proPellets Austria, Austria Solar, Wärmepumpe Austria, Erneuerbare Energie Österreich, : Erneuerbaren-Branche weist Forderung nach Technologieoffenheit im EWG zurück

Erst letzte Woche hat die Allianz für Grünes Gas, der Vereinigung Österreichischer Kessel- und Heizungsindustrie (VÖK) sowie die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) mehr Technologieoffenheit im Erneuerbare-Wärme-Gesetz* (EWG) und einen Ausbau von Grünem Gas – auch für Privathaushalte – gefordert (TGA berichtete).

Die Gaswirtschaft stützt sich in ihrer Argumentation unter anderem auf einen Vergleich mit dem Entwurf des deutschen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und dessen 65 Prozent Erneuerbaren-Regelung für neue Heizungen: Demnach dürften in bestehenden Gebäuden auch weiterhin Gasheizungen eingebaut werden, wenn sie z.B. mit 65 Prozent Grünen Gasen betrieben werden. Über die gröbsten Unterschiede zwischen dem österreichischen und deutschen Gesetzesentwurf klärt die untenstehende Tabelle auf.

⇨ Aber wie bewertet die österreichische Erneuerbaren-Branche diesen Vorstoß? Braucht es wirklich mehr Technologieoffenheit im EWG? Gibt es noch Punkte, in denen sich das EWG etwas von seinem deutschen Pendant abschauen kann?


TGA hat Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar, Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), Christian Rakos, Geschäftsführer proPellets Austria und Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria um ihre Einschätzung gebeten.

*Der aktuelle EWG-Entwurf ist im Juni 2022 im Nationalrat eingelangt und wartet seitdem auf seinen Beschluss, für den es eine Zweidrittelmehrheit braucht. Das GEG ist ebenfalls noch nicht beschlossen.

ENTWURFSVERGLEICH Österreichisches EWG Deutsches GEG
Neu eingebaute Heizungen Ab 2023 sollen in Neubauten keine zentralen oder dezentralen Heizungen mehr errichtet werden, die für den Betrieb mit fossilen Brennstoffen geeignet sind. Ab 2024 muss jede neu eingebaute Heizung (in Neubau und Bestandsgebäuden, Wohn- und Nichtwohngebäude) mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energie nutzen.
Bestandsheizungen Bis 2035 müssen alle alten Kohle- und Ölheizungen in Österreich durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt werden. Alle Gasheizungen müssen bis 2040 durch ein modernes, erneuerbares Heizsystem ersetzt oder in Ausnahmefällen mit biogenem Gas betrieben werden. Funktioniert eine bestehende Heizung ordnungsgemäß, kann sie weiter genutzt werden. Es gibt keine Austauschpflicht, auch Reparaturen sind weiter möglich. Bestehende Gas- und Ölheizungen können also bis zur zeitlichen Obergrenze (31.12.2044) mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
Ich halte das Gerede von Technologieoffenheit für reine Hinhaltetaktik, um weiter Gas und Ölheizungen im Markt zu halten.
Christian Rakos, Geschäftsführer proPellets Austria

Christian Rakos: Gerede von Technologieoffenheit ist „reine Hinhaltetaktik"

Christian Rakos sieht im „Gerede von Technologieoffenheit" eine „reine Hinhaltetaktik, um weiter Gas und Ölheizungen im Markt zu halten". Für den Geschäftsführer von proPellets Austria ist klar:

Biogas werde in „wesentlich geringerer" Menge als Erdgas verfügbar sein und solle daher gezielt für solche Anwendungen genutzt werden, für die es keine alternative Lösung gibt – „insbesondere industrielle Prozesse, die hohe Temperaturen benötigen und allenfalls die Spitzenlastabdeckung im Stromnetz". Noch utopischer sei es, zu erwarten, dass E-Fuels in Zukunft zum Heizen „vergeudet" werden. Denn: „Dafür werden sie viel zu kostspielig sein und in zu geringem Ausmaß zur Verfügung stehen", so Rakos.

Die Diskussion um das GEG habe gezeigt, dass ein nur auf Wärmepumpen ausgelegter Umbau der Wärmeversorgung unrealistisch sei und nicht akzeptiert werde. „Es ist sehr verwunderlich, dass die deutschen Grünen nachhaltig genutzte Bioenergie, die heute fast emissionsfrei funktioniert, vom Umbau des Wärmemarkts ausschließen wollten. Hier hat die Desinformationspolitik einiger Umweltorganisationen leider Wirkung gezeigt", resümiert der Biomasse-Experte.

Der neue Entwurf des GEG habe diese Verirrung zum Glück ausgebessert, die daraus resultierende Verunsicherung der Haushalte habe jedoch dazu geführt, dass die Nachfrage nach Pelletheizungen in Deutschland um bis zu 90 Prozent gesunken sei. Das komme laut Rakos einem „massiver Rückschritt für die Wärmewende" gleich – und stellt ein großes Problem für die heimischen Hersteller von Pelletkesseln dar, die stark am deutschen Markt vertreten sind.

Christian Rakos, Geschäftsführer von proPellets Austria
Christian Rakos, Geschäftsführer proPellets Austria - © Georg Wilke
Uns wird Beharrung als Offenheit verkauft, als 'Technologieoffenheit', bei der alles bleibt, wie es ist.
Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar

Roger Hackstock: „EWG-Entwurf sollte schon längst beschlossen sein"

Auf einen positiven Schub für die Solarwärme durch das EWG hofft Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar: „Solarwärmeanlagen sind im EWG nicht direkt angesprochen, wenn sich der Heizungstauschmarkt jedoch aufgrund des Gesetzes bewegt, wird dies auch positive Auswirkungen auf den Solarwärme-Zubau haben." Er weist zudem auf den zeitlichen Rahmen hin, denn: „Der EWG-Entwurf sollte schon längst beschlossen sein und enthält zur Abfederung so viele Ausnahmeregeln, dass der Widerstand unverständlich ist."

Kritik am Entwurf werde laut Hackstock von jenen geäußert, „die unbedingt an den 900.000 Gasheizungen festhalten und diese Zahl sogar noch erhöhen wollen", aber „ohne eine Idee, wo das Gas künftig herkommen soll". Dabei strahle die Sonne in nur zwei Stunden so viel Energie auf ganz Österreich, wie diese Gasheizungen pro Jahr verbrauchen: Rund 25 TWh. Statt diese Energiequelle zu nutzen, wird laut Hackstock „Beharrung als Offenheit verkauft, als 'Technologieoffenheit, bei der alles bleibt, wie es ist".

Auch rechnerisch hat Hackstock Bedenken: „Wir können nur die Hälfte der derzeit neun Milliarden Kubikmeter Erdgas künftig durch Biogas ersetzen, wie alle Studien zeigen." Dieses grüne Gas werden Industrie und Kraftwerke bekommen, für Haushalte bleibe nichts übrig.

„Das weiß auch die Gaswirtschaft, daher propagiert sie den Import von Wasserstoff aus Afrika und der arabischen Halbinsel, um künftig auch Privathaushalte mit Wasserstoff zum Heizen zu versorgen. Das ist leider ökonomisch und technologisch nur Phantasie und soll den Menschen Sand in die Augen streuen, weil Beharrung bequemer ist als Veränderung", ist sich der Austria Solar-Geschäftsführer sicher.

Etwas Positives kann Hackstock der Forderung nach Technologieoffenheit aber abgewinnen: Sie zeige im Grunde nur, dass die Verfechter*innen der Gasheizung davon ausgehen, dass das EWG tatsächlich Wirkung zeigen und den Heizungsmarkt umbauen werde. Der Fokus des EWG auf heimische erneuerbare Energieträger sei im Sinne einer gesicherten Versorgung und der Unabhängigkeit von internationalen Energiemärkten der richtige.

Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar
Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar - © Wilke
Wer soll in jedem einzelnen Haushalt nachsehen kommen, ob die Gasheizung oder der Ölkessel nur zu 35 Prozent mit fossiler Energie läuft?
Roger Hackstock, Geschäftsführer von Austria Solar

Was das GEG anbelangt, sieht Hackstock durchaus Schwachstellen im Entwurf, etwa bei der Kontrolle: „Der Ansatz von 65 Prozent erneuerbare Energie beim Heizen klingt verlockend, ist im Grunde aber nicht vollziehbar. Wer soll in jedem einzelnen Haushalt nachsehen kommen, ob die Gasheizung oder der Ölkessel nur zu 35 Prozent mit fossiler Energie läuft?" Das sei nicht exekutierbar und öffne „Tür und Tor" für die Umgehung der Vorschrift.

Die „wilde öffentliche Debatte" ums GEG, die mittlerweile auch Talkshows erreicht hat, zeige klar was vom deutschen Vorschlag zu halten ist. Für den Branchenkenner ist der österreichische Ansatz klarer und konsequenter, die Botschaft an Heizungsbesitzer*innen und Investor*innen unmissverständlicher. „Durch den Zeitplan im Gesetz wird das langfristig kommuniziert und jeder weiß, was in zehn Jahren auf ihn zukommt. Ich halte das für den besseren Weg", betont Hackstock.

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Die Personen, die Grünes Gas propagieren, wissen genau, dass es für das Heizen nie kommen wird.
Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria

Richard Freimüller: „Wer Technologieoffenheit fordert, will nichts verändern"

Auch Richard Freimüller zeigt sich nicht vom Vergleich mit dem GEG-Entwurf überzeugt: „Der deutsche GEG-Entwurf ist meiner Meinung nach ein Fehlentwurf. Damit nähern wir uns der Energiewende um keinen Millimeter, sondern bleiben stehen, wo wir sind – beim Verbrauchen von Gas." Die geplanten 65 Prozent Erneuerbare seien mit einer kleinen Wärmepumpe machbar, aber danach habe man immer noch „das Gas am Hals". Das sei der falsche Weg.

„Wer Technologieoffenheit fordert, will nichts verändern. So werden Verbraucher*innen verunsichert, die dann damit rechnen, dass sie grünes Öl und Gas bekommen. Die Personen, die Grünes Gas propagieren, wissen genau, dass es für das Heizen nie kommen wird", betont der Verbandspräsident von Wärmepumpe Austria.

Österreich könne sich Grünes Gas für die Raumwärme auch gar nicht leisten, „das wäre eine vertane Chance". Es gäbe bereits andere Lösungen und so würde man deren Anwendung in die Zukunft verschieben. Denn: „Die Idee vom Grünen Gas schaut im Hier und Jetzt nur gut aus, weil man nichts ändern müsste."

Den Einsatzort von Grünem Gas sieht Freimüller in Hochtemperaturbereichen, Fabriken, und ähnliche Anwendungen, für E-Fuels im Bereich des Schwerverkehrs, für Schiffe und Co. Aber nicht beim Heizen: „Dort ergäbe sich ein Wirkungsgradverlust. Selbst wenn wir in Österreich so viel Ökostrom hätten, dass wir nicht wüssten, wohin damit, wären alle anderen Lösungen – ob Elektroauto oder Wärmepumpen – günstiger und gescheiter."

Richard Freimüller, Präsident Wärmepumpe Austria
Richard Freimüller, Verbandspräsident Wärmepumpe Austria - © Christof Huemer
Wenn die Forderung nach Technologieoffenheit dazu verwendet wird, um bestehende Systeme einzuzementieren und effiziente Anwendungsinnovationen der Wärmewende zu verhindern, ist sie abzulehnen.
Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin Erneuerbare Energie Österreich

Martina Prechtl-Grundnig: Technologieoffenheit – ein zweischneidiges Schwert?

„Als Branche finden wir es wichtig, dass das EWG nun endlich einmal zur Beschlussfassung gelangt", weist Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich, auf den zeitlichen Rahmen hin. Damit wäre ein wichtiger Schritt getan, um den Ausstieg aus Öl und Gas gesetzlich zu verankern, inklusive Zeitplan – „auch wenn dieser aus unserer Sicht für den Ausstieg aus Gas noch konkreter sein könnte".

„Mit dem Thema der Technologieoffenheit ist das so eine Sache", merkt die EEÖ-Geschäftsführerin an. Dass die Energiewende ein Umfeld brauche, das innovationsförderlich ist, stehe außer Zweifel. Dennoch bedürfe es für eine rasche und effiziente Umsetzung der Wärmewende auch konkrete Pläne und politischen Entscheidungen.

Aus Effizienzgründen mache es etwa keinen Sinn, wenn in einem erneuerbaren Energieversorgungssystem 900.000 Gasheizungen bestehen bleiben und dann mit dem „knappen Gut" Grünem Gas versorgt werden, „da die Eigenschaften von Gas nicht so leicht ersetzt werden können". Man brauche Grünes Gas dringend in der Industrie und in Kraftwerksanlagen zur Erzeugung von Ausgleichsenergie, betont Prechtl-Grundnig.

„Im Niedertemperaturbereich, eben für die Bereitstellung von Raumwärme, gibt es gute Alternativen, die dem zukünftigen Energiesystem zu mehr Effizienz verhelfen und auch die Kund*innen am Ende zufrieden machen", ist sie sich sicher. Diese würden sich dann nicht mit steigendem Kostendruck für ein knappes Gut konfrontiert sehen. „Wenn die Forderung nach Technologieoffenheit also dazu verwendet wird, um bestehende Systeme einzuzementieren und effiziente Anwendungsinnovationen der Wärmewende zu verhindern, ist sie abzulehnen", schließt Prechtl-Grundnig.

Was kommunale und regionale Wärmepläne betrifft, sei Deutschland Österreich laut der Expertin um ein paar Schritte voraus: „Was es nach dem EWG noch braucht und in Deutschland bereits in einigen Bundesländern forciert wird sind konkrete kommunale und regionale Wärmepläne."

Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin Erneuerbare Energie Österreich  (EEÖ)
Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin Erneuerbare Energie Österreich - © Kleinwasserkraft Österreich

Diese Argumente sprechen gegen mehr Technologieoffenheit im EWG

Ein Vergleich der Statements von Rakos, Freimüller, Hackstock und Prechtl-Grundnig, bringt einige wiederkehrende Argumente gegen mehr Technologieoffenheit im EWG hervor:

  1. Nicht ob, sondern wo: Grünes Gas hat seine Berechtigung, wird zukünftig aufgrund seiner Knappheit aber an anderer Stelle benötigt. Statt für Raumwärme in Privathaushalten zu sorgen, sehen die Expert*innen die Anwendung von Grünem Gas in der Industrie, bei Hochtemperaturprozessen oder als Ausgleichsenergie.
  2. Nobody's perfect: Auch der Entwurf des deutschen GEG hat Schwachstellen, wie zum Beispiel die Frage nach der Kontrolle oder der weiterhin ermöglichten Abhängigkeit vom Energieträger Gas.
  3. Verunsicherung der Endkonsument*innen: Wenn diese damit rechnen, ihre Heizungen künftig mit Grünem Gas weiterbetreiben zu können, besteht wenig Anreiz, auf erneuerbare Heizsysteme umzusteigen.
  4. Höchste Eisenbahn: Um die ambitionierten Klimapläne Österreichs zu erreichen, sollte das EWG möglichst zeitnah beschlossen werden, damit Planungssicherheit eintritt.