Solarthermie in Österreich : Ein Leben für die Solarwärme: Robert Kanduth zieht Bilanz

Unter der Sonne Südafrikas: Robert Kanduth genießt den Sommer in Kapstadt.

- © Robert Kanduth

Robert Kanduth erreicht man derzeit am besten nachmittags, wenn er in Kapstadt von einer sommerlichen Runde Golf zurückkommt. Der Solarpionier, Unternehmer und Multifunktionär verbringt das Winterhalbjahr in der südlichen Hemisphäre. Im Gespräch wird klar, dass das nicht nur eine örtliche Distanzierung ist. Der Blick auf die Entwicklungen der letzten 25 Jahre ist ebenso kritisch wie der auf die aktuelle Lage Österreichs und Europas im Vergleich zum Rest der Welt. Das Gespräch spannt den Bogen von der solaren Selbstbaubewegung über die Industrialisierung bis zur politischen Strategieänderung in Richtung PV-Förderung und die Folgen für die Energiepolitik und den Industriestandort Europa.

Die Anfänge: Industrialisierung in Eigenregie

Wie sind Sie selber auf die Solarthermie gekommen?

Robert Kanduth: Eigentlich durch Zufall. Ich war Ende der 1980er in einem Industriekonzern Produktionsverantwortlicher, wollte mich selbstständig machen und habe nach einem geeigneten Thema gesucht. Nach einigen Versuchen, die nicht so gelungen waren, bin ich auf eine solarthermische Selbstbaugruppe gestoßen. Das hat mir gefallen, nur fand ich die Art der Produktion unprofessionell, und ich war überzeugt, dass ich das industriell besser fertigen könnte.

War das eine der Selbstbaugruppen, die von der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien aus Gleisdorf ausgehend betreut wurden?

Kanduth: Ja, genau – Armin Themeßl hat das Thema zu uns nach Kärnten gebracht. Speziell die Absorberfertigung war in der Form nicht zufriedenstellen, also habe ich 1990 für eine industrielle Produktion Werkzeuge und Maschinen gebaut. Der erste Gedanke war es, den Selbstbauern nur die Absorber zu verkaufen, damit die das nicht selber zusammenlöten müssen. Das hat nicht funktioniert, also habe ich begonnen vollständige Kollektoren zu bauen, ganze Anlagen in Eigenregie zu verkaufen und auch zu montieren. Das ist mir leichtgefallen, ich bin ja gelernter Schlossermeister. Für die Heizungstechnik und die Einbindung in den Heizungskreislauf habe ich anfangs mit Installateuren zusammengearbeitet.

Was wären den Alternativen zur Solarthermie gewesen, mit denen Sie sich selbstständig gemacht hätten?

Kanduth: Naheliegend wäre Schlosserei oder Portalbau gewesen. Ich habe aber viel ausprobiert, zum Beispiel bin damals in der Türkei auf einen Hersteller von Übertöpfen und Aschenbechern aus Kupfer gestoßen, mit denen ich eine Zeitlang gehandelt habe. Das war nicht so glücklich … auch die Solaranlagen habe ich anfangs nebenberuflich gebaut und vertrieben, ich war damals ja noch bei Philips angestellt. Am Abend habe ich die Kollektoren gefertigt, am Wochenende bin ich auf Montage gefahren …

Robert Kanduth, seit 1999 Präsident des Verbands Austria Solar
Die Solarhersteller waren am Anfang richtig schockiert, dass da ein Mitbewerber persönlich zu Ihnen kommt
Robert Kanduth

Der Verband als nächster Professionalisierungsschritt

Den Durchbruch als Industrieller haben Sie 1994 geschafft mit einem Wannenkollektor, der durch die Decke gegangen ist. In gewisser Weise haben Sie damit aber auch das Ende der Selbstbaugruppen eingeläutet, oder?

Kanduth: Es war ein riesiger Vorteil für beide Seiten, dass wir über die Jahrzehnte immer eng zusammengearbeitet haben. Es gab damals ja noch keine Kollektoren am Markt, deshalb mussten diese anfänglich auch in Eigenregie gebaut werden. Mit dem Schritt in die Industrialisierung konnte sich die AEE in eine andere Richtung entwickeln. Das ist für mich seit 33 Jahren der wichtigste Partner, wir arbeiten bei Entwicklungs- und Forschungsprojekten eng zusammen.

1999 folgte die Gründung des Verbands Austria Solar, auch das eine Initiative von Ihnen. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?

Kanduth: Die Konkurrenzsituation unter den Herstellern, die in den 1990ern auf den Markt gekommen sind, war schlimm. Jeder hat über jeden geschimpft und irgendwelche Geschichten erzählt. Das hat mich gestört, weil ich überzeugt war, dass es gemeinsam besser ginge, und hab beschlossen alle zu besuchen. Die waren am Anfang richtig schockiert, dass da ein Mitbewerber persönlich zu ihnen kommt. Zwei haben mich sogar rausgeschmissen … aber ich habe nicht locker gelassen. Es ist mir gelungen, die Kollegen zu überzeugen, dass wir gemeinsam eine stärkere Position haben und Lobbyarbeit leisten können. Seither arbeiten wir im Verband nicht nur gut zusammen, sondern es hat sich auch ein oftmals freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Wir haben in den letzten 25 Jahren gemeinsam viel erreicht.

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Mit GREENoneTEC ist der Unternehmer Kanduth auf Messen in aller Welt unterwegs, hier auf der Intersolar in München.

- © GREENoneTEC

Erste Erfolge durch politisches Lobbying

Ein Verband kann viele Funktionen haben, von Lobbying über Normenarbeit bis zu Marketing und Grundlagenforschung. Was davon stand für Sie bei Austria Solar im Vordergrund?

Kanduth: Eindeutig das politische Lobbying. Als einzelne Firma ist man niemand, aber als Dachorganisation findet man Gehör bei den Entscheidungsträgern. Ich habe meine Kärntner Kontakte dafür eingesetzt, dort bin ich seit Jahrzehnten in der Industriellenvereinigung und in der Wirtschaftskammer als Vizepräsident tätig. Diese Kontakte waren das „Sprungbrett“ nach Wien und in die anderen Bundesländer.

Der Erfolg war Anfang des Jahrtausends auf den Dächern deutlich sichtbar: Während in Deutschland die Photovoltaik von der Politik gefördert wurde, setzte Österreich auf Solarthermie. Sehen Sie das als Erfolg Ihres Ansatzes mit Austria Solar?

Kanduth: Ja. Das ist gelungen, weil ich bin immer als Verbandspräsident zu Ministern und Landesräten gegangen, meist mit einem anderen Vorstandsmitglied oder unserem Geschäftsführer Roger Hackstock, nie als einzelner Industrieller. Die Termine im Ministerium haben wir auch nur für Austria Solar und für die gesamte Solarbranche in Österreich bekommen, nicht für einen einzelnen Hersteller.

Trotzdem waren die ersten Jahre auch turbulent, insbesondere mit dem Gründungsgeschäftsführer hatte der Verband einen schwierigen Start, richtig?

Kanduth: Für die erste Geschäftsführung hatte sich auch ein Kärntner angeboten, aber ich wollte, dass der Verband nicht zu Kärnten-lastig wird und habe für einen Bewerber aus Oberösterreich votiert. Das war ein Griff daneben, der hat uns einiges an Geld und Nerven gekostet, der wollte dann sogar den ganzen Verbands-Vorstand absetzen und einen neuen installieren … wir haben das dann sauber beendet, und als nächstes ist ohnehin schon Roger Hackstock gekommen. Das war und ist die perfekte Wahl, er lebt für die Branche und für die Erneuerbaren.

Austria Solar zeichnet sich durch große Konstanz aus, Roger Hackstock ist mit einer Unterbrechung seit über 20 Jahren Geschäftsführer, Robert Kanduth ist sozusagen der „ewige Präsident“: Ist das ein Zeichen der Stärke des Verbands, oder ein Zeichen dafür, dass nach den Solarpionieren wenig nachgedrängt ist?

Kanduth: Das ist ein Zeichen dafür, dass wir eine sehr gute Zusammenarbeit haben. Jeder, der Interesse hat, kann in den Vorstand kommen. Wir treten gemeinsam an, reden viel miteinander, das funktioniert schon sehr gut. Wir haben bei der Wahl des Vorstands auch bei anonymen Abstimmungen 100 Prozent Zustimmung, also machen wir es wohl sehr gut.

Anton Berger, Landesrätin Ursula Lackner und Robert Kanduth (v.l.n.r.)
25 Jahre Kampf für die Solarthermie: Anton Berger (Steierischer Landesinnungsmeiter der Installateure), Landesrätin Ursula Lackner und Robert Kanduth (v.l.n.r.) bei der Vorstellung der steirischen Solaroffensive Anfang 2024. - © Land Steiermark / Purgstaller

Der Solarknick 2009: Gründe und Folgen

Die Nullerjahre waren eine einzige Erfolgsgeschichte für die Solarwärme. Aber 2009 kam der Knick. Was ist da passiert?

Kanduth: Ich kann genau sagen was passiert ist, aber warum das so gekommen ist, verstehe ich noch immer nicht. Die Solarthermie ist die günstigste Form der Energieproduktion. Doch dann wurde damit begonnen, Photovoltaik in immenser Höhe zu fördern. In Kärnten gab es damals eine Förderaktion, da hat jeder PV-Besitzer einen Einspeisetarif von 60 Cent pro kW/h bekommen, bei einem Strompreis von 3 Cent – und das garantiert auf 13 Jahre! Das ist eine 1.000-Prozent-Förderung, wie es sie davor nie gegeben hat, nicht einmal in Deutschland. Interessenten hatten plötzlich die Wahl: Mit der Solarthermie spare ich Geld, mit der Photovoltaik verdiene ich Geld, aber so richtig viel. Das hat eine Marktverzerrung sondergleichen nach sich gezogen, wir haben nie auch nur annähernd so viele Förderungen wie die Photovoltaik oder auch die anderen Heizungsformen bekommen. Das ist bis heute so: Ich verstehe schlicht nicht, warum wir in Europa chinesische PV-Hersteller fördern. Wenn die Solarwärme wenigstens gleichgestellt wäre, könnten wir damit leben. Aber so ist es eben nicht, und gleichzeitig macht man damit die europäische Solarindustrie kaputt. Warum man diesen Weg geht, das weiß ich nicht.

Österreich ist aber noch immer das Land mit der vierthöchsten Solarwärme-Dichte auf der Welt, und die drei vor uns auf der Liste sind kleine südliche Sonnenländer. Das ist schon noch eine Erfolgsgeschichte, oder?

Kanduth: In den besten Zeiten haben wir in Österreich 300.000 m2 Kollektorfläche im Jahr montiert, jetzt sind es noch 45.000 m2. Und das, obwohl wir mit Abstand die wirtschaftlichste Energieerzeugung ermöglichen. Auch vom Nachhaltigkeitsgedanken her sind wir führend, unsere Anlagen können komplett recycled werden. Wie gesagt, ich verstehe diese politische Strategie einfach nicht.

Als Unternehmer haben Sie damals auch begonnen, ins PV-Geschäfts einzusteigen. Wie läuft dieses Geschäft, rein wirtschaftlich?

Kanduth: Leider wird die europäische PV-Industrie jetzt ebenfalls tot gemacht. Wir produzieren derzeit den Watt-Peak um 14 Cent. Aus China bekommen Sie eine fertige Anlage um 8 Cent pro Watt-Peak, und Europa steuert nicht dagegen. Wir werden uns am alten Kontinent in Zukunft gegenseitig die Haare schneiden und die Nägel maniküren, aber Industrie werden wir keine mehr haben, wenn das so weitergeht.

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Ich verstehe schlicht nicht, warum wir in Europa chinesische PV-Hersteller fördern.

Mit seiner Meinung hält Robert Kanduth selten hinter dem Berg, hier im Gespräch mit Ö3-Mann Andi Knoll.

- © GREENoneTEC

Die Bedrohungen für den Industriestandort Europa

Was müsste sich industriepolitisch ändern, was wäre der erste Schritt?

Kanduth: Zölle. Aber natürlich geht es um mehr. Ich mag die Art wie wir in Europa mit hohen Sozialstandards leben. Aber das verursacht Kosten, die die europäische Industrie nicht stemmen kann, unsere Wettbewerbsfähigkeit geht den Bach hinunter. Ich komme viel auf der Welt herum, überall lacht man über Europa. Bei der Präsidentschaftswahl in den USA haben wir außerdem gesehen, dass Erneuerbare Energien, Klimawandel und Energiewende niemanden interessieren. Wir müssen in Europa dramatische Änderungen vornehmen, wenn wir überleben wollen. Sonst enden wir wie das alte Rom, das im Wohlstand untergegangen ist.

Was könnten diese Änderungen am Energiesektor und bei den Erneuerbaren beispielsweise sein?

Kanduth: Am liebsten wäre mir, wenn alle Förderungen gestrichen werden. Dann bleiben die Kosten für die emittierte CO2 übrig, und die lassen sich beziffern. Wenn ich dann eine Solarwärme-Anlage baue, die null CO2 emittiert, und ich bekomme das als Gutschrift – dann explodiert die Solarthermie wieder, weil sie die wirtschaftlichste und ökologischste Energieform ist. Eine andere Möglichkeit wäre es, den kW-Ertrag von Photovoltaik und Solarwärme gleich zu fördern: Auch das wäre genial, denn der Ertrag der Solarwärme ist pro Quadratmeter ja drei- bis viermal so hoch.

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Am liebsten wäre mir, wenn alle Förderungen gestrichen werden.

Änderungen in der Förderungspolitik

Das größte Wachstumspotenzial haben derzeit solare Großanlagen für Nah- und Fernwärme sowie industrielle Prozesswärme: Kann das die Zukunft sein?

Kanduth: Dieses Wachstumspotenzial ist riesig. Aber da gibt es noch einen Aspekt, über den niemand redet und wo wir uns in Europa gerne anlügen. Ich bin ein großer Fan der Biomasse, die im Winter die richtige Ergänzung zur Solarwärme ist und die über den Lebenszyklus CO2-neutral ist. Aber bei der Verbrennung von Holz entsteht akut mehr CO2 als bei der Verbrennung von Erdöl! Warum verheizen wir dann im Hochsommer Holz für die Warmwasserbereitung, auch in Nahwärmeanlagen, und produzieren CO2
für nix und wieder nix? Solarthermie kostet nicht nur nichts, sondern verursacht auch keinerlei CO2-Emissionen. Ich habe das der Ministerin Gewessler genau vorgerechnet, ohne Erfolg. Ich hatte große Erwartungen an die Grünen in der Regierung, doch leider war das aus meiner Sicht ein Rohrkrepierer.

Die Photovoltaik hat gerne auf die Bundesförderung verzichtet, um stattdessen von der Mehrwertsteuer befreit zu werden. Wäre das auch für die Solarthermie interessant?

Kanduth: Das wäre ein riesiger Vorteil! Aber wir sind nicht zum Zug gekommen, obwohl wir es gefordert und immer wieder in die Gespräche eingebracht haben. Wie schon gesagt, ich kann erklären was in Europa und in Österreich mit der Bevorzugung der Photovoltaik passiert ist – aber warum das so ist, das kann ich nicht erklären.

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Kapstadt liegt - anders als es der Name vermuten ließe - rund 45 Kilometer vom "Kap der guten Hoffnung" entfernt. Hier, nahe der Südspitze Afrikas, verbringt Kanduth das Winterhalbjahr.

- © Robert Kanduth
Ich werde meine Funktionen der Reihe nach zurückgeben.

Lockerer angehen lassen: Der Plan für das „dritte Drittel“

Sie selbst haben Ihren Lebensmittelpunkt nach Südafrika verlegt. Was heißt das für Ihre vielen Funktionen in Österreich, zum Beispiel auch für den Vorstand von Austria Solar?

Kanduth: Kapstadt ist ein Familienprojekt, der Plan ist es vorerst, das Winterhalbjahr hier zu verbringen. Mir gefällt es in Südafrika persönlich sehr gut, und auch als Unternehmer kann ich hier mehr bewegen. Ich bin jetzt 62 Jahre alt, habe über 30 Jahre für die Solarthermie gekämpft, seit 25 Jahren für Austria Solar … bei mir ist für das Kämpfen die Luft draußen. Ich habe noch viele weitere Funktionen, neben Austria Solar noch in der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer sowie in anderen Verbänden oder Sportvereinen. Aber diese werde ich der Reihe nach zurückgeben.

Heißt das, Sie werden Ihr Amt bei Austria Solar zur Verfügung stellen?

Kanduth: Die Entscheidung wird bei der Jahrestagung am 18. Dezember fallen. Da bin ich erstmals wieder in Europa, das wird mein erster Termin in Österreich, wo ich direkt vom Flughafen hinfahren werde. Ich habe zwei Drittel meines Lebens gelebt, das zweite Drittel habe ich der Solarwärme gewidmet, den Rest will ich lockerer angehen.

Robert Kanduth
Robert Kanduth vor der Tafelbucht: "Ich habe über 30 Jahre für die Solarthermie gekämpft, bei mir ist für das Kämpfen die Luft draußen." - © Robert Kanduth