solarthermie, Wärmepumpen, Biomasse, Geothermie, Biogas, Photovoltaik und E-Heizung.
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Roger Hackstock, Geschäftsführer Austria Solar, sprach über die Solarinitiative 20>50: 2020 wurden in Österreich 53,2 MWth (76.060 m²) thermische Sonnenkollektoren installiert. Im Schnitt entspricht das einer Installation von 20 Solarwärme-Anlagen pro Tag. Bis 2030 müsse die Installation laut Hackstock auf 50 Solarwärme-Anlagen pro Tag gesteigert werden. Einen kräftigen Zuwachs bilanzierte auch Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria. Aktuell sind österreichweit etwa 280.000 Wärmepumpen in Betrieb, bis 2030 rechnet der Verband mit einer Anzahl von 450.000 bis 620.000.
Zum Energieträger Pellets referierte Hans-Peter Triebnig von proPellets Austria. Bis 2024 soll es laut ihm 52 Pelletwerke in Österreich geben. So könnte Produktion von 1,6 Mio. Pellets (2021) bis 2026 auf 2,6 Mio. Pellets ansteigen. Zum Vergleich: 2021 wurden 1,2 Mio. Pellets in Österreich verbraucht. Edith Haslinger vertrat mit dem 2019 gegründeten Verein Geothermie Österreich eine noch relativ junge Gruppierung. Geothermie hat aktuell etwa 4 Prozent Anteil am erneuerbaren Wärmemarkt hat, Möglichkeiten gäbe es aber für bis zu 20 Prozent. Die Technologie habe zudem einen Vor- und Nachteil, sie sei nämlich unsichtbar, führte Haslinger aus. Das sei einerseits toll für Betreiber*innen, bringe aber wenig Sichtbarkeit.
„Wir werden mit Biogas die Welt nicht retten, aber einen guten Anteil abdecken", war sich Bernhard Stürmer, Geschäftsführer Kompost- und Biogasverbandes Österreich, sicher. Er schätzte das Potenzial auf etwa 10 Prozent. „Die Zeit für einen Schritt nach dem anderen ist vorbei", ließ Vera Immitzer, Geschäftsführerin Photovoltaic Austria das Publikum bei ihrem Pitch wissen. Auch sie pochte auf einen Ausbau, um das PV-Potenzial auszuschöpfen. Roman Weigl, Fachgruppenobmann des Fachverband Ingenieurbüros, trat als letzter auf die Bühne und fragte bei den Zuhörer*innen nach: „Haben Sie noch alle Grafiken im Kopf? Wissen Sie, was zu tun ist?" Für die bedarfsgerechte Beantwortung dieser Fragen sei der Fachverband Ingenieurbüros nämlich da, wie er betonte.
Das EWG muss ein Ermöglichungsgesetz sein.Jürgen Streitner, Abteilungsleiter für Umwelt- und Energiepolitik bei der WKÖ
Wie schaffen wir's?
Der Frage der praktischen Umsetzung widmeten sich Jürgen Streitner, Abteilungsleiter für Umwelt- und Energiepolitik bei der WKÖ, Robert Tichler, Geschäftsführer Energieinstitut der JKU, Heidelinde Adensam, Abteilungsleiterin für Energieeffizienz und Wärme im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und Wolfgang Amann, Geschäftsführer Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen.
„Meistens sprechen wir über die Energiewende und meinen damit die Stromwende", es sei daher gut, über die Wärmewende zu sprechen, bekräftigte Tichler. Dass dabei nicht nur die Umstellung auf Erneuerbare eine Rolle spielt, sondern auch das Thema Energieeffizienz von zentraler Bedeutung ist, waren sich alle Panelteilnehmer*innen einig. Adensam merkte zudem an, dass Energieeffizienz mit dem Energieträgerwechsel einhergehen müsse. Damit beim Thema Primärenergie und Verfügbarkeit angekommen, diskutierte das Publikum angeregt mit. Mitunter wurden Fragen nach der Kommunikation an die breite Bevölkerung, einem potentiellen Energiezoll, zielgenaueren Förderungen, z.B. für die Anlagenoptimierung (Stichwort hydraulischer Ausgleich) oder die Nutzung der bestehende Gasinfrastruktur für Grünes Gas laut.
Gegen Ende fragte Reiterer auch Schilling, wie sie das Event wahrgenommen habe. Die Klimaaktivistin hob den Austausch mit Expert*innen auf technologischer, statt nur wissenschaftlicher Ebene positiv hervor. Fazit: Die Wärmewende lässt tatsächlich niemanden kalt.
Stellungnahme Erneuerbare Energie Österreich
Auch der EEÖ (Dachverband Erneuerbare Energie Österreich) sieht erste Anhaltspunkte zur Öffnung der Wirtschaftskammer Österreich für die Wärmewende in Österreich, wie der Verband in einer Aussendung wissen ließ: „Inzwischen scheint man auch in der Wiedner Hauptstraße auf Wärmewende-Kurs der Bundesregierung zu sein. Die angesichts der russischen Aggressionspolitik verlorene Sicherheit wird man durch die Wende hin zu erneuerbaren Energieträgern zurückgewinnen können. Und damit auch ein
Stückchen Hoffnung."
“Der Wärmemarkt in Österreich wird noch immer zu zwei Dritteln von fossilen Energieträgern dominiert. Fossile Wärme – das bedeutet Abhängigkeit von Importen, Wertschöpfungsverluste, Erderhitzung, um nur einige schwerwiegende Probleme zu nennen. Um diese Büchse der Pandora wieder zu schließen, brauchen wir jetzt so schnell wie möglich die Wärmewende”, so Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ.