Gebäudetechnik in der Sanierung : Den „energetischen Maßanzug“ schneidern
Die Planung im Bestand gewinnt für Österreichs Planer*innen zunehmend an Bedeutung. TGA hat sich umgehört und mit Allplan, TBH Ingenieur sowie der Haustechnik Planungsgesellschaft drei renommierte Ingenieurbüros um Kurzstatements zu den besonderen Herausforderungen und einer Einschätzung der Marktsituation gebeten.
Planungen im Bestand: Tendenz steigend
TGA: Welchen prozentuellen Anteil machen Planungen im Bestand (Sanierung) in Ihrem Unternehmen aus?
Georg Brandauer: Generalsanierungen, Sanierungen sowie Sanierung bestehender Gebäudetechnik erreichen bei uns einen Anteil von ca. 30 Prozent.
Christoph Urschler: Aus Sicht unseres Ingenieurbüros nehmen die Planungen im Bestand und damit verbunden in der Sanierung deutlich zu. Aus meiner Sicht ist dies dem Umstand geschuldet, dass es nicht maßlos zu Flächenversiegelungen kommt (vor allem Wohnbau) und entsprechende Nachverdichtungsmaßnahmen stattfinden müssen. Betrachtet man Gewerbe und Hotellerie, so kommt es auch hierbei zu umfangreichen Bestandsadaptierungen. In Summe gesehen waren Bestandssanierungen bei uns im einstelligen Prozentbereich (in der Vergangenheit), die Forecast-Modelle zeigen jedoch deutliche Bewegungen zum zweistelligen Prozentbereich (15 bis 30 Prozent). Auch damit verbundene Energiekonzepte sind maßgeblich für die Umsetzung.
Christoph Passecker: Unser Unternehmen „Haustechnik Planungsgesellschaft“ betreut laufend die TGA-Sanierung von Bestandsobjekten. Eines unserer Krankenhausprojekte wird schon über zehn Jahre betreut, da die einzelnen Trakte nacheinander entkernt und saniert werden. Die Sanierung von Krankenhäusern im laufenden Betrieb stellt naturgemäß eine besondere Herausforderung dar. Im kommenden Jahr soll dann die Sanierung abgeschlossen sein. Hinsichtlich des prozentuellen Anteils im Unternehmen schätzen wir den Anteil auf etwa 35 Prozent mit der klaren Tendenz „steigend“.
Generalsanierungen, Sanierungen sowie Sanierung bestehender Gebäudetechnik erreichen bei uns einen Anteil von ca. 30 Prozent.Georg Brandauer, Geschäftsführer Allplan
Enwicklung der Auftragslage
Wie beurteilen Sie die Auftragslage für 2023?
Brandauer: Die generelle Auftragslage ist aktuell gut – wir gehen auch davon aus, dass die Auftragslage stabil bleibt. Wie in der Vergangenheit auch, werden sich die jeweiligen Gebäudetypen aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen unterschiedlich stark entwickeln. Wir sind bei unseren Projekten sehr divers ausgerichtet und können uns sehr gut auf die jeweiligen Marktveränderungen einstellen, da wir alle Gebäudetypen wie zum Beispiel Industrie, Hotel, Büro, Wohnen, Krankenhaus, Pflegeheim usw. abdecken.
Urschler: Aus meiner Sicht ist der Wohnbau und damit die verbundenen Entwicklungen eher stark rückläufig (Preisdeckelungen etc.). Der Bereich Sonderplanungen ist mit einer deutlichen Zunahme verbunden. Unter den Bereich Sonderplanungen fallen Energiekonzepte, Integration erneuerbarer Energiesysteme sowie das Thema BIM-Integration. Wichtig für die Zukunft wird es sein, dass die Planenden und die Auftraggeber verstehen lernen, nicht in Einzelsystemen zu denken, sondern die Energiesysteme als gesamtheitlichen Ansatz zu sehen (damit verbunden ist ein entsprechendes Know-how und Vertriebsgeschick der Anwender*innen und Umsetzer*innen).
Passecker: Wir haben bereits vor einigen Jahren eine eigene Business Unit zum Thema „erneuerbare Energien“ gegründet. Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und den Engpässen bei der österreichischen Gas- bzw. Stromversorgung konnten wir einen enormen Anstieg bei Aufträgen zur Ausarbeitung von Energiekonzepten mit erneuerbaren Energiesystemen im Unternehmen verzeichnen. Aktuell betreuen wir eine Reihe von großen Geothermie- und Photovoltaikprojekten im Megawattbereich als Beitrag zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Es ist wohl zu erwarten, dass die Nachfragen aufgrund der steigenden Investitionskosten etwas zurückgehen werden, aber aufgrund unserer Ausrichtung hinsichtlich Einsatz „erneuerbarer Energien“ schätzen wir die Auftragslage für unser Unternehmen gut ein.
Es geht vielmehr jedes Mal darum, für das entsprechende Gebäude einen „energetischen Maßanzug“ zu konzipieren.Christoph Passecker, Geschäftsführer Haustechnik Planungsgesellschaft
Nachhaltige Sanierung: Mehr als ein Schlagwort
Die „nachhaltige Sanierung“ ist ein Schlagwort unserer Zeit. Wie lässt sie sich aus Ihrer Erfahrung umsetzen? Wo sind die Stellschrauben? Und: Handelt es sich dabei „nur“ um eine gut klingende Phrase, oder ist sie von den Auftraggebern bereits fixe Anforderung?
Brandauer: Die nachhaltige Sanierung ist nicht nur ein Schlagwort unserer Zeit, sondern wird uns in Zukunft sicherlich noch stärker beschäftigen. In Hinblick auf die zunehmende Kreislaufwirtschaft und geforderte Ressourcenschonung gibt es sicher nichts Nachhaltigeres als das Um- und Weiterbauen bestehender Substanz. Die Vorgehensweise bei Sanierungen stellt sich anders als bei Neubauten dar. Mit viel Feingefühl und Erfahrung muss der Einklang mit dem bestehenden Gebäude und Technik auf höchstem Niveau gefunden werden. Eine Stellschraube ist, dass die Gegebenheiten des Bestandsgebäudes detailliert vorliegen sollten, um dadurch das Risiko von kosten- und zeitintensiven Überraschungen verringern zu können. Eine weitere wesentliche Stellschraube ist sicherlich auch, dass eine Sanierung durch das vorliegende Mietrechtsgesetz oft nicht wirtschaftlich ist. Sanierungen sind genauso nachhaltig wie Neubauten zu denken und sind weitgehend eine fixe Anforderung der Auftraggeber.
Urschler: Die nachhaltige Sanierung kann nur dann sinnvoll erfolgen und umgesetzt werden, wenn der Gesamtprozess durchdacht wird. Hierbei ist natürlich auch die Taxonomie-Verordnung ein wesentliches Instrument dafür. Weiters ist auch der Begriff „cradle to cradle“ maßgeblich, um in der nachhaltigen Sanierung weiterzukommen. Ich denke, es handelt sich nicht nur um eine gut klingende Phrase, sondern um ein wesentliches Instrument für die gesamte Baubranche. Weiters werden auch in Zukunft die Auftraggeber diese Maßnahme als fixen Bestandteil von Anforderungsprofilen einfordern.
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Passecker: Das Thema „nachhaltige Sanierung“ ist aus unserer Sicht schon lange mehr als ein Schlagwort. Nachdem wir im Unternehmen schon seit der Gründung den Fokus auf hohe Energieeffizienz bei Gebäuden gesetzt haben, können wir bereits auf eine Vielzahl von Referenzprojekten mit Einsatz „erneuerbarer Energieträger“ zurückgreifen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass es nicht ein Energiekonzept für alle Gebäude gibt. Es geht vielmehr jedes Mal darum, für das entsprechende Gebäude einen „energetischen Maßanzug“ zu konzipieren. Aufgrund der steigenden Energiekosten lassen sich nun Projekte mit innovativen Haustechnikkonzepten gegenüber vor einem Jahr noch wesentlich leichter umsetzen, da die Amortisation der approbierten Technikkonzepte viel früher eintritt.
TGA-Sanierung: Das sind die Herausforderungen
Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der TGA-Planung im Bestand?
Brandauer: Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die teilweise seit Jahrhunderten bestehenden, ehrwürdigen und teils denkmalgeschützten Gebäude zukünftig mit modernster Gebäudetechnik ausgestattet werden. Eine wesentliche Verbesserung ist das Arbeiten mit Bestandsmodellen, wo wir im 3D-Modell unsere Planung mit den baulichen Gegebenheiten stetig abgleichen können. Besonders herausfordernde Projekte, wie zum Beispiel die Postgasse 8-12 in 1010 Wien (ehemalige k.u.k. Postdirektion) mit einer Bestandssanierung von ca. 50.000 m2 Bruttogeschossfläche, wären ohne diese Methode, schlichtweg nicht machbar gewesen.
Urschler: Ich beschäftige mich schon längere Zeit mit unterschiedlichsten Projekten, welche die TGA-Anforderungen im Bestand integriert haben müssen. Einerseits sind dies Praxisprojekte sowie andererseits auch verstärkte Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in diesem Bereich. Als eine der besonderen Herausforderungen möchte ich eine fundiert durchzuführende Bestandserhebung definieren. Wenn diese gut durchgeführt wurde, sind daraus von Beginn an effektive Schnittstellen in der TGA bedienbar. Auch ein ganzheitlicher Systemgedanke in Form eines Energiekonzeptes ist dabei sinnvoll. Betrachtet man die Schnittstellen der TGA im Bestand, so kann auch das Thema BIM optimal eingesetzt werden. Basis dafür können digitale Scan-Modelle der Bestands-TGA sein. Daraus resultierend ist dann die Weiterführung des Projektes gewährleistet.
Passecker: Die TGA-Sanierung lässt im Bestand eben nicht alle Möglichkeiten zu. Zum Beispiel ist es bei Bestandsobjekten oftmals wirtschaftlich nicht möglich, Geothermiebohrungen zu situieren. Weiters sind in Bestandsobjekten vielfach Hochtemperatur, Wärmeabgabesysteme verbaut bzw. eine zentrale Warmwasserbereitung, die den Einsatz von Wärmepumpen erschweren. Es liegt also schlussendlich am Gesamtenergiekonzept und Betrachtung aller Einflussfaktoren, damit Kund*innen ein maßgeschneidertes Energiekonzept zur Verfügung gestellt werden kann.