Raus aus Öl und Gas im Mehrfamilienhaus : Wärmepumpe goes Wohnung – aber wie?

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Ein Drittel der Wohnsitze Österreichs befinden sich im Gas-beheizten Mehrgeschosswohnbau.

- © TRFilm - stock.adobe.com

Eineinhalb Millionen Wohnungen im Mehrgeschosswohnbau werden heute noch mit Gas beheizt. Fast jeder dritte Mensch in Österreich wohnt somit in einer Wohnung, die von einem leitungsgebundenen fossilen Energieträger für Raumwärme und Warmwasser abhängig ist. Brechen wir die Zahlen der Statistik Austria für 2023 etwas genauer herunter: 

Von den etwas über 4 Mio. Hauptwohnsitzen, die die Statistik Austria für 2023 ausgewiesen hat, befinden sich fast 60 Prozent in Mehrfamilienhäusern; also in Gebäuden, in denen mindestens drei oder mehr Wohnungen anzutreffen sind. Addiert man die Nebenwohnsitze dazu, kommt man auf ziemlich genau 3 Mio. Wohnungen im Mehrgeschosswohnbau, von denen 2,4 Mio. als Hauptwohnsitz genutzt werden. Allein Wien zählt mindestens 900.000 Wohnungen, hier ist die Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser naturgemäß am kleinsten. 

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Solenetz und Mini-Wärmepumpe

Beheizt werden diese Wohnungen jeweils knapp zur Hälfte mit Gas und mit Fernwärme; ein paar Prozent für Öl und Biomasse kommen noch dazu, die Zahl der mit Wärmepumpen ausgestatteten Wohnhäuser lässt sich an den Fingern von ein paar wenigen Händen abzählen. Der urbane Bereich mit seinen vielen Mehrgeschoss-Wohnbauten stellt die Wärmewende vor das größte Problem. Bei der Umstellung auf erneuerbare Energieträger hat die Wärmepumpe derzeit die Nase vorne: Wenn die Branche es schafft, die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen zu lösen.

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Den spektakulärsten Ansatz dazu liefert derzeit Roots Energy. Kurz gefasst wird hier neben dem Gasnetz ein Sole-Netz im Haus installiert, das von verschiedensten Wärmequellen gespeist werden kann. Beide Netze sollen anfänglich parallel existieren, sodass jede einzelne Wohnung selbst entscheiden kann, ob und wann sie von der Gastherme auf eine Mini-Wärmepumpe und vom Gasnetz aufs Solenetz umsteigen kann. Diese Mini-Wärmpumpe nennt Roots Energy „Solethermen“ und schlägt unter anderem eine Novelan WSV mit 240l Warmwasserspeicher vor. 

Dezentral ist umstellungsfreundlich

Andreas Kahr, Geschäftsführer von ait-austria und damit auch für die Marke Novelan in Österreich verantwortlich, nennt seine eigenen Wärmepumpen freilich nicht so: „Den Begriff Soletherme haben die Roots-Jungs als Gegenstück zur Gastherme entwickelt. Sie wollen mit ihrem Konzept vor allem Genossenschaften und Hausverwaltungen ansprechen, mit der Verwendung von ‚-therme‘ kann sich dort jeder rasch ein Bild vom Grundgedanken machen.“ 

Diese Lösung ist für ihn extrem umstellungsfreundlich, denn damit können die unterschiedlichen Interessen in einem Wohnbau berücksichtigt werden: „Der eine hat ein 20 Jahre altes Gerät, das längst erneuert gehört, der andere hat erst vor einem Jahr seine Gastherme getauscht. Mit dieser Lösung könnte man Geräte je nach Alter unterschiedlich lang auslaufen lassen. Das würde die Sanierungsrate deutlich erhöhen.“

Andreas Kahr ait austria
Andreas Kahr, ait-austria: „Mit dezentralen Lösungen könnte man Gas-Geräte je nach Alter unterschiedlich lang auslaufen lassen. Das würde die Sanierungsrate deutlich erhöhen.“ - © ait austria

Gesamtwirkungsgrad im Blick behalten

Kritischer sieht das Konzept Ralph Reisinger, Produktmanager für Objektlösungen bei Stiebel Eltron. Die Idee wirkt zwar auch für ihn innovativ, aber: „In der Praxis führt die notwendige Bereitstellung einer Wärmequelle zu einem zweistufigen System der Wärmeerzeugung. Da im urbanen Raum meist kein kaltes Nahwärmenetz oder ähnliches vorhanden ist, muss eine zusätzliche Wärmeerzeugung für das Gebäude installiert werden, was den Gesamtwirkungsgrad des 2-stufigen Konzepts verschlechtert.“ 

Nur unter bestimmten Bedingungen – konkret einer verfügbaren kalten Nahwärmequelle, einem sinkenden Zinsniveau und reduzierten Investitionskosten – können für Reisinger dezentrale Wärmepumpenlösungen im verdichteten Wohnbau eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative sein.

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Kompakte Wohnungsstationen für die Sanierung

Reisinger hat einen anderen Lösungsansatz: „In der Sanierung bieten zentrale Wärmepumpen mit Wohnungsstationen klare Vorteile. Sie ermöglichen einen effizienten und wirtschaftlichen Umstieg in Mehrfamilienhäusern mit bestehenden Gasetagenheizungen“. Für den einfachen Austausch dezentraler Gasthermen hat Stiebel Eltron eine neue Wohnungsstation auf den Markt gebracht. Die WS-GTA Trend integriert die komplette Wohnungstechnik für Heizung und Warmwasserbereitung in einem Gehäuse. 

Für die Trinkwarmwasserregelung kommt diese Wohnungsstation mit nur einem Ventil mit einem Thermostatknopf und Fühler aus. Schnelle und genaue Ausregelung sowie geringe Druckverluste sind die Folge, zudem wird keine Hilfsenergie benötigt. Der Heizkreis ist ebenfalls integriert wie ein Wärmemengenzähler zur wohnungsgenauen Verbrauchserfassung. Kompakte Bauweise, hoher Vormontagegrad und eine Gesamtbreite von unter einem halben Meter beschleunigt den Austausch der Gas-Heizung. In Kombination mit einer zentralen Wärmepumpenlösung rechnet Stiebel Eltron dabei mit deutlich geringeren Investitionskosten bei vergleichbaren Energiekosten mit dezentralen Wärmepumpen-Lösungen. 

Ralph Reisinger, Stiebel-Eltron: „In der Sanierung bieten Wohnungsstationen mit einer zentralen Wärmepumpe hingegen klare Vorteile.“
Ralph Reisinger, Stiebel-Eltron: „In der Sanierung bieten Wohnungsstationen mit einer zentralen Wärmepumpe hingegen klare Vorteile." - © Stiebel-Eltron
In der großvolumigen Sanierung haben sich zentrale Systeme als die meist einfachere Lösung herauskristallisiert.“
Roland Kerschbaum, Panasonic

Luftwärmepumpe am Dach

Die vielleicht längste Erfahrung mit der Wärmepumpe in der Sanierung hat hierzulande Roland Kerschbaum, der seit über 10 Jahren die Wärmepumpen von Panasonic in Österreich vertritt. Er spezialisierte sich von Anfang an auf Renovierungsprojekte, denn das Thema war damals noch so gut wie unbesetzt. Wohnungen oder Reihenhäuser mit kleinen 3 kW-Wärmepumpen auszustatten ist für ihn Alltagsgeschäft, stößt aber häufig auf Platzprobleme

Sein Fazit ist deshalb ähnlich dem von Ralph Reisinger: „In der großvolumigen Sanierung, bei der ein gesamtes Wohnhaus mit mehreren Wohneinheiten von dezentralen Gasthermen auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden soll, haben sich zentrale Systeme deshalb als die meist einfachere Lösung herauskristallisiert.“

Entscheidend für ihn ist dabei die Bereitstellung der Wärmequelle, für die Panasonic gerne aufs Dach geht: „Knapp die Hälfte aller Dächer in Wohnhäusern können ohnehin nicht ausgebaut werden, daher ist dort genug unbenutzbarer Platz für eine 30 kw-Wärmepumpe vorhanden.“ Am Dach kann für die R290-Geräte wie vorgeschrieben ein eigener Brandschutzraum mit getrennter Zu- und Abluft gebaut werden, der noch dazu von außen nicht zu sehen ist und zudem alle Schallschutzanforderungen übererfüllt. Heizungswasserleitungen werden ganz einfach durch den Kamin in die Wohnungen geführt.

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Roland Kerschbaum, Panasonic: „Am Dach ist genug unbenutzbarer Platz für eine 30 kw-Wärmepumpe.“
Für Wohnungsstationen braucht es hohe Temperaturen, da wird meist viel Energie vernichtet.
Andreas Kahr, ait-austria

Dezentrale Speicher fürs Warmwasser

Bei der Warmwasserbereitung unterscheidet sich die von Panasonic bevorzugte Lösung aber deutlich von Stiebel Eltron. Ein dezentraler Speicher wird dort aufgehängt, wo früher die Gastherme Platz hatte. Bei der Beladung desselben ist Kerschbaum flexibel: „Je nach technischen Möglichkeiten kann der Warmwasserspeicher in den Heizkreislauf eingebunden werden und mit einem Elektro-Heizstab als Booster für die fehlende Temperatur ausgestattet werden. Oder er wird in eine PV-Anlage eingebunden, wenn diese verfügbar ist.“ Die Lösung mit Wohnungsstationen habe demgegenüber zu große Zirkulationsverluste, daher sei das die energieeffizientere und auch von den Installationskosten her günstiger Lösung.

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Das sieht auch Andreas Kahr so: „Für Wohnungsstationen braucht es hohe Temperaturen, da wird meist viel Energie vernichtet. Wir bevorzugen Niedertemperaturlösungen und dezentrale Warmwasserbereitung ohne Zirkulationsverluste.“ Die Warmwasserbereitung kann dann beispielsweise mit E-Boilern, Frischwasserstationen oder Solewärmepumpe als Booster im Heizungsrücklauf erfolgen – letzteres seine bevorzugte Lösung. Generell sieht Kahr genug Platz am Markt sowohl für zentrale wie auch dezentrale Lösungen: „In der Sanierung des Mehrgeschoss-Wohnbaus brauchen wir mehrere Konzepte, dezentral ebenso wie zentral.“ 

Für alle Arten der Geothermie im Wohnbau

Für dezentrale Lösungen bringt ait-austria heuer die seit Jahren im Mehrfamilienhaus bewährte Novelan WSV mit Propan auf den Markt, natürlich mit einer Füllmenge von 150g Kältemittel und somit ohne Aufstellungsvorgaben im Wohnbereich. Auch das restliche Soleprogramm wird dann schrittweise umgestellt, inklusive der baugleichen Geräte von Alpha Innotec. 

Kahr: „Der Clou ist die herausnehmbare Kältebox, mit der auch Bestandsgeräte auf das natürliche Kältemittel R290 umgestellt werden können.“ Entscheidend ist es, die Propan-Serie für alle Arten der Geothermie zu optimieren. So können sowohl Tiefenbohrungen, Erdsonden als auch Ringgraben-Kollektoren und kalte Nahwärmenetze als Energiequelle dienen.

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© Bundesverband Wärmepumpe e.V.
Es dauert oft Jahre, bis der erste Handwerker zu arbeiten beginnen kann!“
Andreas Kahr, ait-austria

Fehlende rechtliche Rahmenbedingen senken Sanierungrate

Bei allen Unterschieden im Detail der Umsetzung: Technologisch ist die Wärmepumpenbranche mittlerweile auf allen Ebenen bereit für „Raus aus Gas“ im Wohnbau, mit einer Vielzahl an Lösungen, aus denen je nach Bedarfssituation gewählt werden kann. Der Knackpunkt ist aber nicht die Technik, sondern die rechtlichen Rahmenbedingungen, gibt der ait-austria-Geschäftsführer zu bedenken: „Wie kommt man mit Mietern und Eigentümern zu einem Konsens, vor allem wenn es um zentrale Lösungen geht? Da dauert es oft Jahre, bis der erste Handwerker zu arbeiten beginnen kann!“ 

Deshalb sind die Sanierungsraten im Mehrfamilienhaus auch so niedrig, wesentlich niedriger als im Einfamilienhaus– und deshalb sind Anpassungen im Miet- und Wohnrecht dringend nötig, will man die Wärmewende auch in den Wohnbau bringen. Zur Erinnerung: 1,5 Mio. mit Gas versorgte Wohnungen, die ein Drittel der österreichischen Bevölkerung beherbergen, sind zu sanieren.