Das große Strategie-Interview : Alles Lösung: Wie Frauenthal seine Kunden noch erfolgreicher machen will
Bei der Frauenthal Handel Gruppe steht ab sofort das Motto „Alles Lösung“ im Mittelpunkt. Nun orientiert sich der Großhandel in Österreich doch seit einigen Jahren stark in Richtung Dienstleistungs- und Servicegeschäft. Wie ist es entstanden und was verbirgt sich dahinter?
Dragan Skrebic: Wir sind von einer ganz einfachen Frage ausgegangen, die man im Vertrieb oft hört. So einfach die Frage ist, so schwer ist die Antwort. Sie lautet „Warum soll ich bei Ihnen kaufen?“ Darauf muss die Strategie des Unternehmens eine klare Antwort bieten, diese Frage sollte sich jeder Vertriebsmitarbeitende und jedes Unternehmen stellen. Unsere Antwort aus Überzeugung darauf lautet: Wir machen unsere Kunden noch erfolgreicher! Danach orientieren wir uns im gesamten Unternehmen und dieser Leitstern prägt unser Handeln und Tun. Auf die Frage, wie wir das machen, findet sich die Antwort zum einen in unserem Konzept „Alles Lösung“ und zum anderen in unseren kompetenten und motivierten Mitarbeitenden. Schlussendlich wird unser Geschäft von Menschen und zwischen Menschen gemacht. Das ist aus meiner Sicht auch der beste Weg, als technischer Großhandel Differenzierungspunkte zu schaffen, ein Stück aus der direkten Austauschbarkeit zu kommen und insgesamt die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
Bei der Entstehung und Entwicklung des Konzepts „Alles Lösung“ haben Sie einiges an eigener Berufserfahrung eingebracht. Welchen Hintergrund bringen Sie da ein?
Skrebic: Ich bin Elektrotechniker und habe rund 25 Jahre im Großhandelsgeschäft verbracht, wo ich das Geschäft richtig von der Pike auf gelernt habe. Meine Eltern sind Ende der 1960er-Jahren aus Bosnien als Gastarbeiter nach Österreich gekommen, ich bin in Wien geboren und habe auch in Wien die HTL für Elektrotechnik besucht. Nach einem Jahr als Planer bei einem Elektrotechniker habe ich sehr schnell erkannt, dass mir die reine Technik zu wenig ist und ich zusätzlich Interesse an kaufmännischen Themen habe. So wechselte ich mit 20 in den Außendienst eines Großhändlers. In meinen folgenden Funktionen in verschiedenen mittelständischen Unternehmen und Konzernen lernte ich alle Aspekte der Wertschöpfungskette der Elektrobranche kennen. Seit 2019 bin ich bei Frauenthal: eingestiegen bei der Kontinentale, begann relativ rasch parallel der Aufbau von elektromaterial.at und vor rund zwei Jahren kam die Gesamtverantwortung für Vertrieb und Marketing der Frauenthal Handel Gruppe dazu.
Vier Eckpfeiler: Logistik, Digital, Service und Marketing
Warum ist der Großhandel für Sie der richtige Platz? Welche Bedeutung hat der Großhandel heute noch?
Skrebic: Die Bedeutung des technischen Großhandels in der gesamten Wertschöpfungskette ist enorm. Dabei denke ich nicht nur daran, dass der Großhandel in der Regel der effizienteste Weg ist, Ware von der Produktionsstätte zum Kunden zu bringen, sondern das Angebot geht heute bereits – zumindest bei leistungsorientierten Großhändlern – viel weiter. Ich bin überzeugt, dass gesamtheitlich betrachtet in der Haustechnikbranche, also HKLS und Elektro, diese Bedeutung weiter zunehmen wird. Dabei ist uns klar, dass wir uns über die physischen Produkte, die wir vertreiben, nicht oder nur bedingt vom Mitbewerb unterscheiden können. Was wir produzieren und wodurch wir uns differenzieren, sind Servicelösungen, die unseren Kunden das Leben leichter und sie schlussendlich noch erfolgreicher machen.
Das ist ein ziemlich großes Versprechen …
Skrebic: Ja, und wenn wir als leistungsorientierter Großhändler da den Mund schon so voll nehmen, müssen wir freilich auch Antworten liefern. Unsere Antwort lautet: „Alles Lösung“. Das Konzept baut auf vier Eckpfeilern auf: Logistik, Digital, Service und Marketing. Die ersten beiden Eckpfeiler verfolgen das Ziel, die Produktivität unserer Kunden zu verbessern und die beiden anderen zielen darauf ab, unsere Kunden dabei zu unterstützen, mehr Umsatz zu generieren. In jedem dieser Bereiche stecken eine Vielzahl an verschiedenen Lösungen, mit denen wir das Ziel verfolgen, unsere Kunden noch erfolgreicher zu machen. Ich bin sicher, dass in diesem Blumenstrauß an Lösungen für jeden Kunden etwas dabei ist. Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt, sondern wird laufend im Dialog mit Kunden weiterentwickelt.
Wir differenzieren uns über Serviceleistungen, die unseren Kunden das Leben leichter machen.
Logistik-Optimierung: Jetzt noch später bestellen
Sprechen wir gleich über die Logistik, die ursprüngliche Kernkompetenz des Großhandels. Die ist in Österreich bisher schon extrem weit entwickelt und sehr kundenorientiert aufgestellt, mit sehr späten Bestellzeiten, Über-Nacht-Sprung, fast Null-Fehler-Quote und so weiter: Was lässt sich daran bitte noch verbessern?
Skrebic: Gute Frage! Unsere Logistik ist bereits jetzt großes Kino, nur um ein Beispiel dafür zu nennen, wir führen heute über 50.000 verschiedene Artikel lagermäßig und liefern die am Vortag bestellte Ware mit rund 220 eigenen LKWs täglich vom Neusiedlersee bis zum Bodensee aus und das sowohl in die Firma als auch auf jede Baustelle im gesamten Bundesgebiet. Wir haben aber seit Juni etwas Neues aus dem „Alles Lösung“ Konzept zu bieten. Was ist das Grundbedürfnis der Kunden in Sachen Logistik? Die benötigte Ware so spät wie möglich bestellen zu können und diese dann so früh wie möglich – am besten noch bevor morgens aufgesperrt wird – zu bekommen. Daher haben wir seit Juni neue Bestellannahmezeiten für Lieferungen am nächsten Werktag: Unsere Kunden können jetzt bis 18.30 Uhr bestellen und bekommen die Ware am nächsten Werktag geliefert! Das ist ein Leistungsversprechen, das in Österreich einzigartig ist, vor allem in Verbindung mit über 50.000 lagermäßig geführten Artikeln. Zusätzlich starten wir im Großraum Oberösterreich ein Pilotprojekt: Hier können Kunden die Ware am Samstag bis 12:00 Uhr über den Onlineshop bestellen und die Artikel bereits am Montag übernehmen. Um das realisieren zu können, machen wir logistische Klimmzüge. Das fordert unserem Prozess viel ab – es betrifft ja nicht ausgewählte Bereiche, sondern alle über 50.000 Lagerprodukte!
Spricht man mit den Leuten aus dem Großhandel, und Sie haben die Diskussionen im Haus sicher auch geführt, dann sind diese hinter vorgehaltener Hand schon mit dem Status-quo nicht glücklich. Der Tenor ist, wir haben unsere Kunden zu sehr verwöhnt, unsere Prozesskosten für späte Bestellmöglichkeit und 3-mal-täglicher Lieferung sind enorm, am liebsten würden wir das sogar zurückschrauben. Und jetzt gehen Sie den gegenteiligen Weg und setzen da sogar noch eins drauf. Warum?
Skrebic: Das ist eine sehr wichtige Diskussion. Mein Zugang dazu ist, dass wir unsere Leistungsfähigkeit „smart“ weiterentwickeln müssen. Dabei unsere und auch die Kundenproduktivität im Auge haben. Ein zweites, drittes, viertes Mal am Tag einen LKW beim Kunden vorbeizuschicken ist nicht smart und wenn man es durchdenkt bzw. zu Ende denkt, hilft es uns beiden nicht. Smart ist es, für Kunden Lösungen zu finden und richtigen Nutzen zu schaffen. So nehmen wir ihm ein Stück die Kosten für die eigene Lagerhaltung ab, stellen unsere Leistungen auf seine Abläufe ein. Kunden können jetzt außerhalb der regulären Öffnungszeiten agieren und müssen nicht am nächsten Tag reagieren. Und nicht zuletzt differenzieren wir uns damit auch von ausschließlich preisorientierten Händlern bzw. Handelsformen.
Auch auf Kundenseite sind nicht alle mit dieser extremen Serviceorientierung des Großhandels glücklich. Da gibt es kritische Stimmen, die sich fragen, warum sie als gut organisierter Betrieb mit vorausschauendem Bestellwesen die hohen Kosten, die der Großhandel für solch logistische Klimmzüge hat, mittragen sollen – diese Lösung komme ja nur den schlechter aufgestellten Betrieben zugute.
Skrebic: 80 Prozent aller Installationsbetriebe haben maximal 10 Mitarbeitende. Auch die Struktur der Elektrofirmen ist ähnlich. Diese Kundengruppe hat andere Anforderungen und benötigt andere Leistungen als beispielsweise ein Anlagenbauer bei Großprojekten. Wir haben Lösungen für beide Bereiche und bieten ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis.
Wie der Großhandel die Lieferprobleme der Industrie abfedert
Was macht „Alles Lösung“ im Kern aus? Was ist der USP dieses Konzepts?
Skrebic: Wir machen unsere Kunden noch erfolgreicher. Das ist mehr als nur ein Satz, es ist unsere Überzeugung und danach richten wir unser Handeln aus. „Alles Lösung“ und alles, was damit zusammenhängt, wird immer mehr Teil unserer DNA. Wir sind überzeugt, weit mehr als nur der Rechnungspreis zu sein, wir differenzieren uns vom Mitbewerb über das Gesamtangebot und über unsere kompetenten und motivierten Mitarbeitenden. Die beste Strategie ist nur so viel Wert, wie gut und motiviert die Mitarbeitenden sind, die sie umsetzen. Das Konzept ist wie ein Mosaikbild. Es sind aktuell 23 Lösungen, von denen nicht jede ein USP ist, die aber insgesamt ein einzigartiges Leistungsbild in der österreichischen Großhandels-Landschaft ergeben. Es kommen auch immer wieder weitere Lösungen dazu. Es geht sehr stark um smarte Kundenorientierung. Das Motto „Jeder nützt sich selbst am besten, indem er sich anderen als nützlich erweist“, ist dabei eine gute Basis und so wollen wir als Frauenthal unseren Kunden nützlich sein und schlussendlich ist unser Ziel der Nummer EINS Partner für jede*n Installateur*in und Elektriker*in zu sein!
Wenn wir uns die konkreten Probleme anschauen, unter denen Ihre Kunden leiden, dann sind es zwei. Das brennendste ist derzeit die Liefersituation. Es hapert in sehr vielen Fällen an der Materialverfügbarkeit. Wie können sie das als Großhandel abfedern?
Skrebic: Die Verfügbarkeitsthematik besteht in erster Linie durch Lieferschwierigkeiten der produzierenden Industrie. Es geht dabei sehr stark um jene Produktsegmente, die auf Chips und Halbleiter angewiesen sind. Dann gibt es auch boomende Marktsegmente wie Wärmepumpen und Photovoltaik, wo die Produktion mit dem explodierenden Absatz kaum Schritt halten kann. Wir als Großhändler versuchen durch verschiedene Maßnahmen die daraus resultierenden Probleme für unsere Kunden abzufedern. So haben wir begonnen, sehr früh unsere Lagerstände hochzufahren. Dadurch ist unsere Lieferfähigkeit über das gesamte Sortiment gesehen recht gut. Bei manchen Produktgruppen ist ein Aufbau schwierig, da jeder Wareneingang nur zur Auflösung von Rückständen reicht. Aktuell haben wir die höchsten Lagerstände aller Zeiten und mussten sogar externe Lagerflächen anmieten.
Wie hilft das den Gebäudetechnikern, wenn manche Produkte einfach nicht verfügbar sind?
Skrebic: Durch die Breite der Hersteller in unserem Portfolio können wir die Anforderungen des Kunden sehr oft lösen. Wenn also das gewünschte Produkt eines bestimmten Herstellers nicht lieferbar ist, finden wir für unsere Kunden sehr oft Alternativen. Da sind wir flexibler und tun uns als Großhändler leichter als ein 2-Stufler.
Unsere Zukunftsbranche muss sich bei jungen Menschen noch attraktiver präsentieren.
Lehrlinge werben Lehrlinge
Das zweite durchgängige Problem ist der Facharbeitermangel, es fehlt zunehmend an Personal, um die bestehenden Aufträge überhaupt abarbeiten zu können.
Skrebic: Das ist in sehr vielen Branchen mittlerweile das größte Problem und besonders stark betroffen sind Handwerkerberufe. Dieses gesamtgesellschaftliche Problem kann ein einzelnes Unternehmen nicht lösen. Hier ist die gesamte Wertschöpfungskette gefordert. Unsere Zukunftsbranche muss sich bei jungen Menschen noch attraktiver präsentieren. Ich bin überzeugt, dass wir in ein goldenes Jahrzehnt des Handwerks gehen, denn wir sind bei nahezu allen Megatrends mittendrin statt nur dabei. Themen wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz bis hin zur Elektromobilität bieten die besten Voraussetzungen für das Berufsleben junger Menschen.
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Ohne Zweifel, trotzdem die Frage: Was könnte die Frauenthal hier an Lösungen anbieten, etwa im Bereich Personaldienstleistung oder Weiterbildung?
Skrebic: Mit unserer Lösung Bad & Energie Service greifen wir Installateur*innen bei Montage- und Wartungsarbeiten unter die Arme. Die Weiterbildungsangebote für unsere Kunden sind sicher noch ausbaufähig. Wir haben das Thema jedoch am Schirm und werden Kunden in Zukunft noch stärker unterstützen. Auf der Frauenthal EXPO wird es dazu Vorträge und Diskussionsrunden geben. Bei uns im Unternehmen selbst setzen wir stark auf Lehrlingsausbildung und auf das Konzept „Lehrlinge werben Lehrlinge“. Lehrlinge wissen am besten, wie man junge Menschen erreicht und überzeugt. Wir haben mit „Bluebird“ eine interne Trainingsfirma, wo unsere Lehrlinge sich an unternehmerischen Aufgaben ausprobieren können – und da arbeitet unser Nachwuchs ganz hervorragend an Ideen und Kampagnen.
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Wofür Digitalisierung im Handwerk steht
Ein wesentlicher Aspekt bei „Alles Lösung“ ist die Digitalisierung, die bei Ihnen eines der vier Lösungsangebote ausmacht. Wohin legen Sie dabei den Schwerpunkt?
Skrebic: Jede digitale Maßnahme, die wir unseren Kunden anbieten, muss auf mindestens eines von drei möglichen Zielen einzahlen: Entweder die digitale Lösung steigert bei Kunden die Produktivität, die Qualität der Prozesse oder unterstützt dabei mehr Business zu machen. Ein Beispiel ist die App Stoercode, für die wir die exklusiven Vertriebsrechte für Österreich erworben haben. Albert Kohl hat hier 200.000 Störcodes aller wichtiger Hersteller zusammengetragen. So können Installateur*innen schnell Fehler beheben. Diese Lösung ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal der Frauenthal.
Seit Kurzem gibt es auch einen neuen CDO, einen Chief Digital Officer. Woran arbeitet dieser gerade?
Skrebic: Michael Hoffmann ist unser CDO und die neue B2B-App ist ein großes Projekt, das er gerade vorantreibt. Die neue App, die wir auf der EXPO präsentieren, hat den Anspruch, die beste App der Branche zu werden und wird somit DAS mobile digitale Werkzeug für unsere Kunden; sie bietet auf einen Blick alle Informationen vom Lagerstand über Preise bis zur aktuellen Liefersituation – und sie wird noch mit weiteren smarten, sinnvollen Funktionen aufgeladen sein, wobei nach der EXPO laufend weitere folgen werden. Ich bin mir sicher, dass sich die App in den Arbeitsalltag unserer Kunden gut eingliedern und gute Dienste leisten wird. Schlussendlich sollen unsere Kunden damit ein Stück noch erfolgreicher werden.
Elektromaterial hat den Platz am Markt gefunden
Auch an einer völlig anderen Front gibt es eine Neuerung, und zwar bei den 1a-Installateuren, wo Paul Apfelthaler in den Ruhestand gewechselt ist. Was erwarten Sie sich persönlich von der Marketinggemeinschaft?
Skrebic: Die 1a-Installateure arbeiten eng mit der SHT zusammen und agieren sehr stark als Marketing-Vereinigung. Darüber hinaus sollen in Zukunft neue Leistungen für die Mitgliedsbetriebe entstehen. Welche das sein werden, gilt es gemeinsam mit der SHT und den Mitgliedsbetrieben zu entwickeln. Der neue 1a-Geschäftsführer Patrick Lenhart möchte jedenfalls eine WIN-WIN-WIN-Situation schaffen.
Ihr Einstiegsprojekt in die Frauenthal war der Elektro-Großhändler elektromaterial.at. Wie hat sich der entwickelt?
Skrebic: Nach einer Vorbereitungszeit von rund 8-9 Monaten sind wir im Oktober 2020 an den Start gegangen und stehen heute mit unseren Elektroaktivitäten in der Frauenthal bei Monatsumsätzen von deutlich über 3 Mio. Euro. Wir haben bereits rund 10.000 Elektroprodukte auf Lager. Das ist echt erfreulich und zeigt, dass wir unseren Platz am Markt gefunden haben und konsequent stärker werden. Natürlich wird auch dieses Angebot auf der Frauenthal EXPO präsentiert und zu unserem EXPO Alleinstellungsmerkmal beitragen: Dass wir nämlich die einzigen sind, die in Österreich die gesamte Haustechnik unter einem Dach anbieten.